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Sudan: Chronik wichtiger Ereignisse

Dezember 2004

Mittwoch, 1. Dezember, bis Sonntag, 12. Dezember
  • Der Bundestag hat am 3. Dez. mit großer Mehrheit beschlossen, die Krisenregion Darfur im Sudan mit Hilfe der Bundeswehr logistisch zu unterstützen. 540 Abgeordnete stimmten für den Einsatz, es gab zehn Neinstimmen und drei Enthaltungen. Drei deutsche Transall-Flugzeuge sollen Truppen der Afrikanischen Union (AU) nach Darfur transportieren. Die Transportflugzeuge sind mit elektronischem Selbstschutz ausgestattet. Das Kabinett hatte den Einsatz vor anderthalb Wochen beschlossen. Die Obergrenze des Einsatzes liegt bei 200 Soldaten.
  • Der US-Kongress hat für Sanktionen gegen den Sudan gestimmt und Finanzhilfen in Höhe von 200 Millionen Dollar für die Opfer der Krise in der westsudanesischen Unruheregion Darfur in Aussicht gestellt. Die von den Republikanern Richard Lugar und Tom Tancredo am 7. Dez. eingebrachte Gesetzesvorlage sieht neben der humanitären Hilfe und den Maßnahmen gegen die Regierung in Khartum Unterstützung für eine Ausweitung der Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) in Darfur vor.
  • Der Weltsicherheitsrat ist "zutiefst besorgt über die zunehmende Gewalt und das daraus resultierende Elend" im Sudan. "Wir kommen einfach nicht voran", sagte der amerikanische UN- Botschafter John Danforth am 7. Dez. zur sudanesischen Krisenprovinz Darfur. Jede Strategie der internationalen Gemeinschaft sei bisher gescheitert. Der Weltsicherheitsrat hat der Regierung in Khartum zwar mehrmals mit Sanktionen gedroht, sich bisher aber noch nicht zur Verhängung von Strafmaßnahmen entschließen können.
  • Die Bundesregierung hat die Krise in der westsudanesischen Region Darfur als "eines der schlimmsten Beispiele für systematische und massive Verletzungen der Menschenrechte" bezeichnet. Trotz der internationalen Anstrengungen bleibe die dortige Menschenrechtslage "immer noch äußerst unbefriedigend", erklärte Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) am 10. Dez. in Berlin anlässlich des Tags der Menschenrechte.
    Aus der Erklärung des Bundesaußenministers Fischer:
    "Eines der schlimmsten Beispiel für systematische und massive Verletzung der Menschenrechte war in diesem Jahr die Krise in Darfur. Die Bundesregierung hat beim internationalen Engagement zur Bewältigung der Darfur-Krise eine Vorreiterrolle eingenommen, politisch und finanziell: Unsere Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat haben wir dazu genutzt, auf eine unverzügliche Beendigung der Menschenrechtsverletzungen und eine rückhaltlose Aufklärung der erfolgten Verbrechen zu dringen. Zur Linderung der Not der Vertriebenen hat die Bundesregierung bisher insgesamt über 50 Mio. Euro bereitgestellt.
    Trotz dieser Anstrengungen bleibt die Menschenrechtslage in Darfur immer noch äußerst unbefriedigend – unser fortgesetztes Engagement damit dringend notwendig.
    (Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes: www.auswaertiges-amt.de)
  • Der Bürgerrechtler, Unicef-Botschafter und Sänger Harry Belafonte hat UN-Sanktionen gegen den Sudan gefordert. Solange noch Länder wie China und andere mit dem afrikanischen Land Handel treiben, werde sich an der katastrophalen Lage in der Krisenregion Darfur nichts ändern, sagte Belafonte am 12. Dez. in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen seien an der gewaltfreien Lösung von Konflikten wie in dem afrikanischen Land offenbar nicht ernsthaft interessiert, sondern verfolgten nur ihre eigenen Interessen. "Es ist die mangelnde Bereitschaft von Ländern. Die haben nie die politische Ehrhaftigkeit, Seriosität, den moralischen Willen gezeigt zu tun, was sie tun müssen, weil sie dort ihre Eigeninteressen verfolgen im Handel, im Geld verdienen", sagte der Unicef-Botschafter und fügte hinzu: "Ich habe den Eindruck, das ist etwas ganz Fürchterliches und auch nicht ehrlich."
