Kompromiss zwischen Sudan und Südsudan
Einigung im Streit um Aufteilung der Erdöleinnahmen / Grenzfragen noch offen *
Sudan und Südsudan haben eine Einigung
im Streit um die Aufteilung
der Erdöleinnahmen erreicht. Südsudan
werde die im Januar gestoppte
Ölförderung wieder aufnehmen, verkündete
der Vermittler der Afrikanischen
Union (AU), Thabo Mbeki, in
der Nacht zum Sonnabend.
Der Durchbruch bei den Verhandlungen
zwischen Sudan und Südsudan
ist geschafft: Die beiden ostafrikanischen
Staaten einigten sich
nach erbittertem Streit um das Öl
und seinen Transport in der Nacht
zum Sonnabend in der äthiopischen
Hauptstadt Addis Abeba.
Noch im Frühjahr drohte nach
dem Ausbruch blutiger Kämpfe ein
neuer Krieg in Afrika.
Beide Staaten hätten ein Abkommen
über die Transitgebühren
beim Export südsudanesischen
Erdöls durch Sudan ausgehandelt,
sagte AU-Vermittler Thabo
Mbeki nach der nächtlichen
Sitzung des Friedens- und Sicherheitsrats
des Staatenbundes. Nach
dem bis Ende 2016 gültigen Abkommen
wird Südsudan 9,48 USDollar
(7,65 Euro) pro Barrel Öl
Transportkosten an Sudan bezahlen.
Ursprünglich hatte Khartum
36 Dollar gefordert. Südsudan
wird zudem eine Ausgleichszahlung
von etwa drei Milliarden Dollar
an Sudan wegen entgangener
Einnahmen leisten.
Südsudan fielen durch die Teilung
des Landes im Juli 2011 drei
Viertel der Erdölreserven zu. Zum
Export ist das Land aber auf die
Ölpipelines des Norden angewiesen.
Angesichts von Differenzen
über die Transitgebühren hatte
Khartum entschieden, als Bezahlung
selbstständig Öl abzuzweigen.
Der Süden hatte daraufhin im
Januar die Produktion gestoppt.
Damit verlor der junge Staat jedoch
98 Prozent seiner eigenen
Einnahmen, während die Inflation
in die Höhe schnellte.
»Das Öl wird bald wieder fließen
«, versprach Vermittler Mbeki,
der ehemalige Präsident Südafrikas.
Allerdings konnten nicht alle
Probleme – beispielsweise die umstrittene
Grenzführung zwischen
beiden Staaten – beseitigt werden.
Die offenen Fragen sollen nach
dem Willen der AU-Kommission
bis zum 22. September gelöst werden.
Thabo Mbeki kündigte ein
Treffen zwischen Sudans Präsidenten
Omar al-Baschir und dessen
südsudanesischem Kollegen
Salva Kiir im September an. Dabei
werde auch über den Status der
erdölreichen Grenzregion Abyei
gesprochen.
Das neue Abkommen ebne den
Weg zu mehr Wohlstand für die
Bürger beider Staaten, betonte
USA-Präsident Barack Obama in
einer vom Weißen Haus verbreiteten
Erklärung. Die politischen
Führer Sudans und Südsudans
verdienten Glückwünsche für diesen
Kompromiss. Obamas Außenministerin
Hillary Clinton hatte
noch die Konfliktparteien noch am
Freitag in Südsudan zu einer Lösung
gedrängt.
* Aus: neues deutschland, Montag, 6. August 2012
Kleine Schritte in Ostafrika
Nach Einigung im Ölstreit neue Spannungen zwischen Sudan und Südsudan
Von Simon Loidl **
Am Wochenende haben Sudan und Südsudan nach monatelangen Verhandlungen eine vorläufige Einigung im Streit um Öltransporte erzielt. Einzelheiten des Ergebnisses sind bislang allerdings noch nicht bekannt. Die Summe, die Juba künftig an den Sudan für die Benutzung der Pipelines zahlen soll, wurde zunächst nicht öffentlich gemacht. Khartum hatte bis zu 36 Dollar pro Barrel gefordert, der Süden bot sieben bis neun Dollar je nach benutzter Leitung. Zu Wochenbeginn wurden in den Medien Zahlen zwischen neun und 25 Dollar pro Barrel genannt, auf die sich die beiden Länder für die kommenden dreieinhalb Jahre geeinigt hätten.
