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Bitte um Bombenhilfe

Nach dem Fall der Widerstandshochburg Baba Amr in Homs: Berichte über Unterstützung der Aufständischen durch Frankreich. US-Senator fordert Militärintervention

Von Rainer Rupp *

Einen Monat lang hat der erbitterte Widerstand im Stadtteil Baba Amr in Homs gegen die syrische Armee angehalten. Berichten des französischen Internetportals voltairenet.org zufolge sollen die Aufständischen auch moderne Waffen wie die MILAN-Panzerabwehrrakete eingesetzt haben. Diese Lenkwaffe aus deutsch-französischer Produktion soll aus den Beständen des Golfemirats Katar stammen, das sich gemeinsam mit Saudi-Arabien in der Arabischen Liga für Waffenlieferungen an die Gegner des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad stark macht. Unter Berufung auf »sehr verläßliche«, offizielle Quellen in Paris berichtet voltairenet.org auch, daß Elitesoldaten des französischen Geheimdienstes den Aufständischen in Baba Amr, ähnlich wie im vergangenen Jahr in Libyen, mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätten, u.a. bei der Handhabung und dem taktischen Einsatz der MILAN. Das würde erklären, weshalb die Kämpfe dort so lange gedauert haben und für beide Seiten so verlustreich waren.

Die konservative britische Tageszeitung The Telegraph meldete am Montag (5. März) , daß in Homs »dreizehn französische Offiziere von syrischen Regierungssoldaten gefangengenommen« wurden. Der Bericht geht zurück auf Recherchen des libanesischen Daily Star. Damaskus hüllte sich in Schweigen. Laut voltairenet.org will die syrische Regierung die Sache ohne Öffentlichkeit regeln, um auf diese Weise ein Maximum an Konzessionen von Präsident Nicolas Sarkozy zu erhalten, der kurz vor der Wahl steht. Von Paris werden derweil alle diesbezüglichen Berichte dementiert.

Mit dem Fall des Stadtviertels Baba Amr, der Hochburg des Aufstandes gegen die Assad-Regierung, scheint das Rückgrat der »Freien Syrischen Armee« (FSA), in der sich schwerbewaffnete Islamisten aus Syrien und anderen arabischen Staaten neben Deserteuren und westlichen Beratern tummeln, gebrochen. Vergleichbare Widerstandszentren wie Baba Amr, wo die FSA auch die Unterstützung großer Teile der lokalen Bevölkerung hatte, gibt es nicht. Westliche Politiker sehen denn auch die Möglichkeiten für einen Regimewechsel in Damaskus dahinschwinden.

Auch der US-Nachrichtensender CNN sieht für den Regimewechsel in Damaskus mittlerweile schwarz. Schuld daran sei die Administration von Präsident Barack Obama. CNN listete am vergangenen Freitag (2. März) »sechs schwere Fehler« auf und erklärte, weshalb Washington nun nur noch »wenig Spielraum« habe. Erstens sei Obama »in der Beurteilung der Überlebenschancen von Assad vielleicht doch zu naiv und zu optimistisch« gewesen. Zweitens habe sich die US-Administration mit ihrer offen gezeigten Abneigung gegen die Umsetzung der von ihr geäußerten Drohungen ihre eigenen diplomatischen Möglichkeiten verbaut. Drittens habe US-Außenministerin Hillary Clinton nach den blutigen Bombenanschlägen auf Zivilisten in Damaskus und Aleppo die syrische Opposition »mit Schmutz beworfen«, als sie die Frage stellte, ob US-Hilfe für die syrische Opposition nicht auch Hilfe für Al-Qaida und Hamas bedeute, die ebenfalls mit den Regierungsgegnern zusammenarbeiten. Besonders negativ bewertete CNN die Unfähigkeit der Obama-Regierung, »die Stützpfeiler des Assad-Regimes … Iran und Rußland« davon zu überzeugen, »daß ein neues Syrien ohne Assad auch für sie besser wäre«. Und (fünftens): Selbst wenn »die Russen niemals Assad fallenlassen, was ist mit den Chinesen«, fragte der Sender. Aber Washington habe kaum Anstrengungen gemacht, Peking für die syrische Opposition zu gewinnen. Zu guter Letzt wird Obama vorgehalten, gegenüber der Führung der Freien Syrischen Armee zu zurückhaltend gewesen zu sein und statt dessen den zivilen Syrischen Nationalrat unterstützt zu haben. Dabei sei es höchst zweifelhaft, ob der aus total zerstrittenen Exilanten bestehende Nationalrat tatsächlich die Syrer vor Ort repräsentiert. Jetzt, nachdem Homs gefallen ist, gebe es für Obamas Syrien-Politik keine guten Optionen mehr, nur schlechte und noch schlechtere.

Um noch zu retten, was zu retten ist, forderte der einflußreiche US-Senator John McCain am Montag, einen sofortigen Bombenkrieg gegen Syrien. Das sei der »einzig verbleibende, realistische Weg«, um der FSA zu helfen.

* Aus: junge Welt, 7. März 2012


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