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Die Kriegstrommeln tönten bis Juba

Ölkonflikt zwischen Nord- und Südsudan ist noch nicht gelöst

Von Andreas Herrmann, Juba *

Nach Angaben der UN-Friedensmission UNISFA haben sich die Truppen Sudans und Südsudans aus der umstrittenen Grenzregion Abyei zurückgezogen. Die seit April unterbrochenen Verhandlungen zwischen beiden Staaten wurden in Addis Abeba wieder aufgenommen. Doch gelöst ist der Konflikt noch längst nicht.

Für Wakhee Taha ist es ein wichtiger Tag. Zusammen mit Freunden von der Partei SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) hat er seinen alten Toyota-Kleinbus geputzt, Treibstoff und Öl aufgefüllt. Er will an der großen Demonstration im Zentrum Jubas teilnehmen, vorbei am marmornen, mit Papierblumen geschmückten Mausoleum des Revolutionshelden John Garang. Auch Wakhee möchte teilhaben an den Früchten des jahrelangen Kampfes um den neuen Staat Südsudan. Dafür hat er sein Gefährt mit einem Plakat versehen. »Wir werden nicht aufgeben, denn das Wenige, was wir haben, ist mehr als das, was wir im Moment noch nicht haben«, steht darauf geschrieben. Er lächelt, hebt seine Hand zum Kampfgruß und begibt sich in den Autokorso der Demonstration.

Was er und seine Kameraden mit Wohlstand verbinden, ist heute das Öl. Das liegt rund 650 Kilometer nördlich von Juba im Boden rund um die Stadt Abyei. Dort, irgendwo im faktischen Niemandsland an der Grenze zu Nordsudan, hatte ein neuer Krieg begonnen, oder auch nur ein Konflikt um das Förderfeld Heglig. Keiner der Demonstranten weiß das genau. Nur dass das schwarze Gold dem Süden zusteht, dessen sind sich die Leute auf der Straße sicher.

Wem die Quellen völkerrechtlich zustehen, das wurde während der Friedensverhandlungen von 2005, auf die alle Südsudanesen stolz sind, nicht geklärt. Das war wohl auch Absicht, denn an dieser Frage wären der fragile Frieden und die im Juli 2011 erklärte Unabhängigkeit Südsudans vom Norden gescheitert. Die in Abyei lebenden Viehzüchterstämme der Dinka, denen auch Wakhee entstammt, hatten damals überdies andere Probleme. Ihre Weidegründe wurden immer wieder von arabischen Messeriya-Nomaden heimgesucht. Gras war wichtiger als Öl. Doch die tiefschwarzen und baumlangen Dinka standen auch damals schon auf der Seite der südsudanesischen Volksbefreiungsarmee SPLA. Man versprach ihnen, dass ihr Land nach einem Referendum zum neuen Südsudan gehören werde. Doch ein solches Referendum fand für die Region Abyei niemals statt. Sudans Präsident Omar al-Bashir wusste das zweimal zu verhindern, denn er wollte das Öl. Gras fand er auch andernorts.

Entscheidung fiel im fernen Den Haag

Entschieden wurde die Besitzfrage schließlich fernab vom Fluss Bahr al-Arab, der das Land um Abyei mit Wasser versorgt, irgendwann in den Weißen Nil mündet und mit ihm später in Khartum ankommt. Den Haag war der Ort, wo ein Internationales Schiedsgericht 2009 ein Urteil zu Gunsten des Nordens traf. Demnach gehören die Ölquellen zum sudanesischen Bundesstaat Südkordofan. Doch wer weiß das schon in Juba?

Am Tag der großen Demonstration feierte auch das Fernsehen kämpferisch mit. Um Kalaschnikows und Geschütze tanzende Soldaten mit roten Baretten und auffällig sauberen Uniformen tauchten auf Bildschirmen in den ärmlichen Behausungen von Juba auf, Strom vorausgesetzt. Andere Bilder, etwa solche vom grausamen Kampfgeschehen oder von zivilen Opfern, gab es nicht. Nur Berichte von kriegsmüden Müttern, die sich Sorgen um ihre Söhne machen. Gefangene nordsudanesische Soldaten wurden gezeigt. Die arabisch aussehenden Männer bedankten sich für die gute Behandlung durch die SPLA-Kämpfer. Unabhängige Journalisten oder gar Ausländer waren im Kampfgebiet nicht zugelassen. Nur dass rund 20 000 Menschen vor den Kämpfen geflohen sind hörte man aus Kreisen der Vereinten Nationen, der zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und der Kirchen. Hektisch wurden Vorbereitungen zu ihrer Aufnahme in Zeltdörfern getroffen.

