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Chinas Beziehungen zum Sudan: Ein Wandel der Innen- und Außenpolitik

Von Daniel Large *

Trotz einer langen Geschichte chinesischer Unterstützung, kultureller Beziehungen und des Handels, spielte China nach der Unabhängigkeit im Jahr 1956 keine wichtige Rolle in der sudanesischen Innen- und Außenpolitik. Erst nach 1989 hat Chinas Rolle innerhalb des Sudans zunehmend an Bedeutung gewonnen. Vor der Ölinvestition ab Mitte der 1990er Jahre, die Präsident Bashir nach einem Treffen mit Präsident Jiang Zemin im September 1995 in Beijing aushandelte, waren die Beziehungen Chinas zum Sudan im Großen und Ganzen eher symbolischer Natur als politisch bedeutsam. Am 4. Februar 2009 feierten die chinesische und die sudanesische Regierung das offizielle goldene Jubiläum ihrer diplomatischen Beziehungen – fünfzig Jahre nachdem die Republik China mit ihrer diplomatischen Vertretung im Sudan, die vierte auf dem afrikanischen Kontinent, eingerichtet hatte. Beijings Beziehungen zum Sudan sind bisher der wichtigste und kontroverseste Aspekt von Chinas wachsendem Engagement in Afrika.

Das sich wandelnde Engagement Chinas im Sudan war vornehmlich verbunden mit und geprägt durch den wechselhaften Kurs der NIF/NCP seit 1989. Angeführt durch seine nationalen Ölunternehmen hat sich China in ein geschichtlich bedingtes Muster von einer durch das Zentrum dominierten, gewalttätigen Staatsführung begeben. Chinas Verbindung zu Khartum wandelte sich nach 1989 von einer auf gegenseitigem Nutzen basierenden und von politischen Unterschieden unbelasteten zu einer politischeren Beziehung – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Sudans. Nach anfänglicher Unsicherheit in Beijing bezüglich des Charakters des Regimes, das im Juni 1989 an die Macht kam, wurden die Beziehungen mittels durch den Iran finanzierten Waffenhandels fortgeführt und entwickelten sich zu einer multidimensionalen Unterstützung der sudanesischen Zentralregierung. Chinas Einzug in den Sudan beruht in vielerlei Hinsicht auf einer Kombination von Faktoren: der NIF-Krieg, Sudans schwierige Beziehungen auf regionaler und internationaler Ebene und die unbeabsichtigten Folgen des von den USA angeführten Drucks auf Khartum. Das führte zu einer Öffnung des Sudans gegenüber China als letzte Rückgriffsmöglichkeit für Khartum, mit dem Ergebnis, dass sich Chinas Ölengagement im Sudan nach 1995 entfaltete, und zwar noch vor der Ausweitung des Engagements in anderen Teilen Afrikas.

Die chinesische Regierung hat wirksame, enge Beziehungen mit ehemaligen NCP-Führern aufgebaut. Chinesische Staatsunternehmen, die NCP und zentralstaatliche Ministerien im Sudan betreiben so etwas wie ein staatliches Wirtschaftsnetz, das man auch als „Energie-Zusammenarbeit“ bezeichnen könnte, das insbesondere im Ölsektor eine wichtige Rolle gespielt hat. Militärische Zusammenarbeit und Waffenlieferungen machen einen dritten, weniger dokumentierten aber dennoch signifikanten Teil der Beziehungen zwischen China und Khartum aus.[1] Der letzte Bereich der offiziellen Beziehungen ist die Zusammenarbeit auf parteilicher Ebene, zwischen der Kommunistischen Partei Chinas (CPC) und der NCP. Das schließt Rituale rhetorischer Solidarität und aktivere Formen der gegenseitigen Unterstützung zwischen der CPC und der NCP mit ein (inklusive einer Spende vonseiten der NCP von $ 100 000.- anlässlich des Erdbebens von Sechuan im Jahr 2008).