Unmittelbar nach der Meldung des Verhandlungserfolges traten die weiterhin ungelösten Konflikte zwischen Sudan und Südsudan wieder in den Vordergrund und gefährdeten die Einigung. Der Sprecher des sudanesischen Verhandlungsteams, Mutrif Siddiq, sprach zwar von einem Durchbruch, betonte aber, daß kein Abkommen unterzeichnet würde, bevor nicht auch für die noch offenen Grenzfragen eine Lösung gefunden würden. Entsprechende Verhandlungen werden aber durch die jüngsten Kämpfe in einigen Regionen des Sudan erschwert. Khartum wirft dem Süden vor, die im Grenzgebiet zwischen den beiden Ländern operierenden Rebellengruppen zu unterstützen. Die Sudanesische Volksbefreiungsbewegung Nord (SPLM-N) ist vor allem in den Provinzen Süd-Kordofan und Blue Nile aktiv. In den vergangenen Monaten flohen bereits Hunderttausende Menschen vor den neuerlichen bewaffneten Auseinandersetzungen. Am Freitag wurde zwischen Khartum und SPLM-N ein von UN, Afrikanischer Union und Arabischer Liga vermitteltes Abkommen ausgehandelt, wonach das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen Nahrungsmittel in die betroffenen Gebiete liefern könnte. Diese von mehreren Beobachtern alserster Schritt zu einen Waffenstillstand in der Grenzregion gewertete Einigung wurde bereits am Sonntag durch die Ermordung eines WFP-Mitarbeiters durch bislang nicht identifizierte Bewaffnete wieder gefährdet.
Ebenfalls am Sonntag erneuerte Juba Vorwürfe, wonach der Sudan Rebellengruppen im Südsudan unterstütze, welche die Regierung des Landes stürzen wollten. Der Sprecher der Parlamentsfraktion der regierenden Volksbefreiungsbewegung (SPLM), Atem Garang de Kuek, sagte, Khartum unterstütze Milizen und Dissidenten, die den im Juli 2011 gegründeten Südsudan destabilisieren sollen.
Während Sprecher der südsudanesischen Regierung noch am Wochenende angekündigt hatten, die Ölproduktion möglichst rasch wieder aufnehmen zu wollen, um der am Boden liegenden Wirtschaft des Landes endlich dringend benötigte Devisen zuführen zu können, scheint nun wieder alles offen. Zwar werden die Gespräche über Grenzverlauf und Sicherheit weitergeführt, doch verlautete aus sudanesischen Verhandlungskreisen bereits, daß vor Ende August nicht mit einem Durchbruch zu rechnen sei. Auch der ehemalige Präsident Südafrikas, Thabo Mbeki, der die Beratungen in der äthiopischen Hauptstadt Addis-Abbeba leitet, sagte, daß Sudan und Südsudan nun bis zum 22. September Zeit hätten, um eine Einigung in den noch ungelösten Streitfragen zu erzielen.
Der UN-Sicherheitsrat will am Donnerstag die neue Lage erörtern. Das Gremium hatte den beiden Ländern ein am 2. August abgelaufenes Ultimatum gestellt, bis dahin ihre Öl- und Grenzkonflikte zu beenden. Der am Wochenende gemeldete Verhandlungserfolg war wohl in erster Linie eine Demonstration des guten Willens aller Beteiligten, um die angedrohten nicht-militärischen Sanktionen seitens der Vereinten Nationen abzuwenden.
Eine Lösung des Ölstreits ist indessen im Interesse aller Beteiligten. Die Ökonomien beider Länder sind auf die Erlöse aus dem Verkauf des Rohstoffes angewiesen. Der Förderstopp führte in beiden Ländern zu einem sprunghaften Anstieg der Treibstoff- und Lebensmittelpreise. Im Sudan kommt es deshalb seit Juni immer wieder zu Protesten gegen die Regierung von Omar Al-Baschir. Bei einer Demonstration gegen Preiserhöhungen in Nyala, der Hauptstadt der Provinz Darfur, wurden in der vergangenen Woche bis zu zwölf Menschen durch Sicherheitskräfte getötet.
** Aus: junge Welt, Dienstag, 7. August 2012
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