Öl soll nicht zum Fluch für Menschen werden

Die Glocken von Juba hatten am Tag der großen Demonstration nicht geläutet, doch beim Sudanesischen Kirchenrat herrschte trotzdem rege Betriebsamkeit. Es ging um Gesundheitsversorgung, Logistik und internationale Kontakte. Der amtierende Präsident Mark Akec Cien bereitete sich auf den Flug nach Nairobi vor, wo eine Friedenskonferenz stattfinden sollte. Für das Wort »Religionskonflikt« zwischen Christen im Süden und Muslimen im Norden hatte der Kirchenmann nur ein nachsichtiges Lächeln. »Wir wollen als gemeinsame Dachorganisation für alle Kirchen in Nord- und Südsudan weiter bestehen«, sagte er. Cien, früher einmal Vorsitzender des interreligiösen Rates Sudans, sendet heute Friedensappelle an die Regierenden in Juba und Khartum. Das Öl solle nicht zum Fluch für die Menschen werden. Er selbst kennt Nordsudanesen, die als Händler in Juba arbeiten. Mit ihnen gebe es keine Probleme. Die entstünden dann, wenn Religion von bestimmten Interessengruppen politisiert werde.

Am Tag der großen Demonstration schwirrten Gerüchte durch Juba: Araber aus dem Norden und andere Ausländer seien in der Stadt, um das Leben durch Kriminalität zu destabilisieren. Ob Rückkehrer aus Nordsudan, von denen es im Süden rund 300 000 geben soll, womöglich für Geld das Bashir-Regime unterstützen, kann niemand genau sagen. Das Innenministerium hatte jedenfalls einen Aufruf erlassen, auf solche Elemente zu schießen.

Auf Achse ist auf jeden Fall stets die Geheimpolizei. Sie wirft ein wachsames Auge auf nicht afrikanisch aussehende Menschen. Manchmal geraten Eritreer in ihr Blickfeld, die einst als Flüchtlinge nach Juba kamen und heute oft gut gehende kleine Geschäfte unterhalten. Doch all das ist nicht neu. Nach dem Tod John Garangs, des Führers der SPLA, waren im August 2005 Unruhen in der Stadt ausgebrochen. Vor allem sudanesische Araber wurden zu Angriffszielen, denn ein Teil der Bevölkerung vermutete, dass die Regierung in Khartum in den Tod Garangs verstrickt gewesen sei. Die vermeintlichen Feinde wurden verfolgt und getötet, ihre Geschäfte und Häuser geplündert und zerstört.

Aber auch leise Töne waren am Tag der großen Demonstration zu hören. Die der Chinesen zum Beispiel. Sie tauchen selten in den Medien auf, von einem Entwicklungshilfekredit über acht Milliarden Dollar abgesehen. Unauffällig bewegen sie sich per Lkw durch die Hauptstadt. Es sind Bauarbeiter, Erdölexperten, Telekommunikationsfachleute, Wirtschaftsberater.

Doch auch um sie ranken sich Gerüchte. Da gibt es Organisationen, die berichten von Lagern mit chinesischen Arbeitern, die geradewegs aus den Straflagern im Reich der Mitte kommen sollen. Für den Einsatz in Südsudan gebe es einige Jahre Straferlass, heißt es. Jedenfalls importiert China 60 Prozent der Ölproduktion Sudans und Südsudans. Das moderne China plant langfristig und global.

Im Vergleich zu den Chinesen ist das europäische Engagement gering. Von 18 Millionen Euro Soforthilfe für die betroffenen Kriegsgebiete ist zu hören. Das Geld soll für Projekte ausgegeben werden, die eine friedliche Koexistenz zwischen verschiedenen Volksgruppen an der Grenze zum nördlichen Nachbarn ermöglichen, sagt der Deutsche Sven Kühn von Burgsdorff, der die EU-Delegation in Juba leitet.

Leise Töne schlägt auch Bernhard Büschl aus Frankfurt am Main an. Er ist Bauingenieur bei der deutschen GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die ihr Büro im ehemaligen griechischen Club hat. Einige wenige Griechen hatten Juba 1922 am nördlichen Ufer des Weißen Nils gegründet. Sie waren zuvor aus dem Osmanischen Reich geflohen und errichteten Gebäude, die noch heute wichtig sind. Es geht auch um gutes Gras für die Herden der Dinka

Büschl verweist dagegen stolz auf seine Pläne zum Bau der neuen deutschen Botschaft in Juba. Die gegenwärtige ist in einem besseren Containerbau im streng gesicherten EU-Compound zusammen mit den Vertretungen der wichtigsten EU-Staaten und der Brüsseler Kommission untergebracht.

Doch nicht so sehr um die Gebäude in Juba geht es dem Bauexperten. Öl sei gewiss eine wichtige Ressource, ebenso wichtig sei aber auch Weideland für die Viehzüchter im Norden. Büschl berichtet von einem Projekt zur Trockenlegung von Nilsümpfen, wo später einmal gutes Gras für die Rinder der Dinka wachsen soll.

Als Nord und Süd am Dienstag in Addis Abeba ihre Verhandlungen wieder aufnahmen, beschwerte sich der südsudanesische Unterhändler Pagan Amum über neue Angriffe aus dem Norden. »Während wir hier diskutieren, bombardieren sie uns.« Dennoch werde Südsudan unter allen Umständen an den Verhandlungen teilnehmen. AFP/nd

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 31. Mai 2012


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