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"Strategische Rohstoffinteressen"

Bundestag beschloss weitere Einsätze der Bundeswehr in Sudan. Bericht und Rede von Norman Paech

Anders als der Afghanistan-Einsatz spielt der Einsatz der Bundeswehr im Sudan in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Auch im Bundestag wird der regelmäßige Verlängerungsantrag zum Einsatz im südlichen Sudan routinemäßig durchgewinkt - der einzige Widerspruch kommt von der Fraktion Die Linke. Diesmal gab es noch einen zweiten Antrag, der sich auf die Entsendung deutscher Soldaten in die Region Darfur bezieht.
Im Folgenden dokumentieren wir einen zusammenfassenden Artikel über die Bundestagsabstimmung am 15. November (am selben Tag stimmten die Abgeordneten auch über die Verlängerung des OEF-Einsatzes in Afghanistan ab) sowie die Rede des Abgeordneten Norman Paech (Die Linke).
Zuvor aber die Hinweise auf die Anträge der Bundesregierung.


Zwei Einsätze im Sudan

Der Bundestag hat am 15. November über die Verlängerung sowie über eine neue Friedensmission im Sudan abgestimmt. Mit bis zu 250 Soldaten soll sich Deutschland an der "Friedensmission" in der sudanesischen Region Darfur beteiligen. Nach dem Antrag der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 16/6941) soll das Mandat an dem gemeinsamen Einsatz der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union zunächst ein Jahr dauern und am 1. Januar 2008 beginnen.
Hier geht es zum entsprechenden Antrag der Bundesregierung:
"Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur..." (pdf-Datei).
Aufgabe der Soldaten sei es, Lufttransporte in das Einsatzgebiet zu ermöglichen sowie Hilfe bei technischer Ausrüstung und Ausbildung der Truppen stellenden Nationen zu leisten. Der Konflikt in Darfur zähle zu den größten menschenrechtlichen und humanitären Krisen weltweit, heißt es in dem Antrag.
Abstimmungergebnis:
Ja 512, Nein 45, Enth. 12

Mit dem zweiten Antrag (Bundestags-Drucksache 16/6940) bittet die Regierung um Zustimmung des Parlaments, die Beteiligung von bis zu 75 Bundeswehrsoldaten im Süden von Sudan fortzusetzen. An dem internationalen Einsatz auf Grundlage einer Resolution der Vereinten Nationen sind knapp 20.000 Soldaten und mehr als 3.500 Polizisten beteiligt. Sie sollen die Zivilbevölkerung vor bewaffneten Überfällen schützen.
Zu diesem Antrag der Bundesregierung geht es hier:
"Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS)..." (pdf-Datei).
Abstimmungsergebnis:
Ja 518, Nein 40, Enth. 14



"Strategische Rohstoffinteressen"

ngo-online, 15. November 2007

[ngo/ddp] Deutschland wird sich künftig mit bis zu 325 Soldaten am internationalen Militäreinsatz im Sudan, dem größten afrikanischen Flächenland, beteiligen. Der Bundestag beschloss am 15. November mehrheitlich einen Einsatz von 75 Militärbeobachtern im Südsudan sowie "Bundeswehr-Hilfsflüge" in die westsudanesische Region Darfur.

Der von der UN beschlossene Sudaneinsatz UNAMID soll bis zum 31. Dezember die AMIS-Mission ablösen, an der sich die Bundeswehr bereits beteiligt. Eine Ausweitung und Einbeziehung der UNO war nach Auffassung europäischer Staaten und der USA notwendig geworden, da der AMIS-Einsatz unter Kommando der Afrikanischen Union (AU) trotz internationaler Unterstützung keine Verbesserung der humanitären Situation gebracht habe.

Zur Abstimmung lagen daher zwei Regierungsanträge vor. Zum einen ging es um die fortgesetzte Beteiligung am Friedenseinsatz der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) mit unbewaffneten Beobachtern zur Umsetzung des Friedensabkommens im Südsudan. Zum anderen um die neue UN/AU-Hybridmission in Darfur (UNAMID), wo die Bundeswehr künftig mit bis zu 250 Mann Unterstützung im Lufttransport leisten soll.

Unions-Außenexperte Eckart von Klaeden (CDU) sagte, dass es sich bei UNAMID um die größte Mission der UNO handle. "Sie muss gelingen, allen Widrigkeiten zum Trotz", sagte er. Andernfalls drohten ein Flächenbrand in der Region und große Flüchtlingsströme.

Die SPD-Abgeordnete Brunhilde Irber behauptete, seit 2003 seien in Darfur mindestens 2,3 Millionen Menschen vertrieben und bis zu 400.000 Menschen getötet worden. Derartige Zahlen werden von Sudan-Kennern massiv bezweifelt.

Die Grünen-Außenexpertin Kerstin Müller forderte für Darfur einen "Dreiklang" von Friedensgesprächen, Waffenstillstand und Friedenssicherung. Deutschland müsse daher Druck auf die Regierung in Khartum ausüben, den "Friedensprozess" nicht länger zu unterlaufen, forderte die ehemalige Staatssekretärin des Auswärtigen Amtes.

Nach den Worten der FDP-Wehrexpertin Elke Hoff müsse auch im Südsudan mehr getan werden, um den Militäreinsatz durch größere Zivilhilfe zu flankieren. "Es muss ein intelligenter Mix aus dem Einsatz beider Mittel sein."

Die Linke lehnte die Bundeswehr-Einsätze ab. Diese Militärhilfe sei ein "Scheitern der Politik", sagte der Links-Abgeordnete Norman Paech. Zudem sollte man endlich anerkennen, dass es hier letztlich nur um strategische Rohstoffinteressen gehe. "Das Militär hat sich da rauszuhalten."

