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Plan für Verhandlungen

Syrische Regierung zu umfassenden Gesprächen mit der bewaffneten Opposition bereit

Von Karin Leukefeld *

Die syrische Regierung hat einen umfassenden Plan zur Aufnahme von Gesprächen mit der bewaffneten Opposition vorgelegt. Das berichtete die libanesische Tageszeitung As-Safir am Donnerstag. Demnach habe der syrische Außenminister Walid Mouallem vor zehn Tagen bei Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau deutlich gemacht, daß Damaskus an einer raschen Aufnahme von Verhandlungen interessiert sei. Möglich sei, daß im Vorfeld politischer Verhandlungen einige der bewaffneten Gruppen nach einem Waffenstillstand in die syrischen Streitkräfte integriert werden könnten.

Die Informationen von As-Safir basieren auf Mitteilungen des russischen Außenministeriums an verschiedene Gruppen der syrischen Opposition. Die Bereitschaft, direkt mit den bewaffneten Gruppen zu verhandeln, sei laut Mouallem dem Umstand geschuldet, daß die Oppositionsgruppen, die von Anfang an den bewaffneten Kampf abgelehnt hatten und bereit waren, ohne Vorbedingungen zu verhandeln, »so gut wie keinen Einfluß auf die bewaffneten Kämpfer« hätten. Mouallem habe erklärt, weder Vorbedingungen zu stellen noch welche zu akzeptieren; die zu verhandelnden Themen sollten bei den Treffen festgelegt werden. Moskau hat als möglichen Verhandlungsort Genf oder Wien vorgeschlagen.

Mouallem habe allerdings gefordert, daß die Vertreter der Oppositionsgruppen tatsächlich auch ihre jeweilige Gruppe repräsentieren müßten. »Wir benennen unsere Delegation, sie benennen ihre«, so Mouallem. Damaskus stimme vorgezogenen Parlamentsneuwahlen zu und schlage ansonsten den 18-Punkte-Plan vor, den Präsident Baschar Al-Assad bei seiner letzten Rede am 6.Januar erläutert hatte. Ein Rücktritt von Assad vor dem Ende seiner Amtszeit 2014 sei unakzeptabel, die Rolle des Präsidenten werde nicht Gegenstand der Verhandlungen sein. Zudem habe Assad das Recht, bei den Neuwahlen im Frühjahr 2014 erneut zu kandidieren. Skeptisch äußerte sich Mouallem offenbar über die weitere Rolle des Syrien-Vermittlers Lakhdar Brahimi, der nach Ansicht von Damaskus die erforderliche Unparteilichkeit eines Vermittlers verloren habe.

Um Unterstützung für die politische Offensive der syrischen Regierung zu finden, ist Assads außenpolitische Beraterin zu einer Rundreise durch die BRICS-Staaten aufgebrochen. Erstes Ziel war Indien, weitere Stationen sind China, Rußland, Südafrika und Brasilien.

Die Initiative für eine politische Lösung in Syrien scheint zunehmend von Moskau und Washington übernommen zu werden, während die Golfstaaten und die Türkei weiterhin auf militärisches Eingreifen setzen. Während der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow mit seinem US-Kollegen William Burns in London zusammentraf, um weitere Möglichkeiten für einen Verhandlungsprozeß auszuloten, brüskierten die Golfstaaten mit dem Vorschlag, den Sitz Syriens in der Arabischen Liga der oppositionellen Nationalen Koalition zu überlassen. Katar, Saudi-Arabien und die Türkei verweigern jede Kooperation für eine Verhandlungslösung und unterstützen statt dessen die Bildung einer oppositionellen Regierung, die von der Nationalen Koalition nun für kommenden Dienstag in Istanbul vorgesehen ist. Die USA versuchen, die Koalition davon abzuhalten, weil eine Exilregierung einen Verhandlungsprozeß mit einer Übergangsregierung, wie in der Genfer Vereinbarung vorgesehen, torpedieren würde.

Die bewaffneten Kräfte setzen weiter auf den militärischen Sieg und lehnen Gespräche kategorisch ab. Die »Freie Syrische Armee« (FSA) fordert bessere Waffen. Das machte der Oberkommandierende des FSA-Militärrates, General Selim Idriss deutlich, als er am 6. März in Uniform bei einem Treffen im Europäischen Parlament erschien und die Aufhebung des EU-Waffenembargos forderte. Eingeladen worden war Idriss von der Allianz der liberalen Demokraten im EU-Parlament. Großbritannien hat inzwischen weitere 20 Millionen US-Dollar zusätzliche Hilfe für die Aufständischen versprochen.

Syrische Medien berichteten am Donnerstag über den Fund einer offenbar aus Israel stammenden Überwachungskamera, die an der Küste gefunden worden sei. Kamera und eine dazugehörige Satellitenschüssel seien von Felsattrappen verdeckt gewesen. Mit diesen Geräten seien vermutlich Fotos gemacht und Daten weitergeleitet worden.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete derweil über eine »Ausländer-Brigade« in Syrien, die von einem Tschetschenen mit dem Namen Omar Abu Al-Tschetschen geführt werden soll. In einem kürzlich aufgetauchten Video erklärte der fast vollständig in schwarz gekleidete Mann, ein islamischer Gottesstaat sei zum Greifen nahe, und er rief militante Muslime auf, sich dem Kampf gegen Assad anzuschließen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 9. März 2013


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