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Reichtum horten

Südafrikas Linke diskutiert Verstaatlichungsszenarien – doch die Regierung wiegelt ab

Von Christian Selz, Port Elizabeth *

Südafrika ist der weltgrößte Produzent von Chrom, Platin, Vanadium und Mangan. Doch die Gewinne aus den Minen schöpfen hauptsächlich die multinationalen Konzerne ab, die die langjährigen Förderlizenzen besitzen. Der Jugendverband des regierenden African National Congress (ANCYL) will die Minen daher verstaatlichen. Der Vorsitzende der ANC Jugendliga, Julius Malema, beruft sich dabei auf die Freiheits-Charta von 1955, das zentrale Dokument der Regierungsallianz. Dort heißt es: »Der Rohstoffreichtum, die Banken und die Monopolindustrie sollen in den Besitz des Volkes überführt werden. Alle weiteren Industrien und der Handel sollen kontrolliert werden, um dem Wohlergehen der Menschen zu dienen.«

Zerstritten

Ausgerechnet Jeremy Cronin, Vizegeneralsekretär der Südafrikanischen Kommunistischen Partei, stellte die Forderungen scharf in Frage. Eine »Verstaatlichung der Bergbauunternehmen in der gegenwärtigen globalen und nationalen Rezession könnte die unbeabsichtigte Konsequenz haben, dem verschuldeten Privatkapital aus der Klemme zu helfen, insbesondere Bergbau-Beteiligungen von Black Economic Empowerment (BEE)«, warnte Cronin und bezog sich vorwiegend auf die immer weniger effiziente Goldförderung Südafrikas. Einige Minen sind bereits bis zu 4000 Meter tief, die Goldproduktion im Land sinkt trotz steigender Weltmarktpreise.

Malema konterte diesen Angriff auf die BEE-Unternehmer, indem er Cronin einen »weißen Messias« nannte, der sein »offen reaktionäres Gedankengut in quasi-marxistische Rhetorik hüllt«. Pikant daran ist, daß Malema selbst zu der kleinen Elite in der Mbeki-Ära emporgekommener dunkelhäutiger Profiteure gehört. Erst vor kurzem wurde bekannt, daß sich Malema über Unternehmen, an denen er beteiligt ist, staatliche Aufträge im Wert von umgerechnet 13 Millionen Euro gesichert hat. Der ANCYL-Chef bestritt zwar jede Beteiligung und behauptete, seinen Luxus-Lebensstil lediglich über sein bescheidendes Vorsitzenden-Gehalt und Zuwendungen von politischen Freunden zu finanzieren, doch eine Recherche der Sunday Times brachte ihn vor gut zwei Wochen auch noch mit einem 25-Millionen-Euro-Bergbau-Geschäft in Verbindung. Südafrikanische Medien spekulieren seitdem offen darüber, ob Malema die Verstaatlichungsdebatte nur als Ablenkungsmanöver in die Öffentlichkeit gebracht hat.

Malema habe »der Sache nicht immer geholfen«, kritisiert auch Cronin. Die wirtschaftsliberalen Medien hätten das Thema wegen der wenig fundierten Forderungen »ins Lächerliche ziehen können, um den Gedanken der Verstaatlichung ein für allemal zu verbannen«.

Unterdessen hat der Gewerkschaftsdachverband COSATU die Forderungen des ANC-Jugendverbands unterstützt. COSATU-Sprecher Patrick Craven hält die Verstaatlichung der Minen »im Licht der globalen Finanzkrise und den massiven Arbeitsplatzverlusten im Bergbau (für) besonders relevant«. Die für den öffentlichen Dienst zuständige Gewerkschaft NEHAWU, ein Mitglied von COSATU, geht sogar noch weiter und fordert die Verstaatlichung der Nationalbank. Deren Hochzinspolitik und die damit verbundene exportfeindliche, hohe Wertigkeit des südafrikanischen Rand stehen seid langem in der Kritik der Gewerkschaften, die mehr staatlichen Einfluß fordern, um die Wirtschaft beschäftigungsfreundlicher steuern zu können. In dieser Forderung wird die Gewerkschaft wiederum von der SACP unterstützt, die zudem den Stahl-Giganten ArcelorMittal und den Öl-Riesen SASOL in Staatsbesitz zurückführen möchte.

Keine Unterstützung

Wirklich aussichtsreich scheinen allerdings sämtliche Vorstöße derzeit nicht, denn auf Regierungsebene findet sich keine Unterstützung. Handels- und Industrieminister Rob Davies ließ Anfang März am Rande eines britisch-südafrikanischem Wirtschaftsforums in London wissen, daß Verstaatlichungen »auf keinen Fall Regierungspolitik« seien. Bergbauministerin Susan Shabangu schloß sich dem an. So lange sie lebe, werde es keine Verstaatlichungen in dem von ihr verantworteten Bereich geben. Südafrika sei Teil der globalen Gemeinschaft und könne daher »keinen Schritt zurück« gehen und »gegen die Welt arbeiten«, sagte sie unter dem Beifall der Wirtschafts­eliten. Präsident Jacob Zuma, als Kandidat der Linken und der Gewerkschaften zum Präsidenten gewählt, beeilte sich, auf dem gleichen Forum in London klarzustellen, daß Verstaatlichungen nicht auf der Agenda seiner Regierung stünden.

Die wirtschaftsnahen Kräfte im ANC sind weiterhin stark. Südafrika will in Zeiten der globalen Krise keine Investoren verprellen, um den Verlust von über einer Million Arbeitsplätzen im vergangenen Jahr nicht noch weiter zu steigern.

* Aus: junge Welt, 7. April 2010


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