Ende der Ära Mbeki
ANC zwingt Südafrikas Präsident zum Rücktritt
Von Hans-Georg Schleicher *
In Südafrika begann der Sonntag (21. September) mit einer neuen politischen Realität. Bereits am Vortag hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, gestern bestimmte sie die Schlagzeilen der Sonntagszeitungen: Staatspräsident Thabo Mbeki war vom Exekutivkomitee der eigenen Parte zum
Rücktritt aufgefordert worden.
Der Machtkampf im Afrikanischen Nationalkongress (ANC), der sich seit einem Jahr zugespitzt
hatte, entschied sich eigentlich schon auf dem Parteitag in Polokwane Ende 2007, als Jacob Zuma
zum neuen ANC-Präsidenten gewählt wurde. Thabo Mbeki blieb nur noch ein Staatspräsident auf
Zeit – maximal bis zu den Wahlen 2009. Die neue ANC-Führung unter Zuma baute ihre Positionen
aus und legte die Grundlinien der Regierungspolitik fest. Doch Mbeki hielt an seiner konstitutionellen
Rolle als Staats- und Regierungschef fest und ließ zunächst nicht die Absicht erkennen, vorzeitig
zurückzutreten.
Das änderte sich nach der Entscheidung des ANC-Exekutivkomitees am Samstag, die nach
zehnstündiger Debatte im Konsens zustande kam. Ausgangspunkt war ein Gerichtsbeschluss vor
wenigen Tagen, als ein Korruptionsverfahren gegen Zuma mit der Begründung niedergeschlagen
wurde, auf hoher Ebene sei Einfluss auf das Verfahren genommen worden. ANC-Generalsekretär
Gwede Mantashe sprach von einer möglichen Verwicklung Mbekis in eine Verschwörung gegen
Zuma. Mbeki hat den Vorwurf zurückgewiesen und wollte gegen die Gerichtsentscheidung
vorgehen. Doch dann informierten am Samstagabend ANC-Vizepräsident Kgalema Motlanthe und
Generalsekretär Mantashe Mbeki über den Beschluss des Exekutivkomitees. Mbeki reagierte
gelassen, akzeptierte die Entscheidung und sagte Kooperation für das konstitutionelle Prozedere zu.
Ihm blieb auch kaum eine Wahl. Er kennt wie kein anderer die Tradition kollektiver Führung, die ihn
selbst dereinst zum Nachfolger Mandelas machte. Kontinuität und Stabilität im ANC sind in dieser
Situation wichtig, das gilt auch für eine schnelle Lösung der Führungsfrage. Heute beginnt eine
dreitägige Parlamentstagung, auf der der Modus für den Wechsel im Präsidentenamt festgelegt wird.
Der ANC verfügt im Parlament über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach einem Rücktritt Mbekis kann
das Parlament einen neuen Präsidenten innerhalb von 30 Tagen ernennen. Eine
Übergangsregierung kann durch den Vizepräsidenten, den Parlamentspräsidenten oder einen
Kabinettsminister geleitet werden. Vizepräsidentin Phumzile Mlambo-Ngcuka kündigte jedoch ihren
Rücktritt an. Dagegen will Finanzminister Trevor Manuel im Amt bleiben, ein wichtiges Signal für
Kontinuität an die Wirtschaft und ausländische Investoren. Der ANC forderte derweil alle Minister zur
Fortsetzung ihrer Arbeit auf.
Der künftige Präsident Südafrikas wird auch international vor große Herausforderungen gestellt,
nicht zuletzt aufgrund des wesentlich von Mbeki geschaffenen internationalen Images des Landes.
Südafrika hat zudem den Vorsitz in der Regionalgemeinschaft SADC. Mbeki wurde gebeten, die
Vermittlung in Simbabwe fortsetzen, wo er erst unlängst den Durchbruch zu einer
Kompromisslösung erzielte. Dennoch ist seit diesem Wochenende die Ära Mbeki beendet. Er selbst
hat bereits seine Reise zur UN-Generaldebatte nach New York abgesagt.