Das Öl ist weiterhin der Kern der Beziehungen. Seit 1999, als zum ersten Mal Öl aus dem Sudan exportiert wurde – nach einem militarisierten Ölentwicklungsprozess, bei dem chinesische Unternehmen eine wesentliche Rolle spielten – hat das Öl Sudans den Exporthandel mit China beherrscht und tut es nach wie vor. Sudan ist weiterhin der Hauptschauplatz für Chinas Ölinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent, ist aber für China als Öllieferant keineswegs so wichtig wie Angola oder Saudi-Arabien. Im Jahr 2007 war der Sudan Chinas sechstgrößter Öllieferant und deckte 6% von Chinas Rohstoffimport ab. Die China National Petroleum Corporation (CNPC)-International Sudan hält die größten Anteile an den zwei wichtigsten Ölkonsortien im Sudan, der Greater Nile Petroleum Operating Company und Petrodar, deren Hauptförderungsanlagen sich in der vorläufigen Nordsüdgrenzzone und im Südsudan befinden. Alles in allem ist der Sudan weiterhin Chinas drittgrößter Handelspartner in Afrika. Während Öl nach wie vor eine zentrale Rolle spielt, ist das chinesische Geschäftsprofil im Sudan vielfältiger geworden. Chinesische Unternehmen sind in verschiedenen Bereichen aktiv, vor allem in der Infrastruktur.

Darfur und der Wandel der chinesischen Diplomatie

Seit dem Konflikt in Darfur ist Chinas internationale Unterstützung des Sudans weltweit ein Thema geworden und hat es der NCP ermöglicht, einen diplomatischen Kurs einzuschlagen, der ansonsten unwahrscheinlich gewesen wäre. Beijing hat Khartum diesbezüglich in mehrerlei Weise unterstützt, u. a. beim UN-Sicherheitsrat. Dabei könnte es sich teilweise um eine defensive Haltung der chinesischen Regierung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Interessen handeln, doch es war auch ein Ausdruck grundsätzlicher politischer Uneinigkeit, was Fragen der angemessenen Interventionssouveränität und der Nichteinmischung anbetrifft. Das sich entwickelnde politische Engagement Chinas in Bezug auf Darfur lässt sich vornehmlich als reaktiv und spontan bezeichnen. Ein wichtiger, vernachlässigter Grund dafür ist die Art und Weise, in der die NCP China in die Verteidigung ihrer Außenpolitik hineingezogen hat, und zwar aus einer Widerstandshaltung heraus, die den chinesischen Interessen gelegentlich zuwiderlief, bei der China aber dennoch eine wesentliche Rolle spielte. Jene Prinzipien, die Chinas Zugang zum Sudan erleichtert hatten, wurden für Beijing angesichts einer unkooperativen NCP unter Präsident Bashir, der einen für Chinas internationalen Ruf schädlichen Aktionskurs verfolgte, zum Hemmschuh. Insbesondere die Darfur-Politik erforderte neue Taktiken und politische Praktiken, im Sinne einer Ausweitung der Bedeutung – ohne dass dies aus der Sicht Beijings ein Widerspruch gewesen wäre. Als solche lassen sich die Beziehungen wegen ihrer Komplexität nicht auf eine bedingungslose Unterstützung reduzieren.

