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Verhärtete Fronten in Südsudan

Zähe Verhandlungen in Addis Abeba, schwere Gefechte in strategischen Regionen

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Trotz aller Friedensbemühungen zeichnet sich in Südsudan weiter kein Ende der schweren Krise ab. Regierungstruppen rückten am Donnerstag auf die Stadt Bentiu im ölreichen Bundesstaat Unity vor.

In Addis Abeba verhandeln, in Südsudan schießen. So lassen sich die vergangenen Tage in Bezug auf die Krise in Südsudan zusammenfassen. Am Donnerstag lieferten sich Regierungstruppen und Rebellen heftige Kämpfe um die wichtige ölreiche Region um die Regionalhauptstadt Bentiu. Ein Sprecher der Armee von Staatschef Salva Kiir sagte, das Militär sei »nah« an die von Aufständischen gehaltene Stadt herangerückt. Bentiu ist die Hauptstadt des Bundesstaats Unity, in dem sich beide Seiten seit Tagen heftige Gefechte liefern.

Der Armeesprecher sagte weiter, Truppen stünden auch etwa 15 Kilometer vor Bor, der Hauptstadt des Bundesstaats Jonglei. Die strategisch wichtige Stadt im Osten des Landes liegt rund 200 Kilometer nördlich der südsudanesischen Hauptstadt Juba, ist seit Wochen heftig umkämpft und befindet sich ebenfalls unter der Kontrolle von Rebellen. Die Friedensverhandlungen zwischen beiden Seiten in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba traten indes auf der Stelle.

Die Truppen Kiirs und seines Rivalen und früheren Stellvertreters Riek Machar bekämpfen sich offen seit Mitte Dezember. Kiir, der den Dinka angehört, warf Machar, einem Nuer, den er im Juli als sein Vize gefeuert hatte, die Planung eines Putsches vor. In diesem Zusammenhang ließ er elf aus seiner Sicht mutmaßliche Rädelsführer verhaften. Diese Gefangenen sind in Addis Abeba bei den Friedensgesprächen zu einem zentralen Gesprächspunkt avanciert. Ein als unabhängig geltender Menschenrechtsanwalt in der südsudanesischen Hauptstadt Juba forderte jetzt ihre Freilassung. »Präsident Salva Kiir und seine Berater inszenierten einen Putsch, weil sie wussten, dieser würde ihnen den Vorwand liefern, um ihre Gegner zu verhaften«, sagt Biel Boutros, Direktor der Südsudanesischen Menschenrechtsorganisation für Verteidigung gegenüber »nd«.

Im Zuge seiner Studien, beobachtete Boutros sowohl Machar als auch Kiir über viele Jahre hinweg. Obwohl Machar generell auf Propaganda verzichte, sei er politisch vorbelastet: Bereits 1991 hatte Machar dem damaligen Führer der Sudanesischen Befreiungsarmee (SPLA), John Garang, die Gefolgschaft aufgekündigt während Kiir ihm die Treue hielt. 2002 schloss sich Machar wieder der SPLA an, die in ihrer zivilen Form als Sudanesische Befreiungsbewegung SPLM nun die Regierung stellt. Das Misstrauen zwischen der SPLM und Machar blieb und gipfelte laut Boutros in dessen Entlassung. Der Anwalt warnt zudem vor einem zunehmend autoritären Führungsstil. »Salva Kiir wurde von den Südsudanesen legitim zum Führer des Landes gewählt, aber nach der Unabhängigkeit des Landes im Juli 2011 verabschiedete er sich von der Verfassung. Er fand immer wieder Wege, um gewählte Provinzgouverneure zu entlassen, die seiner Ansicht nach nicht seine Diktatur unterstützten.« Der Präsident habe den demokratischen Dialog beendet. Dies habe vor drei Wochen zu dem Ausbruch des Bürgerkriegs geführt.

Das Blutvergießen ging diese Woche weiter. Laut den Vereinten Nationen kamen in den Kämpfen bisher etwa 1000 Menschen ums Leben und »Tausende« seien auf der Flucht. Allein in das südlich gelegene Uganda flüchteten 23 000 Südsudanesen. Hier mussten Flüchtlingscamps wieder eröffnet werden, die seit Jahrzehnten ungenutzt waren. Immer mehr flüchten nun auch in das benachbarte Äthiopien und Kenia. UN-Sprecher Farhan Haq zufolge bleibe die humanitäre Situation aber auch in Südsudan selbst »angespannt«: In den Versorgungslagern der UN verschanzen sich derzeit mehr als 62 000 Menschen vor den Kämpfen und erhöhen den Druck auf die Helfer. Nahrung, Wasser und Behausungen würden knapp.

Voraussetzung für eine Entspannung der Lage ist, dass sich bei den Verhandlungen in Addis Abeba etwas tut. Am Dienstag stellte der Chefverhandler der Rebellen, Taban Deng, eine »komplette Versöhnung« mit der Regierung in Aussicht. Größte Bedingung für einen Friedenspakt sei aber die Freilassung der elf Gefangenen. »Unsere Kollegen müssen freigelassen werden, damit sie an den Friedensverhandlungen teilnehmen können«, so der Sprecher der Rebellen, Yohanis Musa Pauk. »Wir warten auf die Freilassung. Wenn sie bald entlassen werden, werden wir einem Friedensvertrag zustimmen.«

Die Regierung in Juba lehnte eine Freilassung bisher kategorisch ab und beruft sich auf die Gesetzmäßigkeit. Präsident Kiir bekräftigte, es liege nicht in seiner Hand, die Gefangenen zu begnadigen. Deren Schuld »muss erst noch geprüft werden«, so Kiirs Sprecher.

Doch der Druck wächst. Zu Beginn der Woche forderte China als Südsudans wichtigster Abnehmer von Öl, die Kämpfe einzustellen. Auch die USA, Großbritannien und die EU riefen zu einem Stopp der Kämpfe und zur Freilassung politischer Gefangener auf. Der ostafrikanische Staatenbund IGAD empfahl, die elf Gefangenen als Zeichen des guten Willens zu entlassen. »Es gibt immer noch Hoffnung auf permanenten Frieden für Südsudan«, meint Menschenrechtsanwalt Biel Boutros, »diesen wird es aber nicht ohne Kompromisse geben.« Die einzige Lösung für einen zeitnahen Waffenstillstand sei die Freilassung der ranghohen elf SPLM-Führungsmitglieder.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 10. Januar 2014


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