Rückgrat zeigen
Syriens Präsident auf Lateinamerikatour. Assad und Lula weisen neue Sanktionen gegen Iran zurück
Von Karin Leukefeld *
Auf einer einwöchigen Lateinamerikareise besucht der syrische Präsident
Bashar Al-Assad mit Venezuela, Kuba, Brasilien und Argentinien nicht nur
politische Partner, sondern auch Staaten mit großen syrischen Gemeinden,
deren Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.
Auftakt der Reise war am vergangenen Wochenende Venezuela, wo etwa eine
Million Syrer lebt. Nach Gesprächen mit Präsident Hugo Chávez
verurteilten beide Politiker das Vorgehen des »Apartheidstaates Israel«
gegen die Palästinenser und gegen die Schiffe der »Free-Gaza«-Flottille.
Nur wenige Politiker setzten sich heute noch für eine gerechte Sache ein
und wagten es, auch einmal »nein« zu sagen, äußerte Assad, der Venezuela
als »Symbol des Widerstandes« bezeichnete. Chávez betonte, Syrien und
Venezuela kämpften gemeinsam gegen die »Hegemonie von Imperialismus und
Kapitalismus« in der Welt. Vereinbart wurde eine engere Zusammenarbeit
beider Länder in den Bereichen der Textil- und Ölindustrie, Tourismus
und Wissenschaft. Ende des Jahres soll eine gemeinsame Olivenölfabrik in
Syrien in Betrieb gehen.
In Havanna traf Assad anschließend mit Präsident Raul Castro zusammen.
Syrien lehne die US-Sanktionen gegen Kuba ab, die seit 50 Jahren in
Kraft sind. Castro betonte die Solidarität Kubas mit den Palästinensern
und forderte die vollständige Rückgabe der Golanhöhen an Syrien. Beide
unterzeichneten ein Abkommen zur Bekämpfung illegalen Drogenhandels,
außerdem wollen Syrien und Kuba in Zukunft enger in den Bereichen
Landwirtschaft und Medien zusammenarbeiten.
Dritte Station der Reise war am Mittwoch Brasilien, wo Assad und
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei einer Reihe von Treffen die
Bedeutung der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen unterstrichen,
die sich in den letzten zwei Jahren erheblich verstärkt haben. Als Motor
für die Zusammenarbeit hoben die Staatschefs die etwa drei Millionen
Syrer in Brasilien hervor, die als Brücke zwischen den beiden Staaten
fungierten. Neben Abkommen zu Gesundheitswesen, Landwirtschaft und
Justiz ging es auch um eine Einbeziehung Syriens in die Freihandelszone
des südamerikanischen MERCOSUR-Blocks (Argentinien, Brasilien, Paraguay,
Uruguay). Beide Politiker forderten eine Reform der Vereinten Nationen
und des Sicherheitsrates. Assad sagte die Unterstützung Syriens für
Brasilien zu, das einen festen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstrebt. Die
neuen UN-Sanktionen gegen Iran wiesen beide Präsidenten zurück. Das von
Brasilien und der Türkei mit Iran vereinbarte Uranaustauschverfahren sei
ein Beweis, daß Teheran keine militärischen Absichten mit seinem
Atomprogramm verfolgt, so Assad. Daß der UN-Sicherheitsrat dennoch neue
Sanktionen gegen das Land verhängt habe, bezeichnete Lula als
»befremdlich und unverständlich«. Letzte Station der Reise war am
Donnerstag Argentinien, wo rund 2,5 Millionen Syrer leben.
Die