Montag, 13. Dezember, bis Sonntag, 19. Dezember
  • In der westsudanesischen Krisenregion Darfur sind zwei Mitarbeiter der britischen Hilfsorganisation Save the Children getötet worden. Die beiden Sudanesen seien bei einem Feuerüberfall auf ihren Konvoi im Süden Darfurs erschossen worden, teilte die UNO am 13. Dez. in Khartum mit. Danach ereignete sich der Überfall bereits am 12. Dez. auf der Straße zwischen den Ortschaften Merching und Duma. Zugleich teilte die Sprecherin des UN-Sondergesandten im Sudan mit, die Vereinten Nationen hätten ihre humanitäre Arbeit in Süd-Darfur bis auf weiteres ausgesetzt. Zunächst müsse die Lage nach dem tödlichen Überfall untersucht werden.
  • Die Bundeswehr wird in Kürze mit der Unterstützung der Friedensmission afrikanischer Staaten in der sudanesischen Krisenregion Darfur beginnen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte der Nachrichtenagentur AFP am 15. Dez. in Berlin, die Bundeswehr plane "in allernächster Zukunft" ein Kontingent von etwa 200 gambischen Soldaten mit entsprechender Ausrüstung von der gambischen Hauptstadt Banjul über den Tschad nach Darfur zu fliegen. Dies sei in Gesprächen mit der Afrikanischen Union (AU) vereinbart worden. Nach AFP-Informationen soll noch in dieser Woche mit den Vorbereitungen begonnen werden. Ab nächster Woche könnten dann die ersten gambischen Soldaten nach Darfur geflogen werden.
    Der Bundestag hatte Anfang Dezember grünes Licht für die Mission "AMIS" (African Union Mission in Sudan) gegeben. Das Parlament wollte eigentlich schon eine Woche früher über das Mandat entscheiden, hatte den Tagesordnungspunkt aber kurzfristig wieder abgesetzt. Hintergrund war eine Erklärung der sudanesischen Regierung gegen einen Einsatz der Bundeswehr. Mittlerweile wurde klargestellt, dass an eine Stationierung deutscher Soldaten in Darfur nicht gedacht ist und die Bundeswehr-Mission sich allein auf Transportleistungen für afrikanische Truppen beschränkt.
    Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am 15. Dez. in Berlin sagte, sollen 200 Soldaten sowie Fracht per Flugzeug in den Sudan verlegt werden. Die "Operation" beginnt am 16. Dez. und soll am 24. Dezember abgeschlossen werden. Wie die "Sächsische Zeitung" schreibt, hat Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) bereits eine entsprechende Weisung an das Einsatzführungskommando in Potsdam erteilt. Der Kasseler Friedensforscher Dr. Peter Strutynski weist laut Internetzeitung ngo-online auf das Interesse verschiedener Länder am Erdöl im Sudan hin. Außerdem sei ein deutsches Industriekonsortium an einem milliardenschweren Geschäft im Sudan interessiert, das nicht mit der Zentralregierung, sondern mit einer Rebellengruppe vereinbart worden sei. Daher mache es möglicherweise Sinn, mittels Darfur die Zentralregierung zu schwächen. (Siehe: "Bundeswehr startet Sudan-Einsatz ...".)
