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Syriens Atomgeheimnis weiter im Nebel

Von Andrej Murtasin, RIA Novosti *

Neben Irans Atomdossier machte vergangene Woche noch „Syriens Atomgeheimnis“ bei der Tagung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) von sich reden.

Die Ansprüche der IAEO gelten dem „mysteriösen Objekt“ Al-Kibar, das im September 2007 von israelischen Kampfjets zerstört wurde. Die IAEO-Experten hatten Uranteilchen in den Trümmern entdeckt. Die Syrer erwiderten, dass ein leeres Grundstück, das einer arabischen Landwirtschaftskooperation in der Provinz Dair az-Zaur gehörte, bombardiert worden sei und die Uranteilchen von den israelischen Raketen stammten.

Syriens Argumente überzeugten die IAEO offenbar nicht. Die Bitte aus Wien, eine neue Expertengruppe zu dem verdächtigen Objekt zu lassen, schlug Damaskus aus.

Israel behauptet, Al-Kibar sei eine Nuklearanlage gewesen, die die Syrer mit Hilfe aus Nordkorea bauten und vor der IAEO geheim hielten. Niemand hat das bisher bewiesen, aber auch nicht widerlegt. Es ist aber bemerkenswert, dass Syrien nach dem Luftangriff nicht sofort Alarm schlug und eine Strafe für den Aggressor forderte.

Stattdessen machten Baumaschinen alle Gebäude auf dem geheimnisumwitterten Gelände platt. Erst einige Wochen später gab Syrien eine offizielle Erklärung über den israelischen Luftangriff ab. Noch eine Tatsache, die gegen Syrien spricht: Als die IAEO zehn Monate später Fragen bezüglich des geheimnisvollen Objekts stellte, ermordete ein Scharfschütze in der syrischen Stadt Tartus General Mohammed Suleiman, der nach Angaben der US-Nachrichtendienste für das syrische Nuklearprogramm verantwortlich war.

Doch das ist alles. Somit ist die Art, wie Syrien auf Verdächtigungen und Beschuldigungen antwortet, gegenwärtig sein größtes Problem. Es sagt und tut ungefähr dasselbe, wie Iran in ähnlichen Situationen.

Iran stand bei der IAEO-Tagung auch auf der Tagesordnung, es wurde aber nichts Neues offenbart. Am 3. März haben die internationalen Vermittler China, Frankreich, Deutschland, Russland, Großbritannien und die USA bei der Tagung des IAEO-Gouverneursrats in Wien Iran wieder zur vollständigen Zusammenarbeit in allen Streitfragen zum Nuklearprogramm aufgefordert. Teheran antwortete in gewohnter Manier, dass die Handlungen der Vermittler der Kooperation Irans mit der Atombehörde nur schaden könnten.

Auch das erste offizielle Treffen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seiner neuen US-Amtskollegin Hillary Clinton in Genf brachte keine Sensationen hervor. Lawrow sagte, dass der Nahe Osten von allen Atomwaffen und später von allen anderen Massenvernichtungswaffen befreit werden solle.

Beide Seiten zeigten sich über die militärische Komponente des iranischen Nuklearprogramms besorgt, wobei die alten Differenzen abermals zu Tage kamen. Die USA wenden sich gegen jegliche Nuklearprogramme Irans, wogegen Russland nur gegen den militärischen Aspekt, jedoch nicht gegen die friedliche Kernenergie ist.

Vor zwei Wochen hatte der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Vizepräsident Gholamreza Agazadeh darauf hingewiesen, dass Iran im Laufe von fünf Jahren 50 000 Zentrifugen im Urananreicherungswerk in Natans installieren wolle.

Russland stellt dazu dieselbe durchaus begründete Frage wie die USA, Europa und Israel: Wozu, wenn Russland sich verpflichtet, Kernbrennstoffe für das Kraftwerk in Bushehr zu liefern und die abgenutzten Kernbrennstäbe abzuholen?

Iran antwortet, dass es die atomare Zukunft des Landes sichern wolle, um vom Westen (und wahrscheinlich auch von Russland) nicht abhängig zu sein. Die Zentrifugen machen „Irans Geheimnis“ aus, das stark an das Syriens erinnert.

Das iranische Nuklearprogramm würde bei der internationalen Gemeinschaft nicht so viele Fragen hervorrufen, wenn sich Teheran nicht ständig in militärischer Rhetorik und Drohungen gegen Israel, die USA und einige arabische Staaten ergehen würde. Dabei versucht die Islamische Republik, Moskau zum Garanten seiner nuklearen und politischen Sicherheit zu machen.

Es ist kein Zufall, dass der jüngste Besuch des Chefs des russischen Atomkonzerns Rosatom, Sergej Kirijenko, in Bushehr in denselben Tagen stattfand, als der iranische Verteidigungsminister Mostafa Mohammed Nadschar in Moskau weilte. Das Ziel des Besuchs, das die Diplomaten verhüllten und die iranischen Medien herausposaunten, waren Verhandlungen über die Lieferung von russischen S-300-Fla-Raketenkomplexen, mit denen Iran seine Nuklearobjekte gegen israelische Raketen und Flugzeuge verteidigen will.

Der Liefervertrag wurde schon vor zwei Jahren in erster Lesung unterzeichnet, doch Moskau beeilt sich nicht damit, ihm nachzukommen. Damit gibt es dem Drängen der USA und Israels nach und behält einen Druckhebel gegen das „Ayatollah-Regime“. Es ist auch nicht zu vergessen, dass der UN-Sicherheitsrat nur wegen Russland keine scharfen Sanktionen gegen Iran verhängt und die israelischen Bomber das Atomkraftwerk Bushehr nicht zu einen Trümmerhaufen gemacht haben.

Russland baut in Syrien keine Atomkraftwerke, verkauft aber Waffen an das Land. Gleichzeitig zeigt die neue US-Administration Interesse an Damaskus und will ein neues Kapitel im Dialog zwischen den beiden Staaten aufschlagen.

Die USA und Syrien haben erstmals seit 2005 wieder direkten Dialog aufgenommen. Zwei Gesandte aus Washington besuchten Damaskus. Es waren der Berater der Außenministerin, Jeffrey Feltman, und einer der Direktoren des nationalen Sicherheitsrats, Daniel Shapiro. Die syrische Nachrichtenagentur SANA meldete, dass die Seiten beim Gespräch mit dem Außenminister Walid Muallem eine Einigung über die Fortsetzung des Dialogs erzielt hätten.

Einzelheiten über die Gespräche wurden jedoch nicht bekannt gegeben, doch es ist klar, dass die Amerikaner Irans Einfluss auf Syrien beenden wollen. Wenn es ihnen gelingt, kann es sein, dass die IAEO ihre Ansprüche an Syrien aufgibt. Iran könnte übrigens einen ähnlichen Weg einschlagen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11. März 2009


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