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Freiheit und Menschlichkeit

Miriam Makeba, die "Stimme Afrikas", starb nach einem Konzert für Roberto Saviano

Von Victor Grossman *

Es gab eine Zeit, da war Südafrika »kein Thema«. Apartheid? Nein, das sei nicht schön, aber Südafrika hätte immerhin Wahlen, und sowieso gäbe es Wichtigeres. Die großen Demokratien der westlichen Welt lehnten es jahrelang ab, in der UNO und im Handel, auch im Waffenhandel, gegen die Herren von Gold und Diamanten in Johannesburg ablehnend aufzutreten. Und die Leute vom African National Congress? Alles Terroristen!

Zwei besonders klare Stimmen widersetzten sich solchen Ansichten. Nelson Mandela aber war eingesperrt. Dafür trug Miriam Makeba die Lieder des Leidens und des Widerstandes in alle Welt. Niemals gelang es den hohen Herren, sie völlig daran zu hindern.

Geboren wurde Zensi Miriam Makeba am 4. März 1932 nahe der Symbolstadt Johannesburg. Schon als sie achtzehn wurde, konnten ihre schwarzen Landsleute ihre Stimme bewundern. Als ihre weibliche Hauptrolle in dem afrikanischen Musical »King Kong« (schon eine Sensation an sich) sie weithin bekannt machte, wurde Makeba nach England eingeladen. Dort sang sie auch zwei Lieder in einem Dokumentarfilm, der über das Leiden der Minenarbeiter in ihrer Heimat berichtete. Als sie dafür beim Filmfestival in Venedig geehrt wurde, war eine Rückkehr in ihre Heimat unmöglich. Es folgten 31 Jahre im Exil.

Es war der Sänger Harry Belafonte, der sie dann in die USA einlud und ihr zu neuer Aufmerksamkeit verhalf. Zu jener Zeit erkannten immer mehr Afroamerikaner, dass auch sie eine alte Heimat hatten, und begannen, sich für deren Kultur, Kleidung, Geschichte und andauernde Suche nach Freiheit zu interessieren, die mit den eigenen Kämpfen doch verbunden waren. Makeba sprach aber auch viele fortschrittliche Weiße an, die entdeckt hatten, dass Gleichheit und Freiheit im eigenen Land noch längst keine Realität waren.

In die US-amerikanische Politik mischte sich Miriam Makeba prinzipiell nicht ein. Doch als sie einen der kämpferischsten schwarzen Führer, Stokely Carmichael, heiratete, der schon früh von »Black Power« sprach und »Black is beautiful« verbreitete, war das zu viel für etliche Konzertmanager und manch erschrockenen »Liberalen«. Nicht überall wurde eine Willkommensmatte für sie ausgebreitet. Ein Teilboykott machte ihr das Leben schwerer.

Schließlich nahm Miriam Makeba die Einladung des Präsidenten von Guinea, Sekou Touré, an, dort zu wohnen und mit einem Diplomatenpass frei reisen zu dürfen. Sie besuchte viele Länder Afrikas, auch Westeuropa und Kuba, und sang 1973 bei den Weltfestspielen der Jugend in Berlin, Hauptstadt der DDR. Diejenigen, die sie während des Besuchs in Berlin kennenlernten, stellten fest, dass sie trotz aller Berühmtheit eine freundliche, bescheidene Frau geblieben war, die wie jede Oma begeistert Bilder von ihrer Tochter und ihrer kleinen Enkelin zeigte.

Den Einsatz für Freiheit und Menschlichkeit vergaß sie nie, auch nicht als Sonderbotschafterin für die UNO oder beim Singen von Liedern wie »A luta continua« für ein unabhängiges und friedliches Mosambik.

1981 gab Miriam Makeba ein triumphales Comeback-Konzert in der New Yorker Carnegie Hall; am Kampf gegen die Apartheid waren inzwischen Millionen interessiert. Doch gab es für sie auch traurige Jahre – verursacht durch die Scheidung von Carmichael und vor allem durch den tragischen Verlust ihrer geliebten Tochter, die für sie Lieder geschrieben und mit ihr auch gesungen hatte.

Nach dem Tode Sekou Tourés 1984 brach eine neue Ära in Guinea an, und Makeba wanderte wieder aus. Größere Erfolge hatte sie erst wieder 1987, als sie sich an Paul Simons »Graceland Tournee« in Afrika beteiligte. Auf einer neuen Platte allerdings, »Sangoma« – was etwa »Heilerin« bedeutet –, ließ sie die Verbindungen mit Jazz, Soul und Pop fallen und erinnerte sich wieder der alten Liedtraditionen ihrer Heimat. Sie sang auch »Malaika«, das fast zur inoffiziellen Hymne ganz Afrikas wurde.

Bekannt wurde Miriam Makeba für Lieder wie »Pata, Pata«, einen echten Schlager, und für ihren »Click Song«, wo der eigenartige »Schnalzlaut« mancher südafrikanischer Sprachen zu hören – aber kaum nachzuahmen – ist, wie sie lachend vermerkte.

Erst 1990 war es Nelson Mandela, nun in Freiheit, möglich, sie zurück in die Heimat zu bitten. Sie zog auch zurück, doch blieb sie nicht still bei den immer noch so nötigen Kämpfen für die Armen, besonders die Frauen, die Kinder, die AIDS-Kranken. 1997 spielte sie in dem Film »Mama«, der sie als »Mama Afrika« in der Welt weiter bekannt machte. Am Sonntag (9. Nov.), als sie im italienischen Castel Volturno nahe Neapel auf der Bühne Solidarität mit dem Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano bekundete, erlitt sie einen Herzinfarkt, dem sie wenig später erlag. Die Welt hat eine wunderschöne, eine immer starke und eine stets gute Stimme verloren.

* Aus: Neues Deutschland, 11. November 2008


Soweto Blues

Als die Weltmusik noch politisch war: Miriam Makeba ist tot

Von Volker Schmidt **

»Mamma Africa« ist tot. Die Musikerin und Bürgerrechtlerin Miriam Makeba starb am Sonntag abend direkt nach einem Solidaritätskonzert für den von der Camorra bedrohten Schriftsteller Roberto Savianot im süditalienischen Castel Volturno. Sie wurde 76 Jahre alt.

Daß Miriam Makeba nicht in ihrer Heimat starb, paßt zu ihrer Vita, die sich zu einem großen Teil außerhalb Südafrikas abspielte. Ihre Weltkarriere begann, nachdem sie sich mit dem damaligen Apartheid-Regime angelegt hatte. Geboren in einem Township nahe Johannesburg hatte sie sich in den 50er Jahren mit den Bands Cuban Brothers und Manhattan Brothers, dann mit dem Frauen-Trio The Skylarks und seiner Mischung aus Jazz und traditioneller südafrikanischer Musik einige Bekanntheit erarbeitet. Dann spielte sie 1959 in dem Anti-Apartheid-Film »Come Back Africa« mit. Nachdem sie beim Filmfestival von Venedig den unter konspirativen Bedingungen in und um Johannesburg gedrehten Film vorgestellt hatte und zur Beerdigung ihrer Großmutter zurückreisen wollte, verweigerte ihr das Apartheid-Regime die Heimkehr.

Makeba ging nach London, traf Harry Belafonte. Er verhalf ihr zu Auftritten in den USA, wo sie ihre größten Hits aufnahm und veröffentlichte: »Pata Pata«, »The Click Song« (auf »Xhosa Qongqothwane«), »Malaisha«, »Soweto Blues«, »Mbube (The Lion Sleeps Tonight)«. 1966 bekam sie zusammen mit Belafonte den Grammy für das Album »An Evening With Belafonte/Makeba«. 1963 rief Makeba vor der Versammlung der Vereinten Nationen zum Boykott gegen Südafrika auf, von dem sie deshalb ausgebürgert wurde. Zehn Staaten verliehen ihr als Reak­tion darauf die Bürgerrechte ehrenhalber.

Auch in den USA eckte Makeba jedoch an, als sie 1968 den aus Trinidad stammenden Black-Panther-Führer Stokely Carmichael heiratete. Labels widerriefen ihre Plattenverträge, Tourneen wurden abgesagt. Das Paar zog nach Guinea, Makeba vertrat das westafrikanische Land bei den Vereinten Nationen. Auch nach ihrer Trennung von Carmichael spielte sie lieber und häufiger in Europa, Südamerika und Afrika als in den USA. Den legendären Boxkampf von Muhammad Ali und George Fore­man 1974 in Kinshasa im damaligen Zaire (der heutigen Demokratischen Republik Kongo), den »Rumble In The Jungle«, verwandelte sie mit vielen anderen schwarzen Künstlern wie B. B. King, James Brown und den Crusaders zu einer weltweit im Fernsehen übertragenen Sternstunde von Black Power.

Makeba war in den 80er Jahren unter anderem auch in Frankreich erfolgreich; sie lebte nach dem Tod ihrer Tochter, der Musikerin Bongi Makeba, zeitweise in Brüssel. 1987 ging sie mit Paul Simon auf dessen »Graceland«-Tournee. Nelson Mandela holte sie 1990 nach Südafrika zurück, wo sie immer wieder in Filmen über die Zeit der Apartheid mitwirkte. Auch ihre musikalische Karriere war alles andere als beendet: Makebas Album »Homeland« wurde im Jahr 2000 für einen Weltmusik-Grammy nominiert. 2004 erschien ihr letztes Album, »Reflections«. 2005 ging die Musikerin auf Abschiedstournee durch fast alle Länder, in denen sie in ihrer langen Karriere mit Programmen aus Jazz, Chanson, Weltmusik und Ethnofolk aufgetreten war. Dennoch trat sie immer mal wieder auf, in Deutschland zuletzt im Mai 2006 beim »Africa Festival« in Würzburg.

Die »Stimme Afrikas« hat sich für vieles eingesetzt: für die Rechte der Schwarzen in den USA und in Afrika, für den Frieden, für Völkerverständigung. Sie starb, als sie für einen Autor eintrat, der wegen seines Bestsellers »Gomorrha« von der Camorra mit dem Tod bedroht wird und an geheim gehaltenem Ort unter Polizeischutz lebt. Sie starb in einer Hochburg des organisierten Verbrechens. Miriam Makeba trat barfuß auf – doch sie starb in den Stiefeln.

** Aus: junge Welt, 11. November 2008


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