  • Vertreter von Rebellenorganisationen in Darfur haben der sudanesischen Regierung vorgeworfen, trotz anders lautender Versprechen ihre Offensive in der Region fortzusetzen. Er habe von seinen Kommandeuren vor Ort erfahren, dass die Angriffe weitergingen, sagte der Sprecher der Sudanesischen Befreiungsbewegung (SLM), Ibrahim Baha, laut AFP am 16. Dez. in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Noch am Morgen habe es 40 Kilometer westlich der Stadt El Fascher Angriffe gegeben. "Die Regierung setzt Kampfhubschrauber und Artillerie ein. Die Dschandschawid zünden Dörfer an", sagte Baha. Der Verhandlungsführer der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM), Mohammed Ahmed Tugod, sagte, die Rebellen würden unter diesen Bedingungen nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren.
  • Die sudanesische Armee hat trotz anders lautender Versprechen eine neue Offensive in der Krisenregion Darfur gestartet. Die Regierung in Khartum habe weitere Truppen in die Region im Westen des Landes gesandt, Angriffe gestartet und plane neue Militäraktionen, sagte der Befehlshaber der AU-Friedenstruppe, Festus Okonkwo, am 17. Dez. nach Gesprächen mit Verhandlungsteilnehmern der festgefahrenen Friedengespräche in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Die derzeitige Situation in Darfur gleiche einer "Zeitbombe, die jeden Moment explodieren könnte". Die Zahl von Waffen und Munition, die in die Region gebracht würden, sei "astronomisch".
  • Die internationalen Bemühungen um Frieden in der sudanesischen Krisenregion Darfur haben einen Rückschlag erlitten. Die Regierung in Khartum ließ eine Frist der Afrikanischen Unionverstreichen, die den Rückzug sudanesischer Truppen aus kürzlich besetzten Gebieten in Darfur bis zum 18. Dez. 18.00 Uhr (MEZ) verlangt hatte. Außenminister Mustafa Osman Ismail sagte dazu in Khartum, die Truppen würden erst abgezogen, wenn auch die Rebellen sich aus Gebieten zurückzögen, die sie nach dem Waffenstillstandsabkommen vom 8. April besetzt hätten. "Wie können sich die Truppen zurückziehen, die doch für Sicherheit und Stabilität in der Region sorgen?", fragte Ismail vor Journalisten in der sudanesischen Hauptstadt. (AFP)
  • Die sudanesische Regierung erklärte sich am 19. Dez. dazu bereit, die Militäraktionen "sofort" einzustellen, berichteten Diplomaten nach einem Krisentreffen mit Repräsentanten der Vereinten Nationen in Khartum.
Montag, 20. Dezember, bis Freitag, 31. Dezember
  • Die beiden Rebellenorganisationen in der westsudanesischen Konfliktregion Darfur haben die jüngste libysche Friedensinitiative bei den Verhandlungen unter Vermittlung der Afrikanischen Union (AU) abgelehnt. Im Namen der beiden Organisationen Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM) und Sudanesische Befreiungsbewegungsagte JEM-Sprecher Ahmed Tugod am 20. Dez., derzeit gebe es "keinen Bedarf für irgendeine neue Initiative". Die AU-Vermittler kündigten indes an, dass die Verhandlungsrunde in der nigerianischen Hauptstadt Abuja am 21. Dez. enden werde. Nach Angaben afrikanischer Diplomaten hatte der AU-Sondergesandte Ali Treki zuvor in getrennten Gesprächen mit Vertretern der sudanesischen Regierung und der Rebellenbewegungen versucht, die Friedensgespräche doch noch zu retten.
  • Die Beobachter der Afrikanischen Union haben ihre Arbeit im Süden der sudanesischen Krisenregion Darfur vorerst eingestellt. "Die Operationen sind bis zu einer neuen Anweisung ausgesetzt", sagte ein Angehöriger der Beobachtermission in der Nacht zum 21. Dez. Zunächst müsse die Untersuchung zu einem Angriff auf einen Hubschrauber der AU-Beobachter beendet werden. Die Maschine war am Sonntag auf einem Überwachungsflug beschossen worden. Es gab keine Verletzten.
