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Großer Erfolg für muslimische Frauen

Südafrikanisches Verfassungsgericht stärkt Rechte von Witwen

Von Eric Singh

Das südafrikanische Verfassungsgericht hat mit einer wegweisenden Entscheidung die Rechte von muslimischen Frauen gestärkt: Alle nach dem Islam verheirateten Frauen in polygamen Ehen haben ab sofort einen Anspruch auf das Erbe ihres verstorbenen Mannes, falls dieser kein Testament hinterlassen sollte.

Die rechtliche Situation für muslimische Frauen in Südafrika hat einen Quantensprung gemacht. Bisher erkannte das Verfassungsgericht Südafrikas auf der Grundlage des »Intestate Act« (Ohne ein Testament zu hinterlassen) bei polygamen Ehen lediglich einer Ehefrau Anspruch auf das Erbe ihres verstorbenen Ehemannes zu, wogegen alle anderen Frauen leer ausgingen. Das war diskriminierend und unfair zugleich. In der Mitte Juli gefällten Grundsatzentscheidung wurde der Begriff »Ehefrau« durch »alle Ehefrauen« ersetzt. Das Gesetz findet rückwirkend zum 27. April 1994 Anwendung, dem Datum der ersten demokratischen, nichtrassischen und nichtsexistischen Wahlen in der Republik Südafrika.

Der Entscheid bedeutet eine weitere Verbesserung der vorangegangenen Änderung von 2004, wonach Ehemänner und Ehefrauen einer monogamen muslimischen Ehe als Erben gelten, auch wenn kein Testament vorliegt.

Der Gerichtsentscheid wurde auf Antrag der 61-jährigen Fatima Gabie Hassam getroffen. Nachdem sie 36 Jahre ihres Ehelebens im Geschäft ihres Mannes geschuftet und ihm vier Kinder geboren hatte, musste sie vor zehn Jahren nach der Rückkehr von einer Pilgerreise nach Mekka erfahren, dass ihr Mann Ebrahim während ihrer Abwesenheit eine weitere Frau, die 19-jährige Miriam, geheiratet hatte.

Noch schlimmer kam es für Fatima 2001, als ihr Mann an einem Herzinfarkt starb. Der Testamentsvollstrecker teilte ihr mit, dass laut Gesetz nur eine Frau ihrer polygamen Ehe anerkannt ist. Sie habe keinerlei Anspruch auf das Erbe. Das bedeutete für Fatima, die über keinerlei Geldmittel verfügte, weder Recht noch Anspruch auf das Erbe ihres Mannes. Ihr drohte sogar der Verlust einer kleinen bescheidenen Zweizimmerwohnung. Das Gesetz in Südafrika erkennt polygame islamische Ehen nicht in dem Maße an wie traditionelle polygame afrikanische Ehen. Das bedeutet, wenn ein Moslem in polygamer Ehe stirbt und kein Testament hinterlässt, können seine Frauen keinen Antrag auf das Erbe ihres verstorbenen Mannes stellen. Das wird dann unter seinen Kindern aufgeteilt.

Fatima jedoch wollte sich mit ihrer Situation nicht abfinden. Sie suchte Rechtshilfe und ließ sich auch nicht entmutigen, als die Mühlen der Justiz sehr langsam mahlten. Nach der Verlesung des neuen Entscheids durch Richter van Reenen zeigte sich Fatimas Anwalt Igshaan Huggins begeistert: »Dieser Fall wird durch die neue Verfügung sehr hilfreich sein, damit künftig moslemische Frauen in solchen Ehen geschützt sind.«

Er stellte fest, dass durch die Anwendung dieses Gesetzes alle Frauen, die sich in der gleichen Lage wie Frau Hassam befinden, nicht länger ihr Heim und das Geld verlieren, das sie im Laufe ihrer Ehe mit geschaffen haben. Um zukünftig zu verhindern, dass sich Frauen im gleichen Dilemma wie Frau Hassam befinden, muss das entsprechende moslemische Heiratsgesetz in Südafrika modifiziert werden.

Weiter fügte er hinzu: »Frau Hassams Sieg war deshalb auch so bedeutend, weil er zeigt, dass durch die Verfassung Südafrikas die Bedürfnisse der verschiedenen Menschen berücksichtigt werden. Das ist ein großer Triumph für alle Südafrikaner, besonders für Rand- und ungeschützte Gruppen der südafrikanischen Bevölkerung. Es zeigt, dass die Verfassung für alle da sein kann.« Menschenrechts- und andere Gruppen begrüßten den Entscheid mit Begeisterung, als er in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Jennifer Williams, die Direktorin des Rechtsanwaltszentrums für Frauenrechte, sprach von einem bahnbrechenden Sieg. »Durch diesen Entscheid wird eine Klasse von Frauen wirtschaftlich und sozial gestärkt.«

Von Interesse wird sein, wie man diese Entscheidung jenseits der Grenzen von Südafrika aufnimmt. Viele muslimischen Frauen in Subsahara-Afrika sind darauf gespannt.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Juli 2009


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