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Der Speer wird abgehängt

Ein provokantes Porträtbild von Präsident Zuma bringt Südafrika in Wallung

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Ein Bild beherrscht seit zwei Wochen Südafrikas Innenpolitik. Brett Murray hat mit seinem Gemälde, das den Präsidenten Südafrikas, Jacob Zuma, als virilen Herrscher mit entblößten Genitalien zeigt, einen Proteststurm im Land ausgelöst.

Oberflächlich ist der Streit beigelegt: Die Goodman Gallery in Johannesburg kündigte diese Woche an, das Bild, auf dem Präsident Jacob Zuma seine Genitalien präsentiert, nicht mehr auszustellen. Die Regierungspartei African National Congress (ANC) zog daraufhin eine Klage zurück. »Wir werden die Goodman Gallery nicht weiter vor Gericht bringen«, sagte ANC-Sprecher Jackson Mthembu.

Murrays Bild »The Spear« (Der Speer) beleidige nicht nur Zuma persönlich, sondern sei auch rassistisch, hatte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe vor der Klage verkündet. Es erniedrige die afrikanische Kultur. Der Sprecher der Shembe-Kirche, Enoch Mthembu, verlangte gar, dass der Künstler, der mit dem Bild die gesamte Nation beleidigt habe, gesteinigt werde.

In der aufgeheizten Stimmung drangen zwei Männer, einer davon ein weißer Kunstprofessor, in die Ausstellung ein und übersprühten Kopf und Genitalien des Präsidentenbildes mit Farbe. Vorläufiger Höhepunkt der Saga war ein Protestmarsch gegen das Bild am vergangenen Montag. Angeführt wurde er von den ANC-Spitzen. Auch der Chef der mit dem ANC regierenden KP Südafrikas, Blade Nzimande, und der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes COSATU, Zwelinzima Vavi, waren dabei. Nzimande verlangte die Zerstörung des Bildes. Ein Verkauf ins Ausland, offenbar ist ein deutscher Sammler interessiert, müsse auf jeden Fall verhindert werden, sagte er.

Unterstützung erfuhr der Schöpfer des Porträts vor allem von anderen Künstlern. Der Karikaturist Jonathan Shapiro, bekannt unter seinem Künstlernamen Zapiro, der selbst mit Zuma und dem ANC im Streit liegt, seit er in einer Zeichnung für die Wochenzeitung »Mail & Guardian« Zuma als Vergewaltiger der Justitia dargestellt hatte, bezeichnete Murrays Bild als sehr wichtig, da es Zuma so darstelle, wie er sich selbst in der Öffentlichkeit präsentiere, als starken virilen Mann. Brett Murray sei auch kein Rassist, wie der ANC behauptet. Vielmehr habe er in den 80ern mit seiner Kunst gegen die Apartheid gekämpft. Die Ausstellung Murrays bezeichnete Zapiro als eine wichtige Kritik, da sie zeige, wie der ANC sich von den Werten der Freiheitscharta verabschiedet habe. Die Bilderreihe Murrays ist politisch, denn sie thematisiert Fragen der Regierungsführung und der Korruption im Land. Murray selbst wehrte sich gegen den Vorwurf, Rassist zu sein, und verwies auf seine Vergangenheit als Protestkünstler in der Apartheid.

Professor Anton Harber, Leiter der Journalistenschule der Witwatersrand- Universität und Vorsitzender des Instituts für die freie Meinungsäußerung, sprang Murray und der Goodman Gallery ebenfalls bei. Zensur jeglicher Art müsse entschieden entgegengetreten werden, meinte Harbor. Im Radiosender SAFM bezeichnete er die Aufregung um das Bild als politisches Manöver. Jenseits dessen, dass manche schwarze und weiße Südafrikaner diese Form der Kunst als beleidigend ablehnen, gehe es den Zuma-Anhängern auch um den Schutz des Porträtierten. Zuma, der Ende des Jahres als ANCPräsident wiedergewählt werden will und der in Partei und Bevölkerung nicht unumstritten ist, versuche ganz offenbar, mit dieser Kampagne gegen Murray und die Galerie als Opfer zu punkten, vermutete Harber. Der Vergleich vom Mittwoch läuft indes eher auf eine Punkteteilung hinaus.

* Aus: neues deutschland, Samstag 2. Juni 2012


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