Hoffnung in den Hütten
Von Christian Selz, Port Elizabeth *
Die Würfel sind gefallen. Mit der offiziellen Bekanntgabe der
Wahlergebnisse durch die Unabhängige Wahlkommission am vergangenen
Samstag steht der regierende African National Congress (ANC) mit 65,9
Prozent der Stimmen als klarer Sieger der Parlamentswahlen in Südafrika
fest. Die Zweidrittelmehrheit, mit der die Partei die letzten fünf Jahre
regiert hat, hat der ANC damit allerdings knapp verfehlt.
Die Oppositionsführerin Helen Zille von der Democratic Alliance (DA)
dürfte daher erleichtert aufgeatmet haben. Sie hatte ANC-Spitzenkandidat
Jacob Zuma im Wahlkampf unterstellt, eine Zweidrittelmehrheit für
Verfassungsänderungen nutzen zu wollen, um so einem möglichen
Korruptionsprozeß gegen ihn endgültig aus dem Weg zu gehen. Zuma hatte
allerdings bereits vor der Wahl angekündigt, die Verfassung nicht
anzurühren. Dementsprechend zufrieden zeigte der 57jährige sich mit dem
Ergebnis: »Das ist keine Enttäuschung. Einige Journalisten haben
versucht, die Ziele zu verschieben, als deutlich wurde, daß wir mit
einer entscheidenden Mehrheit gewinnen. Sie halten nun die
Zweidrittelmehrheit für ein Thema, anstatt dem ANC zum klaren Sieg zu
gratulieren.« Und auch Parteisprecher Ishmael Mnisi wollte sich den
vierten Erdrutschsieg seit Ende der Apartheid 1994 nicht in eine
Niederlage ummünzen lassen: »Wir haben immer klar gesagt, daß wir einen
entscheidenden Sieg wollen. Der ANC hat nie eine Zweidrittelmehrheit als
Ziel ausgegeben, wir sind sehr zufrieden mit dem Mandat, das die
Menschen uns gegeben haben.«
Deutlich weniger zufrieden dürfte man bei der ANC-Abspaltung COPE
(Congress of the People) gewesen sein. Die neue Partei, die sich aus
Zuma-Gegnern und dem wirtschaftsnahen Flügel des ANC gegründet hatte und
im Wahlkampf noch die Übernahme der Vormachtstellung im Land am Kap
angestrebt hatte, mußte sich mit 7,4 Prozent der Stimmen begnügen.
Selbst das hauptsächlich von Angehörigen der Xhosa bewohnte Eastern
Cape, in dem COPE gegen den Zulu Zuma von Analysten Chancen eingeräumt
wurden, gewann der ANC mit knapp 70 Prozent der Stimmen. Da auch die
zulu-nationalistische Inkatha Freedom Party in ihrer Heimatprovinz
KwaZulu-Natal eine herbe Schlappe gegen den ANC einstecken mußte, läßt
sich klar ablesen, daß ethnische Zugehörigkeiten in Südafrika mehr und
mehr an Bedeutung verlieren. Wichtigste Oppositionspartei ist nach wie
vor die hauptsächlich von Weißen und Besserverdienenden gewählte DA mit
16,7 Prozent der Stimmen. Im neuen südafrikanischen Parlament sind
weiterhin neun kleine Parteien vertreten, einige davon mit nur einem Sitz.
Während die meisten deutschen Printmedien die Wahl Zumas, der den
Gewerkschaftsbund COSATU und die Kommunistische Partei Südafrikas zu
seinen wichtigsten Verbündeten zählt, überwiegend negativ und teilweise
gar als Untergang Südafrikas sehen, sind die internationalen Reaktionen
deutlich ausgewogener. So hebt beispielsweise die britische BBC Zumas
Erfahrungen im Lösen von Konflikten hervor.
Gewählt wurde Zuma für Programmpunkte wie eine Beschleunigung des
Hausbauprogramms für die Menschen, die noch immer in Hütten leben, den
freien Zugang zu guter Bildung und medizinischer Versorgung, mehr
Arbeitsplätze und die Bekämpfung der Kriminalität. Davon, wie der ANC
die hochgesteckten sozialpolitischen Ziele auch in einem Klima globaler
Rezession umsetzt, wird seine Wertschätzung in der Bevölkerung abhängen.
Die Hoffnungen, das zeigt das Wahlergebnis eindeutig, sind groß.
* Aus: junge Welt, 27. April 2009
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