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Stühlerücken zum Machterhalt

Südafrika: Weniger als ein Jahr vor den Wahlen hat Präsident Jacob Zuma erneut sein Kabinett umgebildet

Von Christian Selz *

Überraschend und im Schatten des weltweiten Bangens um Nelson Mandela hat Südafrikas Präsident Jacob Zuma in der vergangenen Woche sein Kabinett umgebaut. Drei Minister mußten ihre Posten räumen, zwei weitere tauschen die Ressorts. In der bisher gut vierjährigen Amtszeit Zumas ist das bereits das vierte Stühlerücken im Kabinett. Nur neun Monate vor Ablauf der Legislaturperiode im April nächsten Jahres dürfte der Präsident, der erst im vergangenen Dezember einen schweren parteiinternen Machtkampf um den Vorsitz im regierenden African National Congress (ANC) gewinnen konnte, damit vor allem seine Position festigen wollen.

Wie wenig öffentlichen Kredit die geschaßte Informationsministerin Dina Pule, ihr Kabinettskollege für kommunale und traditionelle Belange, Richard Baloyi, sowie Wohnungsbauminister Tokyo Sexwale noch hatten, zeigt sich in Südafrika derzeit am geringen Interesse an den Gründen ihrer Absetzung. Zuma äußerte sich dazu gar nicht und ließ nur eine Standardmitteilung verbreiten. »Wir danken den scheidenden Ministern für ihren Beitrag dazu, die Arbeit der Regierung voranzubringen und ein besseres Leben für alle zu schaffen«, heißt es darin. Dieses »bessere Leben für alle«, ein Slogan mit dem der ANC seit dem Ende der Apartheid 1994 in den Wahlkampf zieht, haben die drei Entlassenen allerdings kaum vorangebracht. Während Pule mit ihrem luxuriösen Stil die Rückseiten der Sonntagszeitungen füllte und nebenbei das Verschwinden von gut zwei Millionen Euro aus ihrem Budget zu verantworten hatte, ließ Baloyi reihenweise bankrotte Kommunen unsaubere Finanzberichte abliefern. Zuma weigerte sich allerdings, Gründe für die Kündigungen zu nennen. Dabei wäre die Frage nach den Kriterien durchaus interessant, denn einen sachlichen Hintergrund dürften sie nur bedingt haben. Anders ist kaum zu erklären, warum beispielsweise der für das Massaker an Bergarbeitern in Marikana verantwortliche Polizeiminister Nathi Mthethwa oder die wegen der katastrophalen Zustände an staatlichen Schulen permanent in der Kritik stehende Bildungsministerin Angie Motshekga noch im Amt sind.

Eine Antwort mag hier der Fall Sexwale liefern. Der in der Sowjetunion ausgebildete ehemalige Anti-Apartheid-Kämpfer, der für sein Engagement 13 Jahre lang auf der Gefängnis­insel Robben Island einsaß und im demokratischen Südafrika schnell zum wohlhabenden Geschäftsmann aufstieg, ist ein ausgesprochener Gegner Zumas. Bei den ANC-internen Präsidentschaftswahlen im vergangenen September unterstützte er die Kandidatur des Zuma-Herausforderers Kgalema Motlanthe. Obwohl sein politisches Aus für Südafrika keine Tragödie ist – auch Sexwale tat sich im Amt nicht durch sonderliches Engagement hervor, sein Budget zum Bau von Toiletten für die verarmte Landbevölkerung schöpfte er beispielsweise trotz massiver Rückstände nur zu neun Prozent aus – deutet es an, wie Zuma Widersacher ausschaltet. An den Neubesetzungen läßt sich zudem Ablesen, wer den Präsidenten im Wahlkampf stützen soll.

Die Ernennung der linken Gewerkschafterin Connie September zur Nachfolgerin Sexwales zielt auf Zumas Unterstützung im intern gespaltenen, südafrikanischen Gewerkschaftsbund COSATU ab. Der neue Kommunikationsminister Yunus Carrim und der an die Spitze des für die Kommunen zuständigen Ressorts gesetzte Lechesa Tsenoli sind beide anerkannte Fachleute auf ihren Gebieten – und Mitglieder der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), einer wichtigen Machtbasis für Zuma. Der Präsident sichert sich so doppelt ab. Mit der Ernennung kompetenter Minister nimmt er sich öffentlich aus der Schußlinie und bindet zudem seine Verbündeten in der Regierungsallianz mit COSATU und SACP fester an sich. Zuma scheint die sinkende Popularität seiner ANC-Regierung, die die zunehmenden Streiks und Sozialproteste im Land autoritär niederschlagen läßt, wahrgenommen zu haben. Ein zu starkes Festhalten an inkompetenten Ministern kann er sich trotz bisher überwältigender Mehrheiten für seine Partei nicht mehr leisten.

* Aus: junge Welt, Montag, 15. Juli 2013


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