Die chinesische Regierung reagierte mit einer Intensivierung ihres politischen Engagements. Beijings „konstruktives“ Engagement war bereits vor der „Genozid-Olympiade“-Kampagne klar zu erkennen, die von Aktivistengruppen in den USA angeführt wurde (einschließlich einer wenn auch kurzlebigen Vereinbarung bezüglich Annans Plan zum Einsatz von Friedenshelfern in Darfur, die von Chinas permanentem UN-Vertreter mit Präsident Bashir im November 2006 in Addis Abeba ausgehandelt wurde). Die Möglichkeit eines Boykotts der olympischen Spiele, der eine massive politische Peinlichkeit dargestellt hätte, scheint kurzfristig ein Katalysator für Beijings Reaktion gewesen zu sein. Die chinesische Diplomatie wurde aktiver und öffentlicher, wobei der Sonderbotschafter Liu Guijin eine unterstützende Rolle spielte. Während sie sich internationalen Belangen zuwandten, unterstütze China jedoch weiterhin Präsident Bashir und die von der NCP angeführte Regierung der nationalen Einheit. Im Wesentlichen entwickelte sich dadurch eine Kombination aus Druck auf ehemalige NCP-Führer und für das internationale Publikum bestimmte kritischere Kommentare in der Öffentlichkeit auf der einen Seite, und fortlaufender Unterstützung der NCP auf der anderen Seite. Demnach betrieb China eine Politik der persönlichen Beeinflussung der NCP-Führung, insbesondere hinsichtlich der Gründung von UNAMID, während es formal seinen Ansatz der Nichteinmischung und Anerkennung der Souveränität beibehielt und gleichzeitig damit fortfuhr, Khartum inmitten wachsender Geschäftsbeziehungen zwischen China und dem Sudan auf dem internationalen Parkett zu unterstützen.

Chinas Strategie des „Einflusses ohne Einmischung“ [2] beinhaltete persönliches Überreden und enge Konsultationen.[3] Beijings Unterstützung einer UN-Friedensmission in Darfur, die insbesondere den Wünschen von Präsident Bashir zuwiderlief, ist hierfür das sichtbarste Beispiel. Beijing hatte eine solche Mission unter der Voraussetzung, dass Khartum seine Zustimmung gibt, unterstützt. Als diese ausblieb, scheint eine Kombination aus Verhandlungen auf privater Ebene eine wichtige Rolle dabei gespielt zu haben, Präsident Bashirs ablehnende Haltung hinsichtlich einer Mission zu ändern, die in der Folge vonseiten Chinas mit Friedenstruppen unterstützt wurde. Ein weiterer Trend bestand in der erhöhten Bereitschaft chinesischer Vertreter und ehemaliger Parteiführer, in der Öffentlichkeit – wenn auch vorsichtige – Kritik an der NCP zu äußern, bis hin zu spezifischen Empfehlungen, wie der Darfur-Konflikt zu lösen sei. (...)

Trotz existierender Spannungen, sollten die Differenzen innerhalb der bilateralen Beziehungen zwischen Beijing und Khartum nicht überbewertet werden. Sudan war schädlich für Chinas internationalen Ruf. China hat die Führung der NCP enttäuscht, weil es Khartum nicht stärker verteidigt hat (z.B., indem es keinen Gebrauch von seinem Veto beim UN-Sicherheitsrat gemacht hat, auch nicht bei der IStGH-Resolution 1593). Trotz internationalen Drucks wurden die Grenzen des politisch Akzeptablen jedoch nicht in entscheidendem Maße überschritten, sodass es nicht zu einem grundlegenden Bruch kam. (...)

Chinas Politik innerhalb des Sudans

Chinas Rolle im Sudan ist primär durch seine Nähe zu der Macht habenden NCP stärker politisiert worden. Bisher hat das bedeutet, dass China als Partisan betrachtet worden ist, sosehr Beijing auch bestrebt gewesen sein mag, seine wirtschaftliche Rolle in einem Paket mit der Aufschrift „Nichteinmischung“ zu fördern und voranzubringen. Des Weiteren haben Chinas militärische Verbindungen mit Khartum die weit verbreitete Wahrnehmung einer stärkeren und tiefer gehenden Unterstützung der NCP zementiert, was auf jeden Fall auf die Rebellengruppen in Darfur zutrifft.