Die Wahl Jacob Zumas zum künftigen Präsidenten Südafrikas scheint sicher, insbesondere nach der
Niederschlagung der Korruptionsanklage gegen ihn. Im ANC verfügt er über eine Mehrheit. Zuma ist
nicht unumstritten, er polarisiert. Im Unterschied zu Mbeki gibt er sich volksnah, charismatisch und
populistisch, ist aber auch pragmatisch und konsensfähig im breiten politischen Spektrum. Er wird
oft als Vertreter des linken Flügels bezeichnet, hat aber der Wirtschaft ein Festhalten am bisherigen
Kurs signalisiert. Auch auf Überseereisen, u.a. beim Wirtschaftsgipfel in Davos, in der EU und in
Deutschland, bemühte er sich, Besorgnisse über einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel in der
Zukunft zu zerstreuen.
Der bisherige Präsident Thabo Mbeki hat den ANC zur Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament geführt.
Der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung und internationalen Anerkennung Südafrikas stehen
jedoch ungelöste soziale Probleme gegenüber, die Gegensätze zwischen arm und reich
verschärften sich. Kritisiert wurden sein autoritärer Führungsstil, die neoliberale Wirtschafts- und
seine Aidspolitik. Mbekis Platz in der Geschichte Südafrikas bedarf sicherlich einer differenzierten
Bewertung.
* Aus: Neues Deutschland, 22. September 2008
Südafrika vor Wechsel an Staatsspitze
ANC veranlaßt nach Gerichtsvorwürfen politischer Einflußnahme Rücktritt von Präsident Mbeki **
Südafrika steht nach neun Jahren vor einem Wechsel an der Staatsspitze: Die Regierungspartei ANC forderte Präsident Thabo Mbeki am Samstag zum Rücktritt auf, in den der 66jährige nach Angaben seines Sprechers einwilligt. Mbeki steht im Verdacht, hinter einem Korruptionsverfahren gegen seinen Rivalen Jacob Zuma zu stecken, der ihn im Dezember als ANC-Vorsitzenden abgelöst hatte und die Partei als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führen soll. Am Sonntag abend wollte sich Mbeki in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wenden. Wahrscheinlich ist, daß bis zu den Parlamentswahlen im April 2009 ein Übergangspräsident die Regierungsgeschäfte leitet.
»Der ANC hat entschieden, den Präsidenten der Republik vor dem Ende seines Mandats abzuberufen«, sagte Generalsekretär Gwede Mantashe nach einem Treffen des Vorstands. Dies sei im Interesse der Einheit der Partei. Mbekis Sprecher Mukoni Ratshitanga erklärte, der Präsident nehme die Entscheidung an. Einen Zeitpunkt für den Rücktritt Mbekis nannte er jedoch nicht. In Südafrika wird der Präsident vom Parlament bestimmt, das seit dem Ende der Apartheid 1994 vom ANC dominiert wird. Da Parteichef Zuma noch kein Abgeordnetenmandat hat, kommt er als direkter Nachfolger Mbekis nicht in Frage.
Ein Gericht hatte vor gut einer Woche politische Einflußnahme durch die Regierung Mbeki in einem Korruptionsverfahren gegen Parteichef Zuma angeprangert. Zuma hatte Mbeki im Dezember 2007 in einer Kampfabstimmung auf einem Parteitag von der ANC-Spitze verdrängt. Nur zehn Tage später nahm die Justiz ein bereits eingestelltes Korruptionsverfahren gegen Zuma wieder auf.
Das Gericht in Pietermaritzburg erklärte die Strafverfolgung Zumas auf Grund von Verfahrensfehlern für »null und nichtig«, machte jedoch deutlich, daß diese Entscheidung nichts über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten aussage. Zuma waren Korruption, Geldwäsche, Erpressung und Betrug zur Last gelegt worden. (AFP/jW)
* Aus: junge Welt, 22. September 2008
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