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Gewalt in Darfur trotz Friedensabkommens

UNO und Kirchen appellieren an die Kriegsparteien, USA fordern internationale Eingreiftruppe

Von Anton Holberg *

Das Friedensabkommen für Darfur vom Mai 2006 hat seine Wirkung bisher verfehlt: Die Gewalt in der sudanesischen Krisenprovinz nahm in den letzten drei Monate zu. Am Wochenende wurde der US-Journalist und zweifache Pulitzerpreisträger Paul Salopek, der für das Magazin »National Geographic« in der Region unterwegs war, der Spionage angeklagt.

An Appellen und Absichtserklärungen fehlt es nicht. »Wir glauben, dass wir jetzt etwas tun müssen. Die Beendigung des Genozids in Darfur ist weiter eine der höchsten Prioritäten der Bush-Regierung«, sagte Jendayi Frazer. Die Abteilungsleiterin im US-Außenministerium ist auf Sudan-Reise, um die Regierung in Khartum zu drängen, der Stationierung von UN-Soldaten zuzustimmen. Auch sudanesische Kirchen machten sich für eine Friedenstruppe in der Krisenregion stark.

Die Vereinten Nationen hatten zuvor in Genf mitgeteilt, dass sich innerhalb eines Jahres die Zahl gewaltsamer Zwischenfälle in der westsudanesischen Provinz verdoppelt habe. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte bereits letzten Mittwoch den Einsatz von Kindersoldaten und sexuelle Übergriffe in Sudan verurteilt. In einem in New York veröffentlichten Bericht an den Weltsicherheitsrat machte Annan die Regierungsarmee, Milizen und Rebellen in Darfur und in Südsudan dafür verantwortlich. Die Hoffnung, die sich breit gemacht hatte, nachdem die Regierung und die Sudanesische Befreiungsbewegung (SLM) unter Führung von Minni Minnawi im Mai ein Friedensabkommen unterzeichnet hatten, ist verflogen.

Als Reaktion auf die anhaltende Gewalt haben die üblichen Verdächtigen – die USA und die Ex-Kolonialmacht Großbritannien – am 18. August einen Entwurf für eine neue UN-Resolution eingebracht, die sich für die Entsendung einer Friedensstreitmacht von mindestens 17 000 Soldaten ausspricht. Russland und China stehen dem zumindest skeptisch gegenüber; Sudans Präsident Omar al-Baschir betonte, dass Sudan das erste Land aus der Subsahara gewesen sei, dass die Unabhängigkeit erkämpft habe und nun nicht vorhabe, als erstes afrikanisches Land wieder kolonialisiert zu werden. Andere Beobachter fragen, wo denn die notwendige Zahl der Soldaten in einer Zeit herkommen solle, da für UNO-Friedensoperationen ohnehin schon die Grenzen der Belastung erreicht seien.

Abgesehen davon, dass es auch in den herrschenden Kreisen der USA verschiedene Fraktionen gibt, gibt es Gründe, an der Ernsthaftigkeit des Projektes zu zweifeln. Das Abkommen vom 5. Mai war nicht zuletzt durch starken Druck aus Washington zustande gekommen. Dieser Druck war in erster Linie auf die Darfur-Rebellen gerichtet. Er hatte ausgereicht, die SLM von Minnawi dazu zu bewegen, ein Abkommen zu unterzeichnen, das weit hinter den bis dahin von den Rebellen erhobenen Mindestforderungen zurückfiel, darunter der Schaffung einer einheitlichen Darfur-Provinz mit autonomem Status, eines Zeitplans für die Entwaffnung und Auflösung der mit der Zentralregierung kooperierenden Janjawid-Milizen und der Festlegung der Zahl der in die sudanesische Armee zu integrierenden Rebellen. Der internationale Druck hatte nicht ausgereicht, die Fraktion der SLM unter Abdul Wahid al-Nour und die islamische Bewegung für Gleichheit und Gerechtigkeit (JEM) zur Unterzeichnung dieses Abkommens zu bewegen.

Seine Auswirkung bestand deshalb vor allem darin, dass die sich auf das Volk der Zaghawa stützende SLM hinfort mit den anderen, stärker unter den Fur verankerten Rebellengruppen um die Vorherrschaft in der Region kämpfte. Dabei finden nun auf allen Seiten die Methoden des Massenmords, der Vertreibung und Vergewaltigung Anwendung, mit denen zuvor die arabischen Reitermilizen der Janjawid Schrecken verbreitet haben.

Unterdessen macht bei allen Schwierigkeiten die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen Khartum und Südsudan auch Fortschritte. Khartum spielt zudem – vermittelt über die Regierung Südsudans – eine positive Rolle bei der Befriedigung Ugandas unter der von den USA geschätzten Regierung Musevenis. Nach fast zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg hat sich die am Wochenende mit den Rebellen der Lord's Resistance Army (LRA) auf eine Waffenruhe geeinigt. Damit sammelt Khartum Pluspunkte in Washington. Unter diesen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass das Wohl der Zivilbevölkerung in Darfur Bush mehr als eine papierene UNO-Resolution wert wäre, die al-Baschir vielleicht zu ein paar weiteren Zeichen des Entgegenkommens auf den wirklich interessierenden Gebieten ermuntern könnte: Erdöl und »Kampf gegen den Terrorismus«.

* Aus: Neues Deutschland, 28. August 2006


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