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Damaskus sieht Friedensplan positiv

Assad will Annans Konzept zustimmen, wenn sich auch die Opposition daran hält

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Am 5. Mai soll sich der UN-Sicherheitsrat erneut mit der Lage in Syrien befassen. Der französische Außenminister Alain Juppé will eine Resolution mit militärischem Einmarschrecht einfordern, sollten bis dahin die 300 UN-Beobachter nicht stationiert sein. Syrien wartet noch auf die Zusage, dass auch die Unterstützer der Opposition den Friedensplan einhalten.

Der Sechspunkteplan des Syrien-Sonderbeauftragten Kofi Annan wird von der Führung in Damaskus grundsätzlich positiv gesehen. Das geht aus einem Bericht der bekannten libanesischen Tageszeitung »Al Akhbar« hervor, der auf Gesprächen mit Quellen aus und nahe der syrischen Führung basiert. Regierungsvertreter erklärten, Damaskus erhalte durch die Sicherheitsratsresolutionen Autorität zurück, schreibt der politische Analyst von »Al Akhbar«, Nicolas Nassif, in seinem Bericht. Russland und China hätten eine »dicke rote Linie« um die syrische Führung gezogen, so Nassif.

Bei einem Besuch Annans in der syrischen Hauptstadt in den kommenden Tagen soll die endgültige Vereinbarung über die Beobachtermission unterzeichnet werden. Damaskus erwartet von Annan Garantien, dass die andere Konfliktseite sich ebenfalls an den Plan halten wird. Insbesondere müssten sich diejenigen verpflichten, die »hinter der bewaffneten Opposition stehen, sie finanzieren, bewaffnen und (den Kämpfern) sichere Schutzräume bieten«, schreibt Nassif. Nicht genannt, aber gemeint sind damit die USA, Saudi-Arabien und Katar sowie Frankreich und die Türkei.

Syrien betrachte das Protokoll mit der UN nicht als eine Neuauflage des Protokolls, das Ende letzten Jahres die Zusammenarbeit mit der Beobachtermission der Arabischen Liga geregelt hatte. Dieser Text sei außer Kraft gesetzt, nachdem die Mission abrupt abgebrochen worden war. Durch die beiden einstimmigen UN-Sicherheitsratsresolutionen 2042 und 2043 werde so eine Entwicklung aus syrischer Sicht verhindert. Syrien erkenne Kofi Annan nicht zuletzt deswegen als internationalen Beauftragten des UN-Sicherheitsrates an, weil dieser auch durch Russland legitimiert sei.

Damaskus geht davon aus, dass die Mission nicht länger als die vorgesehenen drei Monate dauern werde. Sofern sich alle Seiten an ihre Verpflichtungen hielten, sollte diese Frist ausreichen, um die Kämpfe zu beenden, die bewaffneten Kräfte abzuziehen und die Armee in die Kasernen zurückzubeordern. Damit wäre die Voraussetzung erfüllt, den Konflikt auf die politische Bühne zu bringen. Auf keinen Fall werde Damaskus zulassen, dass sich die internationalen Beobachter zwischen die reguläre Armee und Polizei auf der einen und die bewaffnete Opposition auf der anderen Seite stellten, hieß es aus Regierungsquellen.

Damaskus werde keinen »ausländischen Akteur« beim Dialog zwischen Führung und Opposition akzeptieren, auch nicht die Vereinten Nationen, so Nassif. Allerdings sehe Russland sich in einer Vermittlerrolle. Nahezu täglich gebe es Gespräche mit inner-syrischen Oppositionellen in Moskau. Bewaffnete Gruppen seien in Moskau unerwünscht. Syrien habe ebenso klar gemacht, dass UN-Beobachter aus dem Staatenkreis der »Freunde Syriens« nicht akzeptiert, hingegen aus Russland, China und Indien begrüßt würden. Auch Staaten, die ihre Botschafter aus Syrien abgezogen, die Botschaften geschlossen und sich an den Sanktionen beteiligt haben, sollten aus Sicht von Damaskus keine Rolle beim weiteren Prozess in Syrien spielen.

Entscheidend für die syrische Führung bleibe weiterhin die Zuverlässigkeit von Militär- und Sicherheitsinstitutionen. Diese garantierten die Lösung der Krise. Erst im Februar sei die Armee aus der Defensive zum Angriff übergegangen und habe der bewaffneten Opposition ihre Grenzen aufgezeigt. Das habe die Dynamik des bewaffneten Aufstands gebrochen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 30. April 2012


Weiter Gefechte in Syrien

Über 20 Tote **

Die Verstöße gegen die Waffenruhe in Syrien gehen weiter: Bei Gefechten zwischen der Armee und Oppositionellen sollen am Wochenende mindestens 24 Menschen getötet worden sein. Unbestätigten Berichten zufolge handelt es sich um zwölf Regimegegner, acht syrische Soldaten und vier Zivilisten. Täglich überschatten Nachrichten von Gewalt und Tod die vor gut zwei Wochen offiziell in Kraft getretene Waffenruhe.

Mindestens zehn Überläufer seien bei Kämpfen mit der Armee nahe der Hauptstadt Damaskus getötet worden, meldete die in London ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Nahe Aleppo seien drei Soldaten bei einem Rebellenangriff ums Leben gekommen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Auch nahe der Hafenstadt Latakia gab Gefechte. Aus der Hauptstadt berichteten Oppositionelle von mehreren Explosionen, nannten aber keine Details. Bei Anschlägen am Freitag waren mindestens elf Menschen getötet und 30 verletzt worden, hatten staatliche Medien gemeldet.

Unterdessen traf am Sonntag der neu ernannte Chef der UN-Beobachtermission, der Norweger Robert Mood, in Damaskus ein. Mit ihm steht ein erfahrener Militär an der Spitze der unbewaffneten Truppe. Er werde mit allen Syrern kooperieren, kündigte der Norweger in einer Stellungnahme an. Das sei der Schlüssel zum Erfolg. Syrische Regierungsgegner gehen dieser Tage mit Plakaten auf die Straße, auf denen es heißt: »Beobachtet die Mission die Feuerpause oder das Feuer?«

Derweil stoppte die libanesische Marine einen Frachter, der eine rund 150 Tonnen schwere Waffenlieferung für die Regierungsgegner in Syrien geladen hatte. Die »Lutfallah II« sei bereits am Freitag aufgehalten worden. Nach Medienberichten war das Schiff in Libyen beladen worden. Die syrischen Behörden hatten wiederholt erklärt, dass Waffen vom Libanon aus an die syrische Protestbewegung geschmuggelt würden. Am Samstag schrieb die Regierungszeitung »Tischrin«, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vermeide es, die Gewalttaten der »bewaffneten Banden« zu thematisieren und mache allein die syrische Regierung verantwortlich. Damit ermutige er diese Gruppen, weitere »Terrorakte« zu begehen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 30. April 2012


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