In namentlicher Abstimmung sagten 518 Abgeordnete Ja zum UNMIS-Mandat. Es gab 40 Nein-Stimmen und 14 Enthaltungen. Dem UNAMID-Mandat stimmten 512 Abgeordnete zu, 45 votierten dagegen. Hier gab es zwölf Enthaltungen. Beide Mandate sind längstens bis zum 15. August 2008 befristet.

Quelle: Internetzeitung "ngo-online"; www.ngo-online.de


Für ein stärkeres friedenspolitisches Engagement im Sudan

Norman Paech, Die Linke

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Seit Jahren reden wir an diesem Ort darüber, wie wir dem zerrissenen und verwüsteten Land Sudan eine friedliche und sichere Zukunft garantieren können. Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Es wird der Einsatz des Militärs gefordert. Die Mandate werden verlängert, und jetzt wird sogar der größte Militäreinsatz der UNO überhaupt vorbereitet.

Sie meinen immer noch, dass das der richtige Weg ist. Wir sagen Ihnen aber: Das ist ein Scheitern der Politik und wird die Situation im Sudan nicht verbessern;

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

denn der Schutz von Menschen durch das Militär kann, wenn das überhaupt möglich ist, immer nur von kurzer Dauer sein. Langfristig führt der Einsatz von Militär immer nur zu Destabilisierung, zu Zerstörung der sozialen Strukturen und zu immer mehr Gewalt und weiteren Toten.

Sie beteuern dann immer wieder, dass es politischer und ziviler Kräfte zur Lösung dieses Konfliktes bedarf. Wo sind sie? Außer den zahllosen humanitären Organisationen, die die äußerste Not zu bekämpfen versuchen, sehe ich keine weiteren Kräfte. Es gibt keinen zivilen Einsatz, der dem Aufwand des Militärs in irgendeiner Weise vergleichbar ist.

Sie berufen sich auf den Friedensvertrag von 2005, der unter starkem Druck der USA geschlossen wurde und deren Einhaltung die UNMIS nun zu überwachen und zu sichern hat. Wir können doch nicht übersehen, dass durch diesen Vertrag die Abspaltung des Südens vom Norden faktisch vorbereitet wird. Die jüngsten Spannungen, die erneute Eskalation der Gewalt und auch die Blockade des Friedensprozesses sind doch gerade Ergebnisse dieses verfehlten Vertrages.

Die wiederaufkeimende Gewalt kann durch UNMIS zwar zeitweilig unterdrückt, aber nie dauerhaft beseitigt werden. UNMIS wird vielmehr - das befürchten wir - zu einer Partei im Sezessionskonflikt, in dem es schließlich um eine heftige Konkurrenz mit China um die Ölressourcen im Süden dieses Landes gehen wird. Deswegen können wir diesen Konflikt nicht isoliert und als internes Problem des Sudans sehen. Warum haben die USA nämlich ein neues afrikanisches Militärkommando - AFRICOM genannt - gegründet, welches alle militärischen Aktivitäten vom Horn von Afrika bis zum Golf von Guinea koordinieren soll? Das geschah doch nicht, um dort Frieden herzustellen und Menschenrechte zu sichern. Machen wir uns doch nichts vor: In der ganzen Region geht es um strategische Rohstoffinteressen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Sudans Nachbar Äthiopien - das dürfen wir nicht vergessen - hat seinen Nachbarn Somalia mit Unterstützung der USA - man kann sogar sagen: auf Anregung - überfallen und bietet sich jetzt als Standort für AFRICOM an. So legitim Rohstoffinteressen auch sind: Das Militär hat sich da herauszuhalten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Damit komme ich zum zweiten Mandat, zur neuen Mission UNAMID für das verwüstete Darfur. Es mag Ihr Gewissen und das Gewissen vieler beruhigen, mit diesem Mandat wieder etwas getan zu haben. Ich sage Ihnen aber voraus: Auch dieses gewaltige Militärkontingent wird an der desolaten Situation substanziell nichts ändern. Blicken Sie doch einmal in den Kongo.

Es ist schon lange kein Krieg der Rebellen von Darfur gegen die Zentralregierung in Khartoum mehr. Die Zahl der Rebellengruppen ist unübersehbar geworden. Sie kämpfen allmählich gegeneinander. Der Friedensvertrag von Abuja ist vollkommen unzureichend, und die Konferenz in Libyen ist ergebnislos geblieben.

Warum? Die wichtigsten Rebellengruppen nahmen daran gar nicht mehr teil. Stattdessen haben sie sich zusammengefunden, um die Unabhängigkeit Darfurs vom Sudan zu planen. Das ist unsere Sorge: Wir befürchten die Trennung Darfurs vom Sudan unter dem Schutz der UNO-Truppen, selbst dann, wenn sie dies niemals gewollt haben.

Was fehlt und was die Linke fordert, ist ein umfassendes politisches Konzept zur Unterstützung des Friedensprozesses. Wir fordern die Aufnahme von neuen Friedensverhandlungen und ein umfassendes Programm für den Wiederaufbau dieser Region.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Nur so kann die Einheit des Landes gewahrt werden. Wenn Sie alle Mittel, die Sie nun wieder in ein militärisches Mandat stecken, für ein großes ziviles Friedens- und Wiederaufbauprogramm bereitstellten, hätten Sie unsere ungeteilte Zustimmung; denn uns trennt doch nicht die Sorge um die Menschenrechte und das kriegszerrissene Land,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

sondern die Mittel, mit denen Sie jetzt diesem Land und den dort lebenden Menschen zu Leibe rücken. Dafür bekommen Sie die Zustimmung der Linken nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Quelle: Website des BT-Abgeordneten Norman Paech: www.linksfraktion.de


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