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Beitrag zur Aussöhnung?

Nach 24 Jahren besteht wieder eine durchgehende Zugverbindung in den Norden Sri Lankas

Hilmar König; Neu-Delhi *

Nach 24 Jahren Pause fahren durch die ehemalige Kriegszone im Norden Sri Lankas wieder Züge. Die »Queen of Jaffna« oder »Yaal Devi«, wie die tamilische Bevölkerung sagt, verbindet seit dieser Woche die Hauptstadt Colombo mit der nördlichen Provinzhauptstadt Jaffna. Die Regierung unter Präsident Mahinda Rajapaksa versteht dieses Millionenprojekt als Beitrag zur Aussöhnung zwischen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und der Minderheit der Tamilen.

Dekoriert mit Bananenblättern und Blumengirlanden, geschmückt mit den Nationalflaggen Sri Lankas und Indiens rollte die »Königin« am Montag auf ihrer Jungfernfahrt in den Bahnhof von Jaffna ein. Prominentester Passagier war Staatschef Rajapaksa höchst persönlich. Er war 43 Kilometer vor dem Ziel zugestiegen. An der Strecke und auf den Bahnhöfen hatten Zehntausende Bürger den Sonderzug bejubelt. Die jungen unter ihnen sahen erstmals in ihrem Leben eine Eisenbahn, denn seit 1990 war der Betrieb wegen der Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den aufständischen Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) eingestellt.

Die Rebellen kämpften um einen separaten Staat für die Tamilen-Minderheit. Sie wurden im Mai 2009 vernichtend geschlagen. Im Januar 1985 hatte die LTTE einen Zug nach Colombo überfallen. Dabei wurden 33 Menschen getötet und 44 verletzt. Seitdem verkehrten die Züge nicht mehr regelmäßig, und als die »Tamiltiger« 1990 eine Brücke sprengten, bedeutete dies das vorläufige Ende des Bahnverkehrs.

Für die Reparatur von Abschnitten der insgesamt 400 Kilometer langen Strecke stellte Indien dem kleinen Nachbarn einen Kredit über 800 Millionen US-Dollar zur Verfügung. 2011 nahm das staatliche indische Unternehmen IRCON den Bau auf. Die neuen Gleise erlauben Geschwindigkeiten bis zu 120 Stundenkilometer, dreimal schneller als das übliche Tempo der srilankischen Eisenbahn. Die Fahrt zwischen Colombo und Jaffna dauert rund sechs Stunden. Die Züge stammen aus chinesischer Produktion.

Vor dem 1983 ausgebrochenen bewaffneten Konflikt galt die »Queen of Jaffna« als Symbol der Einheit zwischen den ethnischen Gruppen und als Lebensader für den Handel zwischen Nord und Süd. Die berühmten Jaffna-Mangos und Frischfisch gelangten so auf sicherem Wege nach Colombo. Darauf begründen sich nun die Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der »Königin«. Dem Präsidenten jedoch schwebt mehr vor: Der Zug soll als Brücke zwischen dem mehrheitlich von Tamilen bewohnten Norden und dem singhalesischen Süden fungieren.

Auch fünf Jahre nach dem Ende der Kämpfe ist der Krieg, der über 70.000 Opfer forderte, noch präsent: Hunderttausende Menschen werden noch vermisst, sind spurlos verschwunden oder haben als Inlandsvertriebene ihr Hab und Gut verloren. Die Tamilen leiden unter der erdrückenden Militärpräsenz. Der Armee werden von der UNO und Menschenrechtsorganisationen Kriegsverbrechen vorgeworfen. Und Präsident Rajapaksa tut sich schwer damit, seine Landsleute im Norden gleichberechtigt zu behandeln und eine politische Lösung für das Minderheitenproblem zu finden. Dabei kann ihm auch die »Queen of Jaffna« nicht helfen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 18. Oktober 2014


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