Hatte China zuvor besonders starke Bedenken hinsichtlich dessen, was als eine Regimewechseldynamik aufgrund westlichen Drucks auf den Sudan betrachtet wurde, so erleben sie jetzt Druck vonseiten der Rebellengruppen in Darfur, die mit militärischen Mitteln genau das Gleiche bewirken wollen. Die möglichen Implikationen des sich hinziehenden regionalen Konflikts wurden deutlich, als die Gerechtigkeits- und Gleichheitsbewegung (Justice and Equality Movement, JEM) im Februar 2008 Omdurman angriff, eine der drei Städte, aus denen sich Khartum zusammensetzt.

Der Darfur-Konflikt stellte auch eine Bedrohung für die chinesischen Interessen im Sudan dar – wegen internationaler Versuche, Ölsanktionen durchzusetzen, und in noch direkterer Weise wegen Angriffen auf Ölförderungsanlagen durch Rebellen. Die Tatsache, dass insbesondere die Ölgeschäfte Chinas, die politisch exponierter sind als die der anderen Hauptinvestoren aus Indien und Malaysia, das Ziel regierungsfeindlicher Gewalt sind, hat die sich vertiefende politische Verwicklung Chinas zusätzlich unterstrichen und dementsprechend die Notwendigkeit eines Investitionsschutzes zu einer höheren Priorität in Beijing gemacht. Dies manifestierte sich im Oktober 2008, als neun chinesische CNPC-Arbeiter in der Abyei-Region entführt wurden, einer an Öl reichen Gegend in der umkämpften Grenzregion zwischen dem Nord- und dem Südsudan. In der Folge wurden fünf von ihnen auf Befehl eines Kommandanten getötet, der behauptete, der Gerechtigkeits- und Gleichheitsbewegung anzugehören, und der zuvor für die Zentralregierung gegen die SPLA gekämpft hatte. Er nahm Bezug auf den mangelnden Nutzen, der auf lokaler Ebene aus dem Ölreichtum gezogen würde, sowie auf die fortschreitende Unterentwicklung, und er konstatierte, dass „China die Regierung in Khartum militärisch unterstützt und ihr dabei hilft, unsere Region zu marginalisieren. Doch uns geht es um die Regierung in Khartum“.[4] Die Bedrohung chinesischer Interessen bot Beijing einen Grund, im eigenen Interesse der Konfliktlösung im Sudan Vorschub zu leisten, und sie war somit ein interner Antrieb für ein aktiveres politisches Engagement Chinas.

Auch die Ablösung des Tschad von Taiwan am 6. August 2006 führte zu einer neuen Konfiguration der regionalen diplomatischen Interessen. Zwar war es für Beijing ein Coup, den Tschad für sich zu gewinnen, aber es stellte auch eine komplizierte diplomatische Herausforderung dar. Der Seitenwechsel des Tschad steigerte das Interesse Chinas am Erhalt der politischen Herrschaft von Präsident Deby und war somit einen weiterer Grund für Chinas Bestreben, zu verhindern, dass der regionale Konflikt seine neuen Interessen im Tschad und die langfristigeren Investitionen im Sudan destabilisierte. Tatsächlich hat China seit August 2006 zwei Regierungen unterstützt, die in einen episodenhaften, schmutzigen und ausgedehnten regionalen Konflikt verwickelt sind. Gefangen in einer regionalen politisch-militärischen Dynamik, zu der es teilweise beigetragen hat, die aber im Wesentlichen jenseits seiner Kontrolle lag, war Beijing mit den unbeabsichtigten Konsequenzen seiner Verwicklung konfrontiert.

