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Vorwurf des Angriffs

Unklarheit nach Brand in einer Waffenfabrik in Khartum. Sudan beschuldigt Israel. Von dort gibt es keinen Kommentar

Von Knut Mellenthin *

Sudan hat den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Mittwoch abend aufgefordert, einen angeblichen Luftangriff auf eine Fabrik im Süden seiner Hauptstadt Khartum zu verurteilen. Auf derselben Sitzung trug ein Mitarbeiter von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dessen Bericht zur Situation in der sudanesischen Region Darfur vor. Darin heißt es, daß sich die »Sicherheitslage«, besonders im Norden der Provinz, »in den letzten Wochen verschlechtert« habe. Die Regierung Sudans und die Rebellen, die im vorigen Jahr einen von der UNO vermittelten Friedensplan unterzeichnet hatten, müßten stärkere Anstrengungen zu dessen Umsetzung unternehmen.

Indessen sind Ursache und Hintergründe des Brands in der sudanesischen Fabrik in der Nacht vom Dienstag zu Mittwoch nach wie vor völlig unklar. In der Anlage, wo nach offiziellen Angaben »konventionelle Waffen« hergestellt werden, hatten sich mehrere Explosionen ereignet. Das dadurch ausgelöste Feuer konnte nach mehr als zwei Stunden gelöscht werden. Videoaufnahmen zeigen einen Krater im Erdboden. Informations- und Kulturminister Ahmed Belal Osman erklärte am Mittwoch, seine Regierung gehe von einem israelischen Luftangriff auf die Fabrik aus. Zeugen hätten angeblich vier Flugzeuge im Anflug von Osten beobachtet. Zwei Menschen seien bei dem Vorfall getötet, ein weiterer schwer verletzt worden. Die Produktionsanlage sei teilweise zerstört. Raketentrümmer und anderes Material hätten eindeutige Beweise für die Urheberschaft Israels geliefert, sagte Osman. Seine Regierung behalte sich das Recht vor »zurückzuschlagen«.

Israel lehnte es ab, die Ereignisse in Khartum zu kommentieren. Das entspricht dem israelischen Standardverhalten bei allen derartigen Anschuldigungen. Tatsächlich läßt die Regierung in Jerusalem den Verdacht, ihr »langer Arm« sei zu militärischen und anderen kriminellen Aktivitäten im gesamten Nahen und Mittleren Osten einschließlich Nordafrikas fähig, gern unwidersprochen stehen. Khartum hatte Israel schon in der Vergangenheit mehrfach vorgeworfen, Ziele im Sudan angegriffen zu haben, ohne daß Jerusalem das kommentiert hatte. Nach israelischer Darstellung werden über den Sudan und dann durch Ägypten iranische Waffen in den Gazastreifen geschmuggelt.

Ehud Yaari vom Washington Institute for Near East Policy, einer Filiale der offiziellen Pro-Israel-Lobby der USA, AIPAC, behauptete am Mittwoch, falls die sudanesische Regierung recht hätte, wäre dies mit 1800 bis 1900 Kilometern die weiteste Distanz, die jemals von der israelischen Luftwaffe für einen Angriff zurückgelegt wurde. Die Flugstrecke sei erheblich länger als die zur iranischen Atomanlage Fordow bei Teheran. Tatsächlich liegt dieser Ort von Israel weniger als 1600 Kilometer entfernt. Yaari vergaß allerdings in seiner Betrachtung den Angriff auf die PLO-Zentrale in Tunis am 1. Oktober 1985, für den die israelischen Flugzeuge sogar fast 2300Kilometer zurücklegen mußten.

Eine zusätzliche Schärfe bekam der Vorfall durch eine Meldung der israelischen Tageszeitung Haaretz. Unter Berufung auf »die sudanesische Opposition« hieß es dort, die Fabrik in Khartum gehöre den iranischen Revolutionsgarden, in deren Auftrag dort Mittelstreckenraketen produziert würden. Das hatte zuvor allerdings auch schon das geheimdienstnahe israelische Desinformationsportal DEBKAfile behauptet. Über dieselbe Fabrik hatten israelische Stellen 1998 Gerüchte verbreitet, daß dort irakische Chemiewaffen gelagert würden. Nicht nachprüfbare Quelle war auch damals »die sudanesische Opposition«.

* Aus: junge Welt, Freitag, 26. Oktober 2012


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