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Milliarden für neue Arbeitsplätze

Südafrika: Zuma kündigt im Parlament weitreichende Sozialprogramme an

Von Christian Selz, Port Elizabeth *

Die Zahlen waren so massiv und konkret, daß es vielen Parlamentariern die Sprache verschlug. Insgesamt 39 Milliarden Rand (vier Milliarden Euro) will die südafrikanische Regierung in den kommenden Jahren in die Schaffung von fünf Millionen Arbeitsplätzen investieren. Neun Milliarden Rand sollen direkt in Förderungsmaßnahmen fließen, weitere zehn Milliarden stehen für Investitionen in arbeitsplatzschaffende Projekte zur Verfügung, und obendrauf kommen nochmal 20 Milliarden für steuerliche Anreize bei Neuanstellungen. Das ließ Präsident Jacob Zuma in seiner Rede zur Lage der Nation anläßlich der Parlamentseröffnung am Donnerstag abend wissen. Selbst seine schärfste Kritikerin, Oppositionsführerin Helen Zille von der wirtschaftsliberalen Democratic Alliance, wußte da nicht viel zu entgegnen. Zumas Programm für 2011 sei »besser als vergangenes Jahr«, stammelte sie auf dem roten Teppich vor dem Parlament in Kapstadt.

Auch die Partner im Regierungsbündnis, die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) und der Gewerkschaftsbund COSATU, reagierten positiv auf Zumas Ankündigungen, die als politischer Rahmenkalender für das laufende politische Jahr gelten. Die Investitionen, gerade in die Arbeitsplatzschaffung durch Kleinunternehmen waren langjährige Forderungen der südafrikanischen Linken. Die SACP sprach daher gar von einem Paradigmenwechsel. COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi warnte allerdings, die Schaffung neuer Arbeitsplätze dürfe nicht auf Kosten von Arbeiterrechten geschehen.

Die Botschaft ist klar: Es geht nicht mehr um Wachstum um jeden Preis, sondern darum, was am Ende bei den Menschen ankommt. Der ANC, der in fast zwei Dekaden seit dem Ende der Apartheid viel in Sozialleistungen investiert, Millionen Häuser gebaut hat, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden, und eine ebenfalls kostenlose Gesundheitsversorgung bietet, regiert nach wie vor die Gesellschaft mit der größten sozialen Ungleichheit weltweit. Nirgendwo sonst ist der Unterschied zwischen Armen und Reichen so groß wie in Südafrika. Während die Zahl der Millionäre jährlich wächst, sind knapp vierzig Prozent der Bevölkerung noch immer ohne Job und selbst viele, die eine Arbeit haben, können ob der minimalen Bezahlung der Armut nicht entrinnen. Um so dringender deshalb, »anständige Arbeitsplätze« zu schaffen, wie Zuma verspricht.

Die Linke wird ihm dabei weiter genau auf die Finger schauen. Das gilt auch für das Problem der privaten Arbeitsvermittler, die in Südafrika häufig als moderne Sklavenhändler fungieren. COSATU und die SACP kämpfen für ein Verbot dieser »Arbeits-Broker«, Zuma hat nun zumindest angekündigt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu überarbeiten, und die Schaffung einer staatlichen Arbeitsvermittlungskartei angedeutet. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber um es mit Zuma selbst zu sagen: Es ist »viel erreicht, aber viel mehr ist noch zu tun«.

Das gilt auch für andere Prioritäten des ANC-Programms. Den Rohstoffreichtum des Landes nannte der Präsident ungewohnt offensiv »ein gemeinsames Erbe, das allen Südafrikanern gehört, mit dem Staat als Hüter«; eine staatliche Bergbaugesellschaft soll künftig die Vorkommen von strategischer Relevanz abbauen. Bisher hatte sich die Regierung allerdings stets gegen Verstaatlichungen ausgesprochen, wahrscheinlicher ist daher ein Kooperationsmodell mit den Bergbau-Konzernen. Das hehre Ziel: Die Menschen sollen profitieren. Das gilt auch für die Pläne, mehr Krankenschwestern und Ärzte auszubilden sowie den Zugang zu den Universitäten für Kinder aus armen Haushalten zu erleichtern. Daß der Minister für Hochschulbildung und SACP-Generalsekretär, Blade Nzimande, kürzlich in Kuba weilte, darf zumindest als Zeichen gelten, an welchen Vorbildern sich Südafrika auf seinem neuen Kurs orientieren will.

* Aus: junge Welt, 12. Februar 2011


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