China und der IStGH

So wie der Sudan – und die USA – gehört China nicht zu den Unterzeichnern des Rom-Statuts, durch das der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) im Juli 1998 begründet wurde. Um Chinas Enthaltung nach der UNSC-Resolution 1593 (31. März 2005) zu erklären, betonte Beijing seine Besorgnis hinsichtlich des Nord-Süd-Friedensprozesses und auch, wie wichtig es sei, auf das sudanesische Rechtssystem zurückzugreifen und die Zustimmung Khartums zu erlangen. In der Folge äußerten Vertreter der chinesischen Regierung starke Bedenken und riefen zu einer Aussetzung des Prozesses des IStGH auf. Am 31. Juli 2008 zum Beispiel, nachdem der Sicherheitsrat dafür gestimmt hatte, das UNAMID-Mandat zu verlängern, verurteilte der ehemalige UN-Botschafter Wang Guangya die Anklageerhebung des IStGH als „eine unangebrachte Entscheidung zu einem unangebrachten Zeitpunkt“.[5] Im Vorfeld der Bekanntgabe durch den IStGH wiederholte ein chinesischer MFA-Sprecher Beijings Bedenken bezüglich des Zeitpunkts der Entscheidung und führte an, dass eine langfristige Stabilität und Frieden die Voraussetzungen für Gerechtigkeit im Sudan seien. Liu Guijin besuchte Khartum im Januar, nachdem er sich mit seinen russischen Pendants in Moskau beraten hatte.

Nach der Entscheidung von Den Haag (4. März 2009) äußerte Beijing „Bedauern“ und „Sorge“. Nach der Ausweisung von 16 NGOs aus Darfur und den Drei Gebieten (Abyei, Blauer Nil und Süd-Kordofan) wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem IStGH, konnte sich der UN-Sicherheitsrat nicht auf eine Reaktion einigen. Ein von Frankreich an den Sicherheitsrat gerichteter Antrag vom 7. März 2009, in dem die sudanesische Regierung verurteilt wird, und in dem darauf gedrängt wird, die Ausweisung rückgängig zu machen, wurde von China und Libyen, blockiert. Beide hatten sich dafür ausgesprochen, sich auf Paragraph 16 zu berufen, durch den die Anklage für ein Jahr ausgesetzt werden könnte, mit der Möglichkeit eines anschließenden bedingungslosen Aufschubs auf unbestimmte Zeit. Westliche Staaten lehnten es ab, durch die Ausweisungen bedingte humanitäre Fragen mit einem IStGH-Aufschub zu verbinden. (...)

Berichten zufolge riet Chinas UN-Botschafter Zhang Yesui der NPC, Zurückhaltung zu üben und eine Verschlechterung der humanitären Situation zu verhindern – als Teil von Chinas Unterstützung eines „umfassenden“ Ansatzes für die Lösung der Probleme im Sudan. Doch weder übte die NCP Zurückhaltung, noch scheint sich Beijing stärker eingemischt zu haben. Jegliche Annahme, dass Beijing politisch Einfluss nehmen könnte, um die NCP zur Mäßigung zu bewegen, hat sich als zu optimistisch herausgestellt. Wenn überhaupt, so scheint Beijing bestrebt gewesen zu sein, seine eigene Position aktiver zu behaupten. (...)

Nach wie vor stellt sich die Frage, ob China eine Aussetzung gemäß Paragraph 16 beim Sicherheitsrat beantragen wird. Dass Beijing einen solchen Schritt prinzipiell unterstützen würde, ist verhältnismäßig eindeutig, aber nicht seine Bereitschaft, beim Sicherheitsrat als Hauptantragsteller aufzutreten. Beijing hat es stattdessen vorgezogen, seine Stellung bei der sich aus regionalen Organen zusammensetzenden Opposition (Afrikanische Union, Arabische Liga, die Bewegung der Blockfreien und der OIC) zu verankern und diese auszuweiten.

