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Druck auf Syrien

IAEA beschuldigt Damaskus des illegalen Baus eines Atomreaktors

Von Karin Leukefeld *

Syrien soll einen Atomreaktor gebaut haben, ohne diesen bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) angemeldet zu haben. Das soll in einem neunseitigen, nicht öffentlichen Bericht der Agentur stehen. Die Meldung wurde von der Nachrichtenagentur AFP verbreitet, die angab, eine Kopie des Berichtes zugespielt bekommen zu haben.

Bei der angeblichen Atomanlage handelt es sich um ein Gebäude nahe der ostsyrischen Stadt Deir Ezzor, das im September 2007 von der israelischen Luftwaffe zerstört worden war. Der nicht angekündigte Angriff stellt einen Verstoß gegen das internationale Völkerrecht dar, wurde aber nie geahndet.

Israel und US-Geheimdienstquellen beschuldigen Syrien seit Jahren, mit Hilfe von Nordkorea Atomwaffen zu entwickeln. Syrien weist den Vorwurf zurück. Im Juni 2008 untersuchten Inspektoren der IAEA das zerstörte Gelände bei Deir Ezzor und eine Forschungsanlage in der Nähe von Damaskus. Die britische BBC zitierte 2009 aus einem vertraulichen IAEA-Bericht, die Inspektoren hätten bei der Kontrolle des Versuchsreaktors (Damaskus) Spuren von durch Menschenhand hergestelltem Uran gefunden, das nicht zu dem von Syrien deklarierten nuklearen Material gehöre. Ende 2010 forderte IAEA-Chef Yukiya Amano erneut die Einreise und Kontrollen von IAEA-Inspektoren. Damaskus lehnte ab mit der Begründung, eine weitere Untersuchung in Deir Ezzor sei nicht erforderlich, da es sich bei dem zerstörten Gebäude um eine nichtnukleare militärische Anlage gehandelt habe.

In dem erwähnten Bericht der IAEA übernimmt die Behörde laut AFP nun die Darstellung Israels und US-amerikanischer Geheimdienste über die Baustelle im syrischen Wüstensand. Aller Wahrscheinlichkeit nach habe es sich um einen Reaktor nach nordkoreanischer Bauart gehandelt, den Syrien hätte anmelden müssen, so AFP. Da Syrien dies nicht getan habe und die Zusammenarbeit verweigere, könnte der Fall nun an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet werden. Dort wiederum könnten weitere Sanktionen gegen Syrien beschlossen werden.

Die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar berichtete derweil, daß Syrien offenbar »Angebote« regionaler und internationaler Diplomaten zurückgewiesen habe. Danach sollte der Druck auf Syrien zurückgenommen werden, wenn Syrien sich politisch den westlichen Strategien in der Region unterordne. Dazu gehört der Bruch der langjährigen strategischen Beziehungen mit Iran sowie ein Ende der Unterstützung für Hamas und Hisbollah. Der westliche Druck auf Syrien habe wenig mit der Forderung nach politischen Reformen zu tun, wie sie von der Regierung eingeleitet wurden und von weiten Teilen der syrischen Bevölkerung gefordert und erwartet werden, schlußfolgert Al-Akhbar. Tatsächlich gehe es darum, daß Syrien hinsichtlich des arabisch-israelischen Konflikts einlenken, Gespräche mit Israel aufnehmen und bisherige Forderungen aufgeben solle. Syrien beharrt auf der Rückgabe der von Israel besetzten und annektierten Golan-Höhen. Die Forderung entspricht UN-Resolutionen und dem Völkerrecht.

Anläßlich des 11. Jahrestages des Rückzugs israelischer Truppen aus dem Südlibanon rief der Führer der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, zur Unterstützung für Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad auf. Alle Syrer sollten sich für den Erhalt ihres Landes und des Regimes einsetzen, so Nasrallah, es sei ein »Regime des Widerstandes«, das »eine Chance verdient, mit allen gesellschaftlichen Gruppen zusammenzuarbeiten, um die notwendigen Reformen umzusetzen«. Im Unterschied zu anderen arabischen Aufständen sei Assad ein Präsident, »der von der Notwendigkeit der Reformen überzeugt ist«, so Nasrallah.

Der im ägyptischen Exil lebende syrische Regierungsgegner Thaer Al-Nashef kündigte in der arabischen Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat an, daß syrische Oppositionsgruppen sich Ende Mai in der Türkei treffen wollen, um über Syrien »nach dem Sturz des Regimes« zu beraten. Dabei soll ein politischer Übergangsrat bestimmt werden, der sich dem Westen als Alternative zur Regierung von Assad anbieten will. Außerdem soll ein Komitee gebildet werden, das für Gespräche und Verhandlungen mit potentiellen internationalen Geldgebern bereitstehen soll.

* Aus: junge Welt, 27. Mai 2011


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