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Mörder im Dienst

Südafrika: Acht Polizisten erschlagen einen Taxifahrer

Von Christian Selz, Kapstadt *

Polizeibeamte haben am Dienstag im südafrikanischen Daveyton, einem Township im Osten von Johannesburg, den moçambikanischen Taxifahrer Mido Macia überwältigt und an ihrem Einsatzwagen festgebunden. Anschließend schleiften die Beamten den 27jährigen Familienvater rund 400 Meter hinter dem fahrenden Van über den Asphalt. Nach Aussagen anderer Insassen schlugen sie den Schwerverletzten später in der Zelle zusammen. Macia starb auf dem Zellenboden liegend an inneren Blutungen und Kopfverletzungen. Sein Vergehen: Er hatte mit seinem Minibus »den Verkehr aufgehalten« und es anschließend gewagt, mit den Polizisten zu diskutieren. Die acht beteiligten Beamten stehen seit gestern wegen Mordes vor Gericht.

Macias Fall ist einer von Tausenden Gewalttaten, die südafrikanischen Polizeibeamten jährlich vorgeworfen werden. 932 Todesfälle in Polizeigewahrsam weist die Statistik der Unabhängigen Polizei-Ermittlungsbehörde (IPID) allein für das Finanzjahr 2011/2012 aus, den letzten erfaßten Zeitraum. Die Todesopfer, die wie die 34 streikenden Minenarbeiter von Marikana im August vergangenen Jahres bereits im Einsatz erschossen wurden, sind dabei nicht einmal mitgezählt. Fast 5000 Beschwerden gegen Polizeibeamte im Dienst nahm die IPID im gleichen Zeitraum entgegen, 720 standen im Zusammenhang mit Todesfällen, 2320 waren wegen Straftaten eingereicht worden, in 88 Fällen ging es um häusliche Gewalt. Auch Mido Macia wäre wohl kaum mehr als eine weitere Nummer, eine schlampig und widerwillig ermittelte, vertuschte und schließlich vergessene Akte geworden, hätte nicht ein Passant die brutalen Szenen mit seinem Handy gefilmt. Fernsehsender strahlten die verwackelten Bilder aus, die auch bei Youtube schnell verbreitet wurden.

»Erschreckend, verstörend und unakzeptabel«, nannte Südafrikas Präsident Jacob Zuma den Film. Patrick Craven, Sprecher des Gewerkschaftsbundes COSATU, fand das Vorgehen der Beamten »empörend«, und auch die Polizeichefin Riah Phiyega bedauerte und verurteilte schließlich über die Regierungspressestelle den Todesfall. Am Freitag, drei Tage nach dem Mord, ließ sie die Täter schließlich entwaffnen und suspendieren. Südafrikas Polizeiminister Nathi Mthethwa, federführend an der Änderung des Polizeigesetzes beteiligt, das südafrikanischen Polizisten seit September vergangenen Jahres ausdrücklich den Einsatz tödlicher Gewalt zur Durchsetzung von Verhaftungen erlaubt, war derweil nicht erreichbar. Er genießt seine Flitterwochen. Südafrika leidet unterdessen unter einer kaum noch kontrollierbaren Polizei, deren mörderische Berufseinstellung – auch zur Niederschlagung von Sozialprotesten und Streiks, wie zuletzt beim Aufstand der Weinarbeiter nahe Kapstadt im Januar – politisch gewollt und gefördert war.

»Ihr müßt die Bastarde töten, wenn sie euch oder die Gemeinschaften bedrohen. Macht euch keine Sorgen um die Regularien. Ich will keine Warnschüsse, ihr habt einen Schuß und das muß ein tödlicher Schuß sein«, hatte die damalige Vize-Polizeiministerin und heutige Bergbauministerin Susan Shabangu ihrer Truppe bereits 2008 mit auf den Weg gegeben. Der vor knapp einem Jahr – wegen Korrup­tionsvorwürfen – gefeuerte Polizeichef Bheki Cele prägte das nicht nur in Polizeikreisen geflügelte Wort vom »Shoot to kill«, dem »Schießen, um zu töten«, und seine Nachfolgerin Phiyega gratulierte schließlich gar den schießwütigen Einheiten nach dem Massaker von Marikana zu »einem guten Job«. Die Leichen der 34 Kumpel waren da noch nicht einmal beerdigt worden.

Die Bilder von Daveyton erschweren es Südafrikas obersten Polizeiführern nun allerdings, wie gewohnt zum Tagesgeschäft überzugehen. Der Mord an Mido Macia löste eine in ihrem Ausmaß ungekannte Debatte über Polizeigewalt aus, die am Montag erstmals in ANC-internen Rücktrittsforderungen gegen Phiyega und Mthethwa gipfelte. Absender war Ronnie Kasrils, ein hochangesehener ehemaliger Freiheitskämpfer und Ex-Sicherheitsminister unter Zumas Vorgänger Thabo Mbeki. »In jeder zivilisierten, demokratischen Gesellschaft würde man entweder den Rücktritt, die Suspendierung oder die Kündigung des Polizeichefs durch das Staatsoberhaupt sehen«, so Kasrils. Südafrikas Regierung muß nun zeigen, wo sie das Land hinführen will.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 05. März 2013


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