Chinas Diplomatie basiert auf der etablierten Strategie einer undurchsichtigen Politik der Einflussnahme auf Khartum, gemäß des eigenen nationalen Interesses, ohne Einmischung in die internen Angelegenheiten des Sudans. China hat bisher keine pro-aktive Rolle in Bezug auf den Sudan gespielt, aber die Tatsache, dass außenstehende Mächte sich so schnell der chinesischen Unterstützung versichern wollten, um die NCP nach dem Haftbefehl vonseiten des IStGH zur Zurückhaltung zu bewegen, bezeugt Chinas anerkannte Stellung als externer Hauptakteur. Ban Kimoon, Generalsekretär der UN, sagte während einer Pressekonferenz am 12. März, dass der chinesische Außenminister Yang Jiechi angemerkt habe, „dass sie alles im Bereich ihrer Möglichkeiten tun würden, um [auf Präsident Bashir] Einfluss zu nehmen“.

Beijing ist nach wie vor abgeneigt, zu einem so kritischen Zeitpunkt die in die Ecke getriebene NCP zu verstimmen, hat aber weiterhin Gelegenheit, in der Praxis sein Verantwortungsbewusstsein zu demonstrieren, indem es sich um humanitäre Belange im Sudan kümmert und Friedenspolitik betreibt, die der Sicherheit der CPA Vorschub leistet – und dafür Anerkennung einzustecken. Der Erfolg der Friedensinitiativen in Darfur und der fortlaufende CPA-Prozess liegen in Chinas eigenem Interesse. Beijing scheint bisher entschlossen gewesen zu sein, seine Diplomatie des verantwortungsvollen Einflusses fortzuführen, doch es bleibt Raum für eine taktische Abweichung vom Kurs, die darin besteht, sich in eine Linie mit den Schwerpunkten der internationalen Politik zu bringen und sich auf regionale Verbündete zu verlassen. Zurzeit erscheint ein von mehr Bestimmtheit geprägtes Engagement unwahrscheinlich. (...)

China und der Südsudan

Historisch gesehen hatte Beijing nur mit Sudans wechselnden parlamentarischen und militärischen Zentralregierungen in Khartum zu tun. Doch eine zunehmende Stärkung der Beziehungen zwischen Juba und Beijing seit 2005 hat im Jahr 2008 zum Aufbau quasi-diplomatischer Beziehungen zwischen der chinesischen Regierung und der Regierung des Südsudan geführt. Man könnte sagen, dass Chinas Beziehungen zum Südsudan unter das Prinzip „ein Sudan, zwei Systeme“ fallen, da somit sowohl die Zentralregierung der Nationalen Einheit als auch die Regierung des Südsudan anerkannt und einbezogen werden.

Beijings Beziehungen mit der SPLM wurden gemäß der Bedingungen der CPA auf dem Papier rechtlich abgesegnet. Wegen der vorhergehenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung der Zentralregierung in Khartum zu Kriegszeiten war die politische Ausweitung auf den Südsudan für Beijing mit besonderen Herausforderungen verbunden. China hatte zuvor formal in keinerlei Weise mit der SPLM zu tun; die Unterstützung der NIF/NCP bedeutete, dass Beijing weitgehend als der Hauptgeldgeber des ehemaligen Feindes der SPLM gesehen wurde. Das, was Beijing als Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten des Sudans darstellte, wurde von der SPLM völlig anders interpretiert und empfunden, nämlich als Einmischung in Form der Unterstützung des Feindes. Das Zusammentreffen eines althergebrachten Pragmatismus, der Notwendigkeit auf beiden Seiten und der Aussicht auf wechselseitigen Nutzen hatte zur Folge, dass sowohl die Regierung Chinas als auch die Regierung des Südsudans sich nach 2005 für Geschäftsbeziehungen öffneten.

Der Aufbau offizieller Verbindungen wurde durch die Einweihung von Chinas neuem Konsulat in Juba durch den stellvertretenden Außenminister Zhai Jun am 1. September 2008 bekräftigt. Dieser Schritt formalisierte die neue diplomatische Achse zwischen Juba und Beijing, was es China ermöglichte, den Südsudan zu den eigenen bilateralen Bedingungen mit einzubeziehen, anstatt die Beziehungen über Khartum laufen zu lassen.

