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Jeder außer Zuma

Südafrika: Im ANC formiert sich Widerstand gegen den amtierenden Präsidenten

Von Christian Selz, Kapstadt *

In knapp drei Wochen beginnt offiziell die Nominierungsphase vor den internen Wahlen im African National Congress (ANC). Der Machtkampf in der einstigen Befreiungsfront und heutigen Regierungspartei Südafrikas nimmt dabei immer mehr an Fahrt auf. Bei konstanten Wahlergebnissen von über 60 Prozent für den ANC geht es auf dem alle fünf Jahre stattfindenden Wahlparteitag im Dezember schließlich auch um den neuen Staatspräsidenten. Keiner weiß das besser als Amtsinhaber Jacob Zuma, der seinen Vorgänger Thabo Mbeki vor fünf Jahren nach einem erbitterten, parteispaltenden Wahlkampf erst an der Partei- und kurz darauf an der Staatsspitze ablöste. Inzwischen hat sich das Anti-Zuma-Lager neu formiert, auch wenn sich die Protagonisten öffentlich noch stark zurückhalten. Grund ist ein eisernes ANC-Gesetz, das es potentiellen Kandidaten verbietet, vor der Nominierung offen für sich zu werben. Die einzige Ausnahme: Staats- und Parteipräsident Jacob Zuma selbst. Den plagen derzeit aber vor allem unbequeme Fragen zum millionenschweren Ausbau seines Privathauses.

Als einer der wenigen ausgesprochenen Kritiker schien am Montag der Sportminister und ehemalige Präsident der ANC-Jugendliga, Fikile Mbalula, vorzupreschen. Zuma sei »politisch bankrott«, zitierte die Johannesburger Tageszeitung The Star Mbalula, der sich in dem Artikel gegen Vorwürfe, er sei ins Zuma-Lager gewechselt, wehrte. Man habe ihm einen Parteiposten angeboten, um ihn zu neutralisieren. »Die realisieren, daß sie politisch nicht überleben können, die überleben nur auf der Basis von Korruption.« Nach dem folgenden innerparteilichen Aufschrei der Empörung ruderte Mbalula dann gestern zurück. Seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen, nie würde er den Präsidenten persönlich angreifen. Während die Zeitung bekräftigte, zu ihrem Artikel zu stehen, zeigt die Posse vor allem eines: Es brodelt heftig im ANC.

Bekannte und langjährige Zuma-Gegner wie der nicht zum ersten Mal nach mehr Macht greifende Minister für Sozialen Wohnungsbau, Tokyo Sexwale, und Jugendliga-Vizepräsident Ronald Lamola – der die ANC-Jugend seit dem Parteiausschluß ihres Präsidenten Julius Malema de facto führt – traten am Montag in der Zuma-Hochburg Mpumalanga auf. Der im Juni von Zuma geschaßte Polizeichef Bheki Cele fährt selbst in KwaZulu-Natal, der Heimat des Zulu-Traditionalisten Zuma, eine von Woche zu Woche schärfere Kampagne gegen den Parteipräsidenten. »Wenn jemand mir meinen Job wieder anböte, ich würde mit beiden Händen zugreifen«, äußerte sich Cele über seine Motive.

Hinter Zuma stehen die Kommunistische Partei Südafrikas und zumindest die Mehrheit der Führung des schwächelnden Gewerkschaftsbundes COSATU – wenn auch augenscheinlich nur aus machtstrategischen Gründen.

Genau da liegt allerdings das Hauptproblem der stimmberechtigten ANC-Basis und letztendlich auch der südafrikanischen Bevölkerung: Beiden ANC-Flügeln mangelt es an politischem Profil. Zuma wirbt nicht mit politischen Programmen um seine Wiederwahl, sondern schlicht mit Konstanz, während sich die bunt zusammengewürfelte innerparteiliche Opposition den Wandel um jeden Preis auf die Fahnen schreibt. Entsprechend passend taufte die südafrikanische Presse die Kampagne inzwischen als »Anyone But Zuma« (Jeder außer Zuma).

Zu all dem plagt den Präsidenten nun noch eine Parlamentsanfrage der Oppositionspartei Democratic Alliance zum Umbau seiner Privatvilla. Umgerechnet über 20 Millionen Euro soll Zuma dort in angebliche Sicherungsmaßnahmen investiert haben, zu denen laut Zeitungsberichten sogar zwei Kunstrasen-Fußballplätze für seine Leibwächter gehören. Pressenachfragen zu dem Thema weist das Präsidentenbüro allerdings mit dem Hinweis auf nationale Sicherheitsinteressen zurück. Oppositionsführerin Lindiwe Mazibuko möchte nun wissen, ob der Steuerzahler tatsächlich wie kolportiert für 95 Prozent der Rechnung aufkommen soll. Auch von Zumas Rolle in dieser Affäre dürfte abhängen, ob seine Villa bald einen amtierenden oder einen Altpräsidenten beherbergt.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. Oktober 2012


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