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Noch ein Krieg ums Öl

Sudan und Südsudan kämpfen um die im Grenzgebiet liegenden Ressourcen

Von Knut Mellenthin *

Der Grenzkrieg zwischen dem Sudan und Südsudan, das seit Juli vorigen Jahres ein international anerkannter selbstständiger Staat ist, geht weiter. Die südsudanesische Regierung hat in den vergangenen Tagen mehrere Aufforderungen des UN-Sicherheitsrats und der Afrikanischen Union, des Dachverbandes aller Staaten des Kontinents, abgelehnt, sich aus der von ihren Streitkräften besetzten Stadt Heglig zurückzuziehen. Sudan ist offenbar bisher mit seinen Versuchen gescheitert, das Gebiet militärisch zurückzuerobern.

Südsudanesische Truppen kontrollieren Heglig seit dem 10. April. Nach eigener Darstellung handelten sie in „Selbstverteidigung“, da Sudan von dort aus schon seit Wochen Vorstöße über die Grenze unternommen habe. Die Regierung in Khartum bestreitet diese Darstellung. Unabhängige Berichte über den Sachverhalt liegen nicht vor. International unstrittig ist jedoch die Zugehörigkeit Hegligs zum Sudan.

Die staatliche Selbstständigkeit Südsudans ist das Ergebnis eines Bürgerkriegs, der sich über drei Jahrzehnte erstreckte. Schätzungen gehen davon aus, dass infolge der Kämpfe zwei Millionen Menschen ihr Leben verloren. Nach zähen Friedensverhandlungen wurde im Januar 2005 ein Abkommen geschlossen, das praktisch bereits die Unabhängigkeit Südsudans bedeutete, allerdings in Abhängigkeit von einem später abzuhaltenden Referendum. Dieses fand im Januar 2011 statt und bestätigte mit angeblich 98,83 Prozent den Willen der südsudanesischen Bevölkerung, in einem eigenen Staat zu leben. Dass es nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen war, deutete sich darin an, dass in 10 von 79 Bezirken die Wahlbeteiligung über 100 Prozent lag. Grundsätzlich zweifelte aber kaum jemand den Trend des Ergebnisses an.

Indessen hatten die Beteiligten, um die komplizierten Verhandlungen zum Abschluss zu bringen und den Krieg zu beenden, eine Reihe von Fragen einfach „ausgeklammert“ und einer späteren Klärung überlassen. Dazu gehörte der Umgang mit den sudanesischen Erdöl-Ressourcen, die überwiegend im Süden des Landes liegen, die Aufteilung der Auslandsschulden, und nicht zuletzt auch der Verlauf der Grenze. Diese hat eine Länge von 1800 Kilometern und ist an mindestens fünf, nach neuerer südsudanesischer Darstellung sogar an sieben Stellen umstritten. Der derzeitige, international anerkannte Verlauf folgt Provinzgrenzen, die schon 1956 beim Rückzug der britischen Kolonialmacht festgelegt worden waren.

Südsudan erhebt insbesondere Anspruch auf die Provinz Südkordofan, die immerhin halb so groß wie Italien ist, und unterstützt dortige Rebellengruppen. Das Gebiet ist von großem wirtschaftlichen Interesse, weil sich dort die Hälfte der dem Sudan noch verbliebenen Erdölvorkommen befindet. Sudan fördert pro Tag 115.000 Barrell, Südsudan hingegen 350.000.

Seit Januar liegt die südsudanesische Ölproduktion jedoch still. Der Hintergrund: Mangels anderer Transport- und Vermarktungsmöglichkeiten fließt das Öl aus dem Süden nach wie vor in Pipelines durch den Norden und wird von dort aus verschifft. Die südsudanesische Regierung behauptet jedoch, dass nicht nur die dafür fälligen Abgaben viel zu hoch seien, sondern dass Sudan ihr auch Öl „gestohlen“ habe. Da die Einnahmen des jungen Staates fast ausschließlich aus dem Ölexport stammen, werden nun Geldgeber für eine große Anleihe gesucht, um den Produktionsausfall wett zu machen. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass sie schon bei der Entscheidung, die Hähne zuzudrehen und den Norden anzugreifen, im Hintergrund standen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 21. April 2012


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