In der Folge vertieften sich Beijings Beziehungen zur Regierung des Südsudan durch Entwicklungshilfe, verstärkte Investitionen und neue chinesische Unternehmen in Juba. Die Beziehungen haben sich auch auf andere politische Akteure ausgeweitet. Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Chinas zum Südsudan beschränken sich nicht auf die Regierung in Juba sondern erstrecken sich auch auf staatliche Behörden. Als Beispiel für die Verbindungen zwischen dem ölreichen südsudanesischen Staat, der chinesischen Regierung und der CNPC sei auf August 2008 verwiesen, als der Gouverneur des Oberen Nils,[6] Gatluak Deng Garang (ein Vertreter der NCP), China einen offiziellen Besuch abstattete.

Chinas Verbindungen zu Juba stehen im Kontrast zu der Entwicklung der Beziehungen zum Nordsudan. Beim Aufbau der Beziehungen mit der Regierung des Nordsudan nach 1989 hatten auf Ressourcen bezogene Notwendigkeiten und Investitionsgelegenheiten Priorität. Obwohl dieser Einzug in eine neue Arena durch den Staat unterstützt und mit politischen Mitteln erleichtert wurde, war er von wirtschaftlichen Interessen getrieben. Mit der Einbeziehung des Südsudans hingegen reagierte Beijing auf politische Notwendigkeiten, die mit dem Investitionsschutz zusammen hängen und somit durch etablierte Interessen bedingt sind, und zwar als Teil einer Absicherungsstrategie, die auf die mögliche Abspaltung des Südens ausgerichtet war. Mit seinem Engagement ist es China gelungen, die Beziehungen mit der Regierung des Südsudans und mit der SPLM zu verbessern, in Juba Fuß zu fassen und ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. So wie andere externe Akteure unterliegt China weiterhin den fortlaufenden Beschränkungen und unzähligen Problemen, mit denen die Regierung des Südsudan konfrontiert ist. Diese reichen von institutionellen Herausforderungen, die mit dem Aufbau eines funktionierenden Regierungssystem verbunden sind, bis zur Finanzkrise, die größtenteils durch die massive Abhängigkeit von den sinkenden Einkünften aus der Ölwirtschaft, infrastrukturelle Mängel sowie fortlaufende und neue „Süd-Süd“-Konflikte bedingt ist.

Fazit

Die Sudanpolitik Chinas hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts geändert, wobei es sich um einen Anpassungsprozess handelt, der den grundlegenden Wechsel von einem durch die politische Komplexität größtenteils unbeeinträchtigten Fall wechselseitigen Nutzens zu einem stärker eingebetteten, strategischen und multidimensionalen Engagement widerspiegelt. Was als eingeschränktes chinesisches Engagement in den frühen 1990er Jahren begann, wurde für die Staatsführung von zentralerer Bedeutung, und zwar aufgrund strategisch wichtiger Ölinvestitionen und politischer Unterstützung, was in der sudanesischen Politik und auch allgemeiner im Netz der Außenbeziehungen seinen Niederschlag findet. Im Sudan manifestieren sich die Beschränkungen, denen das chinesische Engagement unterliegt. Das hat es zunehmend erforderlich gemacht, über die sudanesische Politik zu verhandeln, was durch die Politisierung von Chinas Rolle im Sudan, vor allem wegen der Verbindung zum Macht habenden Zentralstaat, noch verstärkt wurde.

Chinesische Ölunternehmen sind in den Konflikt verwickelt worden, und sie sind dem erneuten Konflikt als stärker exponiertes potentielles Ziel für Gruppen, die auf Khartum durch Angriffe auf dessen strategische Verbündete Druck ausüben wollen, weiterhin ausgesetzt. Das bringt die heikle Frage auf, wie die Notwendigkeit des Investitionsschutzes, die aus dem über ein Jahrzehnt andauernden wirtschaftlichen Engagement Chinas resultiert, sich in der Praxis mit dem Festhalten am Prinzip der Nichteinmischung vereinbaren lässt.

