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Helfer des Apartheidregimes?

Schadenersatzklage von Opfern u. a. gegen Daimler und Rheinmetall

Von Peter Nowak *

Fast zwei Jahrzehnte ist das Apartheidregime in Südafrika Vergangenheit. Über die engen Kontakte, die Wirtschaftsunternehmen zahlreicher Länder mit dem von der UNO geächteten Regime unterhielten, wird bis heute gern geschwiegen. Doch mehrere Konzerne könnten noch von der Geschichte eingeholt werden.

Kürzlich hat in New York ein Verfahren gegen die deutschen Unternehmen Daimler und Rheinmetall sowie die US-Firmen General Motors, Ford und IBM begonnen. Opfer des Apartheidregimes werfen den Konzernen vor, durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit dazu beigetragen zu haben, dass sich das international geächtete Regime an der Macht halten konnte. Dadurch seien sie an den Verbrechen gegen die Bevölkerung mitschuldig, argumentieren die Rechtsanwälte, die eine Sammelklage von mehreren tausend Apartheidgegnern eingereicht haben. Sollten sie Erfolg haben, müssen die Firmen mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe rechnen. Auch der Imageverlust wäre enorm: So wird Daimler vorgeworfen, dem Apartheidregime Hubschrauber und Flugzeuge geliefert zu haben, die auch bei der Bekämpfung von Protesten der Bevölkerung zum Einsatz gekommen sind.

Doch zunächst geht es vor dem Gericht um die Frage, ob die Klagen in den USA überhaupt zulässig sind. Die Kläger berufen sich auf das »Alien Tort Claims Act«. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1789 erklärt völkerrechtliche Verletzungen von Nichtamerikanern gegenüber Nichtamerikanern für gesetzeswidrig und gesteht ihnen das Recht zu, sich an Gerichte in den USA zu wenden, auch wenn der Verstoß im Ausland begangen wurde.

Die deutsche Bundesregierung hingegen will die Zuständigkeit eines US-Gerichts indes nicht anerkennen. Bisher haben mehrere Vorinstanzen in diesem Sinne entschieden und die Klagen deshalb als unbegründet zurückgewiesen. Doch jetzt stehen die Chancen für die Kläger besser. So hat nicht nur der südafrikanische Justizminister Jeff Radebe ein Verfahren in den USA ausdrücklich begrüßt. Auch die Obama-Regierung in Washington hat sich, anders als ihre Vorgänger, für die Anwendung des »Alien Tort Claims Act« in diesen Fällen ausgesprochen.

Mehrere Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland unterstützen die Klagen und hoffen auf eine positive Entscheidung des Gerichts. »Diese Unternehmen haben jahrelang profitable Geschäfte mit und im Apartheidsystem gemacht«, meint Dieter Simon von der Koordination Südliches Afrika. Nach Ansicht von Simone Knapp von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika sind sie daher »Helfershelfer eines kriminellen Systems« gewesen.

Die NGO sehen im Fall einer Entscheidung zugunsten der Kläger einen Präzedenzfall. Unternehmen würden sich künftig genauer überlegen, ob sie Regime wirtschaftlich unterstützen, die die eigene Bevölkerung unterdrücken, da eine Klage droht. Aktuelle Beispiele dafür gibt es genug. So werfen iranische Oppositionelle dem Telekomunternehmen Nokia Siemens Networks vor, eine Überwachungssoftware geliefert zu haben, mit der das Regime die Protestbewegung besser kontrollieren kann.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Januar 2010


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