Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auch in Damaskus heißt es: "Bye-bye Mursi"

Ägyptische Widerstandsbewegung gibt vielen Syrern Hoffnung

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Syrische und arabische Medien berichten ausführlich über die Ereignisse in Ägypten. Gebannt verfolgen die Syrer Berichte und Interviews sowie unzählige Diskussionsrunden, in denen sich Analysten und Frauenaktivistinnen über die Rolle der Muslimbruderschaft austauschen.

Demonstranten hatten am Sonntag vor der ägyptischen Botschaft in Damaskus gegen Präsident Mohammed Mursi protestiert. »Bye-bye Mursi«, meint der kurdische Arbeiter Abu Ali und zeigt auf die Fernsehbilder von den Massendemonstrationen in Ägypten. Abu Ali stammt aus Afrin in der Provinz Aleppo und unterstützt die größte kurdische Opposition in Syrien, die Demokratische Partei der Einheit. Kurden und die Muslimbruderschaft stehen auf Kriegsfuß in Syrien. Die Brigaden der Bruderschaft innerhalb und außerhalb der »Freien Syrischen Armee« machen den Kurden und ihrer Oppositionsführung das Leben schwer. Derzeit belagern sie Afrin und kämpfen gegen die kurdischen Volksverteidigungskräfte, zu denen ein Onkel Abu Alis gehört.

Die Muslimbruderschaft sei nicht in der Lage, eine Schule zu führen, geschweige denn ein ganzes Land, das tief in einer Wirtschaftskrise stecke, meint ein anderer Gesprächspartner, der namentlich nicht genannt werden möchte. »Wenn die Muslimbruderschaft in Ägypten fällt, wird sich das sehr positiv auf die Entwicklung in Syrien auswirken«, bringt der Journalist Samer S. die Meinung vieler Gesprächspartner der Autorin in Damaskus auf den Punkt. Samer S. ist Palästinenser und wurde im Flüchtlingslager Yarmuk in Damaskus geboren, wo er noch heute lebt. Nach Monaten konnte er am Dienstag das Lager erstmals verlassen. »Mit den Bildern aus Kairo ist das heute für mich ein richtiger Festtag«, sagt er beim Tee.

»Das gönne ich Mursi und seinen Muslimbrüdern«, meint eine junge Lehrerin, die aus einer syrisch-deutschen Familie stammt. »Wie konnte er sich anmaßen, die diplomatischen Beziehungen mit Syrien aufzukündigen? Wofür, für wen?!« Zurückhaltend äußert sich der Angestellte Hussam B. über die Entwicklung in Ägypten. Selbst wenn Mursi noch im Laufe des Jahres abtreten müsse, werde das Land nicht zur Ruhe kommen, sagt er. Vielleicht wäre es besser, er bliebe noch drei Jahre im Amt und die Opposition hätte Zeit, sich zu festigen, um bei den nächsten Wahlen stark dazustehen.

Die Nachrichtenagentur SANA folgt neutral den Darstellungen internationaler Agenturen. Informationsminister Omran al-Zoubi erklärte hingegen, die Ereignisse in Ägypten machten es »kristallklar, dass die Muslimbruderschaft in ihren Fähigkeiten, einen Staat zu führen und als Autorität ein Beispiel zu geben, für immer gescheitert« sei.

Nach dem Amtsantritt Mursis als Präsident hatte Ägypten zunächst eine zurückhaltende Rolle gegenüber dem Krieg in Syrien eingenommen, der aggressiven Politik von Katar und Saudi-Arabien gegen Syrien in der Arabischen Liga hatte Kairo allerdings nichts entgegengesetzt. Sunnitische Prediger hatten Mitte Juni bei einer Versammlung in Kairo den Krieg gegen die Regierung von Baschar al-Assad in Syrien zum »Heiligen Krieg« erklärt und alle Sunniten aufgefordert, sich diesem Krieg »mit allen ihnen möglichen Mitteln« anzuschließen. Dann hatte Mursi vor Muslimbrüdern und salafistischen Gruppen in Kairo den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Syrien erklärt und die Staaten aufgefordert, eine »Flugverbotszone« über Syrien einzurichten.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 3. Juli 2013


Zurück zur Syrien-Seite

Zur Ägypten-Seite

Zurück zur Homepage