Das Engagement Chinas zielt darauf ab, Juba zu unterstützen und Chinas Stellung im Südsudan zu stärken. Mit seiner Vorgehensweise wollte Beijing zum Teil seiner selbst eingestandenen Unbeliebtheit entgegenwirken und gleichzeitig eine strategisch günstigere politische Stellung im Südsudan erlangen. Es bleibt fragwürdig, inwieweit Chinas Beziehungen mit Macht habenden politischen Eliten in Juba dazu beitragen werden, den weitverbreiteten Klagen aus Gemeinden in den Öl fördernden Regionen des Südsudans entgegenzuwirken. Jedoch hat Beijing mit der Einbeziehung der südsudanesischen Regierung auf politische Notwendigkeiten reagiert, die mit dem Investitionsschutz zusammenhängen und somit durch etablierte Interessen bedingt sind, und zwar als Teil einer Absicherungsstrategie, die auf die mögliche Abspaltung des Südens ausgerichtet war.

Die Feierlichkeiten anlässlich des Goldenen Jubiläums fanden am 22. März 2009 in der von China erbauten Freundschaftshalle in Khartum ihren Abschluss. Neben Phrasendrescherei über die glänzende Zukunft der Beziehungen kamen die Feierlichkeiten einer Zelebrierung der sich über die zwei vergangenen Jahrzehnte erstreckenden Beziehungen Chinas zur NIF/NCP gleich. Chinas Rolle hat erst in dieser Periode nennenswerte Konsequenzen für die sudanesische Innenpolitik und insbesondere für Khartums Außenpolitik gehabt. Das eigentliche Rätsel für die chinesische Regierung und die verschiedenen chinesischen Akteure im Sudan war jedoch die Macht habende Zentralregierung – die die Früchte chinesischer Investitionen geerntet und viel dazu beigetragen hat, China in die Außenverteidigung zu verwickeln – sowie Sudans politische Zukunft. Viele Bedenken Chinas hinsichtlich externer Interventionen beruhten auf der Sorge um die politische Stabilität des Staates. Wenn nicht auf Stabilität, so kann China auf eine ungewöhnlich lange Phase politischer Kontinuität unter Präsident Bashir zurückblicken, der seit beinahe zwei Jahrzehnten an der Macht ist. Beijing steckt jedoch in der Klemme: Chinas Unterstützung ist für einige Aspekte der Innenpolitik Khartums mitverantwortlich, doch vor allem hat die regelmäßige Konfrontation mit Krisen zu einer wachsenden politischen Verwicklung geführt, an der sich in absehbarer Zukunft nichts ändern wird.

Fußnoten
  1. Siehe Dan Large, “Arms, oil and Darfur: The evolution of relations between China and Sudan”, Small Arms Survey Issue Brief, No. 7, August 2007.
  2. Li Anshan, “China and Africa: Policy and Challenges”, China Security Vol. 3, No. 3 (2007), S. 77.
  3. Wang Suolao, “Non-interference and China’s African Policy: The Case of Sudan”, report on Symposium on Chinese-Sudanese Relations, 26. Juli 2007 (London: Centre for Foreign Policy Analysis, 2008), S. 16-17.
  4. “Sudan: Rebel says Chinese hostages moved to area government forces cannot reach”, Al-Sharq al-Awsat website, 25. Oktober 2008 (via BBC monitoring).
  5. “China Says ICC’s Measures Should Work for Sudan’s Stability”, Xinhua 8. Januar 2009.
  6. Der Bundesstaat, in dem Petrodar Investitionen tätigt.
* Daniel Large, Africa Asia Centre, Royal African Society at SOAS. Aus dem Englischen von Kathrin Möller. Von der Redaktion gekürzt.


Dieser Beitrag erschien in: INAMO (Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.), Heft Nr. 58/Sommer 2009, 15. Jahrg., S. 36-40

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