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Angriff auf COSATU

Südafrikas neoliberale Opposition fordert Lohnsubventionen für junge Arbeitslose und attackiert Gewerkschaft

Von Christian Selz, Johannesburg *

Die stärkste südafrikanische Oppositionspartei, die einst von Weißen dominierte Democratic Alliance (DA), hat eine neue politische Zielgruppe gefunden: arbeitslose, desillusionierte Jugendliche. Am vergangenen Dienstag bliesen die Neoliberalen zum Marsch auf das Hauptquartier des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes COSATU in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Die Forderung: Die Gewerkschaften sollen ihren Widerstand gegen Lohnsubventionen aufgeben, um bezuschußte Arbeitsplätze für Jugendliche zu schaffen. Die Provokation endete in Auseinandersetzungen zwischen DA-Anhängern und Gewerkschaftsvertretern. Während der COSATU die Regierung des African National Congress um Präsident Jacob Zuma erneut aufforderte, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, schlachtete die Opposition ihre erste nennenswerte Demonstration für Eigenwerbung aus.

Als »Wendepunkt« bezeichnete die DA-Vorsitzende Helen Zille das medienwirksame Manöver ihrer Partei. »Jeder Südafrikaner weiß nun, daß die DA für die Arbeitslosen aufsteht und daß der COSATU ihre Interessen bekämpft, sogar gewalttätig«, ließ sie am Donnerstag verlauten. 423000 Arbeitsplätze könne das Subventionsprogramm schaffen, rechnen DA-Politiker in allen wichtigen Zeitungen Südafrikas seit vergangener Woche vor. Das Interessante an dieser Zahl ist allerdings, daß sie nicht von der Opposition, sondern aus der Regierung selbst kommt. Die Jugendlohnsubventionen sind eine Idee aus der Ära des wirtschafts- und weltbanknahen Expräsidenten Thabo Mbeki, die auch in Teilen der aktuellen Regierung noch immer Anhänger findet. Finanzminister Pravin Gordhan hat die veranschlagten fünf Milliarden Rand (500 Millionen Euro) bereits im Budget berücksichtigt. Auch Präsident Zuma selbst gilt zumindest nicht als Gegner der Subventionen.

Die Opposition schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe, sie treibt den Keil zwischen COSATU und ANC, immerhin Bündnispartner in der Regierungsallianz, immer tiefer und schwingt sich selbst zum edlen Retter der Entrechteten auf. Sie hat damit immer mehr Erfolg. Das zeigen nicht nur die rund 2000 mehrheitlich jungen, schwarzen Demonstranten vom Dienstag, sondern auch die alarmierten Reaktionen aus den Gewerkschaften. Mit wenigen Ausnahmen zogen sie sich auf abgedroschene Verteidigungsrhetorik zurück. Als »Agenten des Imperialismus und Hauptsprecher des weißen Monopolkapitals, repräsentiert durch die faschistische und rassistische Democratic Alliance«, verunglimpfte eine gemeinsame Presseerklärung von etlichen Einzelgewerkschaften unter dem COSATU-Dach sowie der Jugendligen von ANC und Kommunistischer Partei Südafrikas (SACP) die Oppositionsdemonstranten. Die Gewerkschaft der Angestellten im öffentlichen Dienst, NEHAWU, beleidigte sie als »Lumpenproletariat«.

Größtenteils auf der Strecke blieb dabei die inhaltliche Auseinandersetzung. Der COSATU weist die Subventionen als Finanztransfer an Unternehmen zurück und befürchtet ein gespaltenes Lohnsystem sowie erhöhten Entlassungsdruck auf ältere Arbeiter. Die Einwände der DA-Führung, die Gelder sollten nur an Betriebe vergeben werden, die die Zahl ihrer Angestellten insgesamt vergrößern, sind angesichts der häufigen Rufe der Partei nach Abbau von Kündigungsschutz und Aussetzung von Lohnerhöhungen wenig glaubwürdig. Der COSATU findet aber in der liberalen Medienlandschaft auch aufgrund der reißerischen Schlagworte aus dem eigenen Lager kaum Gehör.

Mit Beleidigungen und platten Rassismusvorwürfen wird der Gewerkschaftsbund die perspektivlosen Jugendlichen allerdings nicht auf seiner Seite halten können. »Der Marsch ist signifikant, weil die DA für sich die Notwendigkeit erkannt hat, die Verzweiflung der am meisten Marginalisierten auszubeuten«, warnte der charismatische COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi daher. Niemand könne behaupten, daß »Tausende schwarze DA-Anhänger« nur die »weiße Madame« Helen Zille, Vorsitzende der DA, unterstützten. Ein Mensch mit einem leeren »Magen hat keine Ideologie, keine Logik und keine Rationalität – er ist verzweifelt«, so Vavi.

* Aus: junge Welt, Montag, 21. Mai 2012


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