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Anschlag auf Armee

Bombenattentat auf Hauptquartier der Syrischen Streitkräfte. Iranischer Journalist von Scharfschützen erschossen

Von Karin Leukefeld *

Ein mit Sprengstoff gefülltes Fahrzeug und ein weiterer Sprengsatz sind am Mittwoch morgen gegen 7 Uhr in Damaskus vor dem Hauptquartier der Syrischen Streitkräfte und vermutlich auch auf dem Gelände selbst explodiert. Nach Angaben militärischer Quellen seien einige der wachhabenden Soldaten verletzt worden, in einigen Gebäuden brach ein Feuer aus, eine weithin sichtbare Rauchsäule war zu sehen. Sicherheitskräfte riegelten das Gelände ab.

Das Hauptquartier der Streitkräfte liegt am zentralen Ommayyaden-Platz und grenzt an mehrere Wohnviertel. Unmittelbar nach den Explosionen war Anwohnern zufolge heftiges Gewehrfeuer zu hören. Die Nachrichtenagentur AP berichtet von »stundenlangen« Gefechten. Alle Militärkommandeure und Offiziere, die sich im Gebäude befunden hätten, seien in Sicherheit und unverletzt, hieß es aus einer Armeequelle. Sicherheitskräfte nahmen die Verfolgung der bewaffneten Aufständischen auf.

Während er über die Lage nach den Anschlägen berichtete, wurde Maya Nasser, der Korrespondent des englischsprachigen iranischen Nachrichtensenders Press TV von Scharfschützen erschossen. Hussein Murtada, der Leiter des Damaskusstudios des arabischsprachigen iranischen Senders Al-Alam, wurde in den Rücken geschossen.

Informationsminister Oumran Al-Zoubi sprach im syrischen Fernsehen von einer »brutalen Aggression« gegen das Land. »Das syrische Volk und seine Streitkräfte haben keine andere Wahl, als ihre Heimat zu verteidigen.« Erneut rief er zu einem Dialog auf – allerdings nicht »mit den ausländischen Feinden Syriens oder denjenigen, die sich mit dem Ausland gegen Syrien verschworen haben«. Alle, denen das Wohl Syriens wichtig sei, sollten »an den Dialogtisch kommen«, sagte Zoubi. Die »Themen für die Diskussion sind offen«.

Kurz nach dem Anschlag übernahm ein Sprecher der »Freien Syrischen Armee« die Verantwortung für den Anschlag. Dem Nachrichtensender Al-Dschasira sagte er, Dutzende Personen seien getötet worden. Die in London ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete unter Berufung auf namentlich nicht genannte »Quellen« von Kämpfen auf dem Gelände.

Unterdessen war der Syrien-Konflikt erneut Thema bei der 67. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. US-Präsident Barack Obama beschuldigte Präsident Baschar Al-Assad, sein Volk zu »massakrieren«, und forderte weitere »Sanktionen und Konsequenzen« gegen Syrien. Wenn es einen Grund heute in der Welt gäbe zu protestieren, dann gegen »ein Regime, das Kinder foltert und Raketen in Wohngebäude schießt«, sagte Obama. Wer eine »andere Vision für Syrien« habe, könne mit der Unterstützung der USA rechnen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte derweil ein Stopp von Waffenlieferungen sowohl für die Regierung als auch für die Aufständischen. Der französische Präsident François Hollande rief die Opposition dazu auf, sich zu vereinen und eine Exilregierung zu bilden. Die werde Frankreich »sofort anerkennen«.

Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalife Al-Thani, erklärte, angesichts des Versagens des UN-Sicherheitsrates sollten arabische Staaten in Syrien eingreifen. Das sei eine »nationale, humanitäre, politische und militärische Pflicht«. Eine solche Initiative unter Umgehung des UN-Sicherheitsrates könnte einen »friedlichen Machtwechsel in Syrien« erzwingen. Katar unterstützt genau wie wie Saudi-Arabien und die Türkei die syrischen Aufständischen finanziell und militärisch.

Der ägyptische Präsident Mohamed Mursi lehnte im Interview mit Al-Dschasira eine militärische Intervention arabischer Staaten in Syrien ab. Mursi brachte mit den Außenministern der Türkei, Irans, Saudi-Arabiens und Ägyptens kürzlich erstmals ein regionales Quartett jener Staaten in Kairo zusammen, die in den Stellvertreterkrieg in Syrien verwickelt sind. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadineschad schlug in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP seinerseits eine Vermittlungsgruppe aus zehn oder elf Staaten vor, um den Konflikt in Syrien zu beenden. Er hoffe auf ein entsprechendes Treffen in New York in »naher Zukunft«, sagte er am Rande der UN-Generalversammlung am Dienstag.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. September 2012


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