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Hofierter König

In Swasiland darf das Volk heute die Abgeordneten für ein Scheinparlament wählen. Parteien sind verboten

Von Christian Selz *

Am vergangenen Wochenende hat Swasilands König Mswati III. seine jüngste Wahl vorgestellt. Sie fiel auf Sindiswa Dlamini. Die 18jährige, gerade mit der Schule fertig, ist Gewinnerin der diesjährigen königlichen Damenselektion, bei der Tausende Jungfrauen dem Monarchen barbusig vortanzen dürfen. Nun soll sie die 14. oder 15. Frau Mswatis werden – die internationalen Nachrichtenagenturen sind sich da bei der Auszählung nicht ganz einig. Wählen dürfen am heutigen Freitag (20. Sept.) auch die »Subjekte« des letzten absoluten Königs Afrikas, auch wenn das Angebot nicht ganz so üppig ist. Bei der anstehenden Abstimmung über die Abgeordneten der beiden Parlamentskammern sind sämtliche Parteien verboten, im wichtigeren Senat verteilt seine Majestät zwei Drittel der Sitze gleich selbst.

»Monarchische Demokratie« nennt Mswati dieses System. Den Namen, so erzählte es der 45jährige kürzlich, habe ihm Gott höchstpersönlich zugeflüstert, als der Herr ihm inmitten eines Gewittersturmes erschienen war. Mit Verweisen auf den pompösen Lebensstil des Herrschers, seine 13 Paläste, die Armut des Volkes und die weltweit höchste HIV-Infizierten-Rate enden die Meldungen aus dem gruseligen Kuriositätenkabinett des dunklen Afrikas dann meist an dieser Stelle. Was auf der Strecke bleibt, ist die Frage, wie sich dieses System überhaupt am Leben hält.

Mit Ausnahme von Zuckerrüben produziert Swasiland kaum tatsächliche Exportgüter – und selbst diese Industrie ist bedroht, wenn sich das Land nicht bald dem EU-Diktat eines »Wirtschaftspartnerschaftsabkommens« (EPA) beugt. Die Optionen bei den »Verhandlungen« ähneln dem Angebot eines Bankräubers: Märkte her oder Export tot! Für Swasiland geht es um eine Verlängerung der Zollfreiheit beim Export von Zuckerrüben nach Europa. Würde die EU hier Abgaben erheben, könnte das Land – vor allem mit EPA-Unterzeichnern – nicht mehr konkurrieren. Die exportorientierte Landwirtschaft, oder zumindest ihr durchkapitalisierter Teil, stünde vor dem Zusammenbruch. Für die EU geht es vor allem um den Zugang zur Zollunion, in der neben Swasiland auch Südafrika, Namibia und Botsuana vereint sind. Das politische System Mswatis spielt keine wahrnehmbare Rolle. Von der Entrüstung und dem Sanktionsgeifer, die beispielsweise Robert Mugabe nach seiner von der Afrikanischen Union als »frei und fair« bewerteten Wiederwahl in Simbabwe entgegenschlugen, ist in Swasiland nichts zu spüren.

Im Gegenteil: Bei der Hochzeit des britischen Thronfolgers William 2011 war Mswati als einer der wenigen Afrikaner geladen und anwesend. Der Londoner Thinktank Chatham House, so schreibt es der Economist, vermutet gar, daß die »Reform« zur »monarchischen Demokratie« ein »Verschieben der Macht« »prophezeien« könnte. Wie fortschrittlich Mswatis System tatsächlich aussieht, durfte eine Delegation internationaler Gewerkschafter erfahren, die am 6. September, dem Unabhängigkeitstag Swasilands von Großbritannien, zu einer Tagung ins Land gekommen waren. Lange lief die Veranstaltung zur Lage der Arbeiter nicht: Polizisten umstellten das Gebäude, verhafteten die Anwesenden und verwiesen die internationalen Gäste, darunter der ehemalige Vorsitzende des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes COSATU, Jay Naidoo, kurz darauf des Landes.

COSATU drängt Südafrikas Regierung seit Jahren, in Swasiland mehr Druck für Reformen zu machen. Die nötigen Instrumente hätte Präsident Jacob Zuma: Wichtigste Finanzquelle des Swasi-Königreichs sind die ihm überproportional hoch zugeteilten Einnahmen aus der Zollunion, die Südafrika faktisch kontrolliert. Dazu kommen in unregelmäßigen Abständen zusätzliche Finanzhilfen aus Pretoria, ohne die Mswatis verschwenderischer Hofstaat längst kollabiert wäre. Daran hat der ANC aber allein deshalb schon kein Interesse, weil seine eigene Investitionsgesellschaft Chancellor House, mit der die Partei ihr Vermögen verwaltet und mehrt, in Bergbauprojekte in Swasiland investiert hat. COSATU prangerte das bereits 2010 im Rahmen einer Kampagne als »unmoralisch« an, nur hören will das bei so herrlich monarchisch-stabilen Verhältnissen niemand.

* Aus: junge Welt, Freitag, 20. September 2013


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