Auf in den Sudan!
Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten in diesem afrikanischen Land dient den Profitinteressen deutscher Großkonzerne
Von Tobias Pflüger und Jürgen Wagner
Am heutigen Freitag [22.04.2005] wird der Bundestag die Entsendung von bis zu 75
Soldaten in den Südsudan beschließen, von denen die ersten 50 bereits
Ende April ausrücken sollen. Sie sind Teil der UN-Mission im Sudan
(UNMIS). Diese basiert auf der UN-Sicherheitsratsresolution
1590 vom 24. März 2005 und hat ein sogenanntes robustes Mandat nach Kapitel VII
der UN-Charta und damit die Lizenz zur Anwendung militärischer Gewalt.
Mit dieser Entsendung soll die Einhaltung des am 9. Januar
unterzeichneten »Friedensabkommens« zwischen der sudanesischen
Regierung in Khartum, die den Norden repräsentiert, und der
südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) überwacht werden.
Der Konflikt wird geschürt
Zwar schloß Verteidigungsminister Peter Struck eine deutsche
Beteiligung an einer Erweiterung des UNO-Einsatzes auf Darfur nicht
aus, dies dürfte wohl aber nur dann eintreten, wenn sich dieser
Konflikt negativ auf die Profitinteressen deutscher Konzerne auswirken
sollte. Denn diese stellen den eigentlichen Grund für die
Stationierung der Bundeswehrsoldaten dar. Das »Friedensabkommen«, zu
dessen Unterzeichnung Khartum nur unter massiven westlichen Drohungen,
insbesondere von deutscher Seite, gezwungen werden konnte, wird
fälschlicherweise als Meilenstein für die Beendigung des nun bereits
21 Jahre andauernden Bürgerkriegs gefeiert. Leider ist aber das genaue
Gegenteil der Fall.
Einerseits wird festgelegt, daß die künftigen Einnahmen aus den
beträchtlichen Ölvorräten des Landes (geschätzte drei Milliarden
Barrel) hälftig geteilt werden. Andererseits wird der SPLM faktisch
die Regierungsgewalt im Süden übertragen. Sie kann auch Truppen in
beliebigem Umfang unterhalten. Im Abkommen wird für das Jahr 2011 ein
Referendum vorgesehen, in dem die Bevölkerung des Südens über die
Abspaltung vom Norden entscheiden wird. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit dürfte sich 2011 die überwiegende Mehrheit für eine
Teilung aussprechen. Das sudanesische Öl befindet sich überwiegend im
Süden, kann aber derzeit ausschließlich über den Norden auf den
Weltmarkt transportiert werden. Würde sich der Süden gegenwärtig zu
einer Sezession entschließen, stünde er ohne eine
Vermarktungsmöglichkeit seiner Ressourcen da. Aus diesem Grund
erteilte die SPLM der deutschen Firma Thormählen Schweißtechnik den
Auftrag zum Bau einer Eisenbahnstrecke nebst Ölpipeline, die den Süden
mit dem Indischen Ozean verbinden soll.*
»Die SPLM als zukünftige Regierung des Südsudan erteilt der Thormählen
Gruppe einen Auftrag zum Bau einer 4.100 km langen Eisenbahnstrecke,
die den Südsudan mit Kenia und Uganda verbindet«, heißt es auf der
Homepage der Firma. Aufschlußreich ist der Zeitplan, den Thormählen in
einer Presseerklärung bekanntgab: »Es ist geplant, daß zumindest diese
Teilstrecke von ca. 1 000 Kilometern bis zum Referendum, das in sechs
Jahren im Sudan stattfinden soll, in Betrieb gehen kann.« Damit wäre
der Abtransport des Öls zum Indischen Ozean genau zu dem Termin
sichergestellt, an dem davon ausgegangen wird, daß sich der Südsudan
vom Norden abspalten wird. Falls sich die Entwicklung in Richtung
Teilung aber konkretisieren sollte, ist mit einem erneuten Ausbrechen
des Bürgerkriegs zu rechnen.
Von einer deutschen Firma wird also offen aktive Sezessionshilfe
betrieben. Das Vorgehen Thormählens sowie weiterer Großunternehmen –
Siemens, Thyssen-Krupp und Strabag sind inzwischen mit eingestiegen –
erfreut sich umfangreicher staatlicher Schützenhilfe. Denn der Deal im
Gesamtwert von beachtlichen acht Milliarden Dollar wurde mit
tatkräftiger Unterstützung von Bundeskanzler Gerhard Schröder
eingefädelt. Finanziert werden soll das Projekt aus den Erdölerlösen
des Südens, womit sichergestellt ist, daß das Geld aus dem Verkauf der
natürlichen Ressourcen direkt in die Taschen deutscher Großkonzerne
wandert. Deutsche Soldaten haben dabei sicherzustellen, daß die
Umsetzung des Infrastrukturprojektes nicht behindert wird. Strucks
Hinweis, man richte sich auf eine Mandatszeit von »bis zu sechs
Jahren« ein, spricht Bände und paßt genau in den Zeitplan für die
geplante Abspaltung des Südens.
Fischers klare Ansage
Vor diesem Hintergrund liest sich der Antrag der Bundesregierung an
das Parlament wie eine Drohung: »Ohne internationale Unterstützung
besteht die Gefahr, daß die Regelungen des am 9. Januar 2005
geschlossenen Friedensvertrages zwischen Nord und Süd nicht
eingehalten werden und es zu einem erneuten Ausbruch von
Kampfhandlungen kommt.«
Der Spiegel beschrieb die deutschen Handelsinteressen im Kontext des
Sudan-Konflikts so: »Solche Geschäfte brauchen stabile politische
Rahmenbedingungen. Joschka Fischers klare Ansage, man könne Darfur
›nicht sich selbst überlassen‹, ist deshalb keine Phrase, sondern ein
Programm. Ausufernde Unruhen und eine Regierung, die ihren eigenen
Staat nicht im Griff hat, sind Gift für profitablen Handel.«
Gegenüber den acht Milliarden Dollar, die die Großkonzerne einfahren
werden, sind die Kosten für den Bundeswehreinsatz in Höhe von 1,3
Millionen Euro gering.
22. April 2005
Quelle: Homepage von IMI: www.imi-online.de
* Zu den Wirtschaftsabkommen vgl.
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