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Vom Paria zum global geachteten Akteur

Südafrika ist heute regionaler ordnungspolitischer Faktor und eine gewichtigen Stimme des Südens

Von Hans-Georg Schleicher *

Gastgeber Südafrika und mit ihm viele afrikanische Staaten sehen die Fußballweltmeisterschaft als gesamtafrikanisches Ereignis. Das entspricht Südafrikas Politik im regionalen und globalen Kontext.

In der Vergangenheit waren Apartheid, Destabilisierung und aggressives Streben nach Dominanz Markenzeichen südafrikanischer Außenpolitik. Daraus und aus der Unterstützung des südafrikanischen Befreiungskampfes in Afrika leitet die ANC-Regierung eine besondere Verantwortung für Südafrika ab, dem sie mit ihrer politischen und ökonomischen Integration in Afrika und in der Subregion Rechnung trägt. Das ist nicht immer einfach. Als Südafrika 1994 der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika beitrat, übertraf sein ökonomisches Potenzial das der anderen Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit.

Mit seinen Ressourcen, einer entwickelten Industrie und Infrastruktur, letztere allerdings investitionsbedürftig, ist das Land Afrikas größte Wirtschaftsmacht. Auch wenn selbstgestellte Ziele nicht erreicht wurden, hat sich die Wirtschaft stabilisiert. Nach der ersten Rezession seit 1992 gibt es inzwischen Anzeichen einer Erholung. Das Wachstum, von fünf auf ein Prozent gefallen, soll dieses Jahr wieder 2,3 Prozent erreichen. Die Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft trug zur wirtschaftlichen Belebung bei. Die Probleme sind jedoch gewaltig und erfordern langfristige Anstrengungen.

Südafrikas ökonomische Dominanz im Süden des Kontinents ist nicht unproblematisch. Die Politik akzeptiert Verantwortung für die Entwicklung der Region und lässt dabei Sensibilität angesichts der Vergangenheit erkennen. So werden Projekte wie länderübergreifende Entwicklungskorridore oder grenzüberschreitende Nationalparks gefördert. Dem wirkt oft eine ungehemmte Expansion südafrikanischer Unternehmen auf dem Kontinent entgegen, die dort bei allem Interesse an Investitionen auch Furcht hervorruft. Das Land ist einer der größten Investoren in Afrika. Doch die regionalpolitische Führungsrolle Südafrikas wird von den Nachbarstaaten ambivalent gesehen.

Südafrika, bis 1990 noch ein Paria, ist heute ein international geachteter Sprecher der Dritten Welt, auch global bei den Blockfreien und sogar Partner für die G 8. Das Land war Gastgeber internationaler Konferenzen – der Blockfreien: des Commonwealth, der Afrikanischen Union sowie der Gipfel gegen Rassismus und für nachhaltige Entwicklung. Auch die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft ist Ausdruck dieser neuen Rolle.

Südafrikas Außenpolitik unter Präsident Thabo Mbeki setzte negativen Auswirkungen der Globalisierung eine offensive regionale und die Süd-Süd-Kooperation entgegen. Das Land war Initiator konkreter Kooperationsinitiativen bei wirtschaftlicher Entwicklung, Regierungsführung und Konfliktlösungen. Mit der »Afrikanischen Renaissance« und der »Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung« wurden konzeptionelle Schwerpunkte gesetzt. Das Land hat Anteil daran, dass sich der politische und ökonomische Handlungsspielraum afrikanischer Staaten vergrößerte. Südafrika engagiert sich bei der Lösung afrikanischer Konflikte, zum Teil mit Friedenstruppen. Anderen Erwartungen des Nordens an seine ordnungspolitische Rolle kommt man nur bedingt entgegen, um die eigene Afrikapolitik nicht zu gefährden. Das Verhalten Südafrikas gegenüber Simbabwe zeigt Möglichkeiten und Grenzen dieser Politik.

Mbekis internationale Aktivitäten brachten ihm zu Hause den Vorwurf ein, sich nicht ausreichend um die Sorgen der eigenen Bevölkerung zu kümmern. Kritiker befürchteten damals eine Überdehnung der Außenpolitik. Der neue Präsident Jacob Zuma fokussiert stärker auf Probleme in Südafrika, ohne die Außenpolitik zu vernachlässigen. Neben Afrika stehen dabei im Union Building in der Hauptstadt Tshwane (Pretoria) globale Themen wie die Reform von UN, Weltbank und Währungsfonds sowie Abrüstung und Klimawandel auf der Tagesordnung ganz oben.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2010


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