Al-Baschir droht ausländischen Beobachtern mit Ausweisung
Viele Fragezeichen vor den im April geplanten Wahlen in Sudan
Von Martin Ling *
In Sudan werden 2010 entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt. In drei Wochen sollen die
lange versprochenen allgemeinen Wahlen stattfinden – wesentlicher Bestandteil des Umfassenden
Friedensabkommens (CPA) von 2005. Ihr Gelingen soll die Basis für das Referendum 2011 in
Südsudan legen, in dem die Einheit Sudans zur Disposition steht.
Es ist eine Krux: Finden die vom 11. bis 13. April terminierten ersten allgemeinen Parlaments- und
Präsidentenwahlen seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht statt oder werden auf den St.
Nimmerleinstag verschoben, ist die Erosion des Umfassenden Friedensabkommens (CPA)
vorgezeichnet. Und es waren just dieser Vertrag und die darin festgeschriebenen Wahlen, die 2005
die Regierung und die Rebellen in Südsudan zu einer Beendigung des 20 Jahre dauernden
Bürgerkriegs bewegten. Das Aufbrechen neuer Fronten im Westen mit Darfur und im Osten am
Roten Meer im Grenzgebiet zu Eritrea konnte das Abkommen freilich nicht verhindern. Finden die
Wahlen hingegen wie vorgesehen statt, scheint ein Ablauf, der breite Akzeptanz mit sich bringt, sehr
fraglich. Sudanesische Oppositionsparteien bemängeln seit Wochen, dass sie wegen Auflagen der
Regierung nicht in der Lage sind, einen freien Wahlkampf zu führen. Zudem werfen sie der
Wahlkommission Parteilichkeit vor. Am Montag hatten 17 Oppositionsführer die Regierung
aufgefordert, die Wahlen zu verschieben. Sie setzten dafür eine Frist bis 29. März.
In dieses Horn blasen auch ausländische Beobachter wie das Carter-Zentrum: »Es ist zunehmend
unklar, ob die Wahlkommission pünktlich eine erfolgreiche Wahl garantieren kann«, hatte das vom
ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und seiner Frau Rosalynn gegründete Zentrum erklärt.
Auch innerhalb der Vereinten Nationen, die für die logistische Vorbereitung der Wahlen zuständig
sind, mehren sich skeptische Stimmen, ob der Termin zu halten ist. Wahlbeobachtern zufolge fehlen
auf den Wählerlisten noch mehrere hunderttausend Namen.
Sudans seit 1989 amtierender Präsident Omar al-Baschir kann solchen Überlegungen indes
überhaupt nichts abgewinnen. Im Gegenteil: Laut der Zeitung »Sudan Tribune« (Dienstagsausgabe)
startete er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Port Sudan eine Gegenattacke: »Jeder Ausländer,
jede Organisation, die eine Verschiebung der Wahlen fordert, wird umgehend ausgewiesen.« Der
Staatschef verlegte sich sogar auf offene Drohungen: »Wir wollen, dass die Ausländer sich die freien
und fairen Wahlen ansehen, aber wenn sie sich in unsere Angelegenheiten einmischen, werden wir
ihre Finger abschneiden, sie unter unseren Schuhen zertrampeln und sie rauswerfen«, sagte er.
Bei den Wahlen steht viel auf dem Spiel: Gewählt werden sollen nicht nur ein neuer Präsident und
ein neues Parlament sondern auch die Gouverneure der einzelnen Regionen und die
Regionalparlamente bis hin zu den Kommunalvertretungen und den Bürgermeistern. Und darüber
hinaus gilt der erste allgemeine Urnengang seit 1986 als Testlauf für das 2011 anstehende
Referendum in Südsudan, mit dem über die Autonomie des Südens entschieden werden soll.
Dass Omar al-Baschir auf die planmäßige Durchführung drängt, ist verständlich. Der
Spitzenkandidat der Nationalen Kongress Partei (NCP) hat beste Karten, die Präsidentschaftswahl
zu gewinnen. Seinen jüngsten Popularitätsanstieg hat er dem Internationalen Strafgerichtshof in Den
Haag zu verdanken, der ihn seit März 2009 wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in den Krieg in
Darfur mit internationalem Strafbefehl suchen lässt. Diese als äußere Einmischung empfundene
Maßnahme führt in großen Teilen der sudanesischen Bevölkerung zu einem Solidarisierungseffekt
zugunsten von al-Baschir.
Zupass kommt al-Baschir auch, dass die seit Kriegsbeginn 2003 rund zwei Millionen Vertriebenen in
Darfur derzeit weder an Rückkehr noch an eine Wahlteilnahme denken können, da die an das
Wohnortprinzip geknüpft ist. Dass es in Darfur Verbrechen gegeben hat, räumte al-Baschir gerade
gegenüber dem Magazin »Der Spiegel« ein. Die Verantwortung dafür sieht er aber in einer vom
Ausland gesteuerten Verschwörung.
Befriedet ist Darfur trotz diverser Friedensabkommen noch nicht, die Gewaltspirale hat sich indes
entschleunigt und verlagert. 2009 starben in Südsudan bei neu entflammten Kämpfen mit 2500
Menschen mehr als in Darfur. Das Pulverfass Sudan zu entschärfen bedarf es einer alle Regionen
und Konfliktparteien umfassenden Lösung einschließlich der bisher marginalisierten
Zivilgesellschaft. Ob die Wahlen dazu einen Beitrag leisten, ist noch nicht ausgemacht.
* Aus: Neues Deutschland, 24. März 2010
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