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Chinesischer Weg

Südafrikas ANC bestätigt auf Parteitag Entwicklungsstrategie

Von Christian Selz, Kapstadt *

Am Ende fand sich für Kgalema Motlanthe doch noch ein Posten. Der bisherige Vizepräsident des African National Congress (ANC), der auf dem Wahlparteitag der südafrikanischen Regierungspartei seinen Chef Jacob Zuma herausgefordert und deutlich verloren hatte, wird künftig die neu zu gründende Parteihochschule leiten. Das gab Zuma zum Abschluß des fünftägigen Kongresses in der zentralen Provinzhauptstadt Mangaung (ehemals Bloemfontein) bekannt. Unweit der Stadt, in der sich der ANC 1912 gegründet hatte, soll die Kaderschmiede auf einer Farm entstehen. Die ANC-Führung verspricht sich davon für ihren politischen Nachwuchs eine bessere Bildung. »Relativ schwach« sei diese momentan, erklärte Generalsekretär Gwede Mantashe in einer kaum verhüllten Attacke auf die revoltierende Jugendliga des ANC.

Der frisch gewählte ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa seinerseits kündigte in einem Gastbeitrag für die Sunday Times an, die südafrikanische Regierung werde »in den nächsten fünf Jahren Hunderte Milliarden Rand für die Entwicklung von ökonomisch wichtiger Infrastruktur wie Schienen, Häfen und Straßen ausgeben«. Das Modell für diese Strategie, die Zuma bereits im vergangenen Januar ausgerufen hatte, ist offenbar China. Die Staatsinvestitionen in die Infrastruktur sollen Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Das nötige Budget dürfte das im Verhältnis zu seinem Bruttosozialprodukt relativ niedrig verschuldete Südafrika aus seinen Bodenschätzen bestreiten. Denn auch wenn die Parteikonferenz deutlich gegen die radikalen Verstaatlichungspläne der Jugendliga votierte, soll eine 50-Prozent-Sondersteuer die Staatskasse künftig kräftig an den Gewinnen der Bergbauriesen teilhaben lassen. Gleichzeitig will der ANC die Minenbeteiligungen des Staates in einem Nationalen Bergbaukonzern bündeln, der dann verstärkt in strategische Minerale wie Platin investieren soll. 80 Prozent der weltweiten Vorkommen des Edelmetalls lagern in Südafrika.

Während die internationalen Konzerne so Planungssicherheit bekommen, beansprucht Südafrikas Regierung künftig vehementer ihren Teil am Reichtum des Landes. Ramaphosa, der neue starke Mann im ANC, ist dabei wie geschaffen für das staatliche Wirtschaftsengagement. Dem einstigen Gründungsgeneralsekretär der Bergarbeitergewerkschaft NUM gehört McDonald’s Südafrika; weitere Beteiligungen reichen von Banken über Telefongesellschaften bis zum Bergbau. So geriet er im Herbst in die Kritik, als bekannt wurde, daß er als Vorstandsmitglied des Minenbetreibers Lonmin bei Regierung und Polizeiführung für ein hartes Durchgreifen gegen die streikenden Kumpel geworben hatte – einen Tag, bevor die Polizei dort 34 Menschen erschoß. Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt Ramaphosas Gesamtvermögen inzwischen auf umgerechnet 500 Millionen Euro.

In seinem Gastartikel gesteht Ramaphosa nun immerhin ein, daß »die soziale Schere« in Südafrika »eine der größten der Welt« sei, gibt aber auch keine konkreten Antworten, wie die »wachsende Ungleichheit« zu überwinden sei. Mit Mindesttageslöhnen von umgerechnet sechs Euro, wie von seiner ANC-Regierung abgesegnet, wird dies kaum gelingen, und so wirken weite Teile des ANC-Programms von Mangaung wie aufgewärmter Aktionismus. Der Gewerkschaftsbund COSATU kündigte bereits Proteste an und verlangt eine radikalere Transformation der Wirtschaft. Die Erfolgsaussichten sind allerdings gering.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. Dezember 2013


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