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Elend und Edelmetall

Anglo American Platinum will in Südafrika 6000 Bergleute entlassen

Von Christian Selz, Kapstadt *

Der weltgrößte Platinförderer Anglo American Platinum im südafrikanischen Rustenburg will 6000 Bergleute entlassen. Das hat der Konzern heute vor einer Woche als »positive Nachricht« verbreitet, weil die ursprünglichen Pläne vorsahen, 14000 Arbeitsplätze in den Minen zu streichen. Bis 2015 will der an der Londoner Börse notierte Konzern so zu jährlichen Überschüssen von 3,8 Milliarden südafrikanischen Rand (330 Millionen Euro) zurückkehren. 2012 hatte das Unternehmen nach einem harten Konfrontationskurs und einem achtwöchigen Streik erstmals seit Jahren rote Zahlen geschrieben. Die Finanzmärkte straften jetzt die revidierten Entlassungspläne dennoch mit Kursverlusten ab. Südafrikas Bergbaugewerkschaften kündigen nun Streiks an. Dabei geht es auch um das Überleben der National Union of Mineworkers (NUM), eines engen Allianzpartners des regierenden African National Congress (ANC).

Die NUM war im vergangenen Jahr aktiv gegen sogenannte wilde Streiks in Südafrikas Bergbausektor vorgegangen. Die Folge waren – neben dem Massaker von Marikana, bei dem im August 2012 Polizisten 34 Bergleute erschossen – Massenaustritte und der Aufstieg der jungen, progressiveren Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) zur Interessenvertreterin der Beschäftigten in den wichtigsten Platinminen des Landes. In Südafrika lagern rund 80 Prozent der globalen Platinreserven, doch trotz der strategischen Bedeutung des Edelmetalls hatte sich die Regierung in den vergangenen Jahren stets eindeutig gegen Verstaatlichungsforderungen gestellt. Vorreiterin dabei war Bergbauministerin Susan Shabangu, die sich nun über die Unmenschlichkeit des Konzerns empörte. »Das Unternehmen glaubt, es sei ethisch akzeptabel, das Land um Wirtschaftswachstum sowie Arbeiter um ihre Lebensgrundlage zu bringen«, so die ANC-Politikerin.

Shabangus Ärger ist so kalkuliert wie verständlich. Die Stärke ihrer Regierung baut auf einem Bündnis mit dem südafrikanischen Gewerkschaftsbund COSATU auf, das bis in die Zeiten des Antiapartheidkampfes zurückreicht. Mächtigste Einzelorganisation war – bis zum vergangenen Jahr – die NUM. Deren Niedergang muß dem ANC wie ein bedrohliches Szenario der eigenen Zukunft vorkommen. Die Kumpel in Rustenburg haben wiederholt die engen Verbindungen von NUM-Funktionären, ANC-Politikern und Bergbaukonzernen beklagt. So war beispielsweise Cyril Ramaphosa, einstiger Gründungsgeneralsekretär der NUM, bis Dezember vergangenen Jahres Aufsichtsratsmitglied und Anteilseigner bei Lonmin, dem Konzern, dessen Arbeiter die Polizei mit halbautomatischen Gewehren in Marikana niedergeschossen hatte. Inzwischen ist Ramaphosa Vizepräsident des ANC.

Mittlerweile droht der Kampf um die Vormachtstellung in den Minen zu eskalieren. Am Samstag erschossen vier Männer den regionalen Koordinator der Gewerkschaft AMCU in einer Bergarbeiterkneipe bei Rustenburg.

Die Führung der vorerst entmachteten NUM hat angekündigt, im Falle von tatsächlichen Entlassungen das Unternehmen über Monate zum Stillstand zu bringen. Die AMCU kündigt ebenfalls Streiks an und fordert zudem nach wie vor die Verstaatlichung der Minen – ein Ruf, der wenn auch nicht innerhalb der NUM, so doch aber im Dachverband COSATU ebenfalls immer lauter wird.

* Aus: junge Welt, Freitag, 17. Mai 2013


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