  • Die britische Kinder-Hilfsorganisation Save the Children hat sich aus der westsudanesischen Konfliktregion Darfur zurückgezogen. "Wir können unsere Mitarbeiter nicht länger den unzumutbaren Risiken aussetzen", erklärte Save the Children am 21. Dez. In den vergangenen zwei Monaten seien vier Mitarbeiter in Darfur auf tragische Weise umgekommen. Die als Vermittlerin in dem Konflikt tätige Afrikanische Union (AU) hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, die Rebellenorganisation Sudanesische Befreiungsbewegung (SLM) habe zwei sudanesische Mitarbeiter des Hilfswerks getötet. Die beiden anderen, ein Brite und ein Sudanese, kamen am 10. Oktober ums Leben, als ihr Fahrzeug in Norddarfur auf eine Mine fuhr. Save the Children kümmerte sich seit 20 Jahren um die Versorgung von Kindern in Darfur.
  • Ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ist in der westsudanesischen Krisenregion Darfur getötet worden. Wie die Organisation am Mittwoch in Nairobi mitteilte, wurde der sudanesische Mitarbeiter bei einem Angriff von Regierungstruppen bereits am vergangenen 23. Dez. getötet. Er sei vor einem Lager der Hilfsorganisation in dem Ort Labado erschossen worden, als er nicht im Dienst gewesen sei.
  • Eine Woche nach Beginn ihres Sudan-Einsatzes zur Unterstützung der Afrikanischen Union (AU) in der sudanesischen Krisenregion Darfur sind 70 Bundeswehrsoldaten nach Deutschland zurückgekehrt. Insgesamt drei Militärflugzeuge brachten die Soldaten zu den Stützpunkten Penzing und Wunstorf, sowie nach Köln/Wahn, sagte der Kommmandeur der ersten Luftwaffendivision in Fürstenfeldbruck, Norbert Finster am 23. Dez. Die Mission habe "sehr gut geklappt". Auf insgesamt 22 Flügen seien 196 gambische Soldaten über den Tschad zur Verstärkung der AU-Friedenstruppe nach Darfur gebracht worden. Sollten weitere Staaten Hilfe brauchen, würde die Bundeswehr im Rahmen ihres Mandats erneut helfen, sagte er. Der Bundestag hatte am 3. Dezember den Einsatz von maximal 200 Bundeswehr-Soldaten beschlossen. Das Mandat gilt für sechs Monate.
  • UNICEF hat zur Hilfe für die rund 25 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen auf der Welt aufgerufen. Jeder zweite Flüchtling weltweit sei ein Kind oder Jugendlicher, schätzt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Allein in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur seien über 1,1 Millionen Jungen und Mädchen von Massenvertreibungen und Krieg betroffen. Die meisten harrten seit Monaten unter extrem harten Bedingungen in notdürftigen Lagern in der Wüste aus. (dpa, 24.12.04)
  • Großbritannien ist bereit, eigene Truppen in die sudanesische Krisenregion Darfur zu entsenden. Nach Informationen des "Indepenent on Sunday" (26. Dez.) hat Blair die Militärführung bereits angewiesen, den Einsatz von bis zu 3.000 britischen Soldaten in Darfur vorzubereiten. Der Einsatz solle im Rahmen der von der EU geplanten schnellen Eingreiftruppen erfolgen, berichtete die britische Wochenzeitung ohne Angaben von Quellen weiter.
  • Mehr als zwei Jahrzehnte nach Beginn des Bürgerkriegs im Südsudan haben sich die sudanesische Regierung und die größte Rebellengruppe auf ein Friedensabkommen geeinigt. Vertreter beider Seiten unterzeichneten am 31. Dez. in der kenianischen Stadt Naivasha zwei Protokolle, in denen die Modalitäten des Waffenstillstands und der künftigen Machtverteilung geregelt wurden. Diese Teilvereinbarungen sollte die letzten in einer Serie von Abkommen sein, die im Januar in einen endgültigen Friedensvertrag münden sollen. Zu der Zeremonie in Naivasha waren der sudanesische Präsident Omar el Baschir, der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki und der kenianische Vizepräsident Moody Awori angereist.


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