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Einigung in Marikana

Südafrika: Löhne der Streikenden werden um elf bis 22 Prozent erhöht. Bergleute stimmen Ende des Ausstands zu. Zuma beruhigt Investoren

Von Lukas Wolf, Kapstadt *

Rund sechs Wochen nach Beginn der südafrikanischen Minen-Proteste mit 45 Toten haben die streikenden Kumpel in Marikana mit der Betreibergesellschaft Lonmin eine Einigung erzielt. Die Löhne würden um elf bis 22 Prozent erhöht und eine Einmalzahlung von 2000 Rand (185 Euro) geleistet, sagte Bischof Joe Seoka, der zwischen beiden Seiten vermittelt hatte. Die Bergleute hätten im Gegenzug zugestimmt, am Donnerstag die Arbeit wieder aufzunehmen.

Unternehmenssprecher Abbey Kgotle erklärte, Lonmin sei glücklich, daß man die schwierigen Verhandlungen habe abschließen können. Er sagte, er widme den Vertrag den während des Streiks getöteten Arbeitern. Der Verhandlungsführer der Nationalunion der Bergarbeiter (NUM), Eric Gcilitshana, sagte, das Abkommen werde Lonmin stabilisieren und kündigte an, daß die Arbeiter ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Der Vorsitzende der konkurrierenden Assoziation der Berg- und Bauarbeiter (AMCU), ¬Joseph Mathunjwa, sagte, das Abkommen hätte auch früher und ohne den Verlust von Menschenleben erreicht werden können.

Der Arbeitskampf in der 70 Kilometer nordwestlich von Johannesburg gelegenen Mine Marikana hatte am 10. August begonnen. Der Konflikt erreichte am 16. August einen blutigen Höhepunkt, als in einem der schlimmsten Fälle von Polizeigewalt seit dem Ende der Apartheid 34 streikende Minenarbeiter von Sicherheitskräften getötet und 78 weitere verwundet worden waren. Insgesamt kamen 45 Menschen ums Leben.

Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma versuchte derweil in Brüssel, angebliche Zweifel ausländischer Investoren an der Wirtschaftlichkeit des Standorts Südafrika zu zerstreuen. In den vergangenen Wochen bemühten sich viele südafrikanische Wirtschaftsvertreter, den Streik zu diskreditieren, indem sie davor warnten, die Rentabilität von Platin-Minen durch Lohnerhöhungen zu gefährden. Viele behaupteten, daß Arbeiter entlassen werden und Minen schließen müßten, sollten die Forderungen der Arbeiter erfüllt werden. Andere Minenbetreiber fürchten von den Ergebnissen in Marikana nun eine Symbolwirkung für die Beschäftigten in ihren Betrieben. Diese Sorge dürfte berechtigt sein: In den vergangenen Wochen sind Arbeiter umliegender Gold- und Platinminen in den Streik getreten.

Die Auseinandersetzungen in Marikana haben Zuma, den ANC und den ihm nahestehenden Gewerkschaftsdachverband COSATU in starken Rechtfertigungsdruck gebracht. Die noch größte Gewerkschaft NUM verzeichnet seit dem Streik massenweise Übertritte zur kämpferischen Gewerkschaft AMCU. Einen derartigen Gewaltausbruch hatten die meisten Südafrikaner einer Regierung nach dem Ende der Apartheid nicht zugetraut. Doch scheint der ANC wenig an dieser Politik ändern zu wollen. Trotz der weltweiten negativen Schlagzeilen gehen Polizisten weiterhin brutal gegen Streikende vor. So berichtet die Nachrichtenagentur AP, daß am Mittwoch eine Versammlung streikender Minenarbeiter in der Nähe von Rustenburg durch den Einsatz von Tränengasgranaten und Gummigeschossen aufgelöst wurde. (mit dapd)

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 20. September 2012


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