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Massaker in Südafrika

Mehr als 30 Tote bei Polizeiterror gegen streikende Minenarbeiter *

Die Proteste der Minenarbeiter in Südafrika haben eine neue Gewaltdimension erreicht: Polizisten gingen bei einer Konfrontation mit Waffen gegen Streikende vor und töteten mehr als 30 Menschen. Polizeiminister Nathi Mthethwa bestätigte am Freitag nach mehr als zwölfstündigem offiziellen Schweigen den Tod von mindestens 30 Arbeitern in einer Platinzeche des Lonmin-Konzerns 100 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Die Polizisten hatten am Vortag das Feuer auf etwa 3000 mit Macheten und Knüppeln bewaffnete Kumpel eröffnet, die sich weigerten auseinanderzugehen. Mthethwa verteidigte den Einsatz, der in seiner Härte an die Polizeibrutalität an das Apartheidregime der weißen Minderheit erinnert. Aus der Menge heraus sei auf die Beamten geschossen worden, die zurückgeschossen hätten.

Präsident Jacob Zuma zeigte sich in einer Stellungnahme »bestürzt und schockiert über diese sinnlose Gewalt«. Im demokratischen System Südafrikas gebe es genug Raum, jeden Konflikt »durch Dialog zu lösen ohne jegliche Verstöße gegen das Gesetz oder Gewalt«.

In einem Bericht des privaten Fernsehsenders e.tv waren Dutzende Schüsse aus automatischen Waffen zu hören, bis ein Beamter rief: »Feuer einstellen.« Auf den Aufnahmen waren mehrere blutüberströmte, regungslose Körper zu sehen. Zuvor hatte die Polizei die Streikenden aufgefordert, ihre Waffen – darunter Macheten und Knüppel – niederzulegen.

Als die Arbeiter die Aufforderung ignorierten, setzte die Polizei zunächst Wasserwerfer, Blendgranaten und Tränengas ein. Wenig später stürmte eine Gruppe auf die Polizisten zu, worauf die Beamten umgehend das Feuer eröffneten.

Laut einem Journalisten der südafrikanischen Nachrichtenagentur SAPA verließen einige der Streikenden nach der polizeilichen Aufforderung das Gelände. Andere hätten jedoch Kampflieder angestimmt und seien auf ein unweit der Mine gelegenes Township zumarschiert, sagte Reporter Molaole Mont¬sho, der den Vorfall beobachtete.

Seit dem 10. August streiken rund 3000 Arbeiter der Mine Marikana 70 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Die streikenden Arbeiter gehören einer neuen Gewerkschaft an, die gegen die Dominanz der mächtigen National Union of Mineworkers (NUM) opponiert, die eng mit dem regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) verbündet ist. Bereits vor dem tödlichen Einsatz am Donnerstag waren bei Kämpfen zwischen den verfeindeten Arbeiterorganisationen zehn Menschen, darunter zwei Polizisten, zu Tode gekommen. Der Vizepräsident des Minenbetreibers Lonmin, Barnard Mokwena, sprach nach dem Massaker vom Donnerstag lediglich von »einer Polizeioperation«. In einer vorangegangenen Stellungnahme hatte er den Minenarbeitern mit der Entlassung gedroht, sollten sie am Freitag, dem Tag nach dem Massaker, nicht zur Arbeit erscheinen. Lonmin ist der weltweit drittgrößte Platinproduzent.

* Aus: junge Welt, Samstag, 18. August 2012


Streik in Südafrika: Dutzende Tote

Bergleute bei Zusammenstößen mit der Polizei erschossen

Von Martin Ling **


Arbeitskämpfe mit Todesopfern sind in Südafrika des Öfteren zu verzeichnen. Doch die Ereignisse rund um eine Platinmine bei Rustemburg sind eine neue Dimension: Die Polizei schießt auf streikende Bergleute und tötet 34 von ihnen.

Business as usual kann es nicht geben. Das zumindest hat Südafrikas Präsident sofort erkannt. Jacob Zuma äußerte sich am Freitag schockiert über die Gewaltexzesse an der Platinmine Marikana im Nordwesten Südafrikas. Dort hatte die Polizei einen Arbeitskampf blutig niedergeschlagen. Zuma zog eine erste Konsequenz und brach einen Besuch in Mosambik ab.

Der Polizeiminister Nathi Mthethwa hatte zuvor in einem Rundfunkinterview mitgeteilt, dass bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und streikenden Arbeitern 34 Menschen getötet worden waren. Mindestens 78 Menschen wurden verletzt.

Der anglikanische Erzbischof von Kapstadt, Thabo Makgoba, sprach von einer schrecklichen Tragödie für die ganze Nation und rief Polizei, Arbeitgeber und Gewerkschaften zum Dialog auf.

Fraglos handelt es sich um einen der blutigsten Vorfälle in Südafrika seit dem Ende des rassistischen Apartheid-Regimes 1994. Mehrere Kommentatoren in südafrikanischen Zeitungen zogen gar einen Vergleich zum Massaker von Sharpeville 1960, bei dem im gleichnamigen Township 69 Demonstranten von der Polizei erschossen wurden.

Schon in den Tagen vor der Polizeiaktion war es zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen Bergleuten zweier rivalisierender Gewerkschaften gekommen, denen zehn Menschen zum Opfer fielen, darunter zwei Wächter und ein Polizist.

Seit einer Woche befinden sich rund 3000 Arbeiter des Minenkonzerns Lonmin im unangemeldeten Streik, was Lonmins Vizepräsidenten Barnard Mokwena dazu veranlasste, die Polizei zu rufen. Beim Streik geht es um höhere Löhne und die Rivalität der neuen Gewerkschaft AMCU mit der alten NUM, die dem Dachverband COSATU aus der regierenden Dreierallianz um den ANC angehört.

Am Donnerstag war die Situation eskaliert, als die Polizei versuchte, etwa 3000 mit Macheten und Prügeln bewaffnete Arbeiter zu vertreiben. Laut Augenzeugen feuerte die Polizei Dutzende Schüsse auf die Streikenden. Es blieb unklar, ob die Sicherheitskräfte zuvor angegriffen worden waren. Ein Polizeisprecher sagte, die Beamten hätten ein Recht auf Selbstverteidigung. Eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Das allein dürfte zur Beruhigung der Lage kaum reichen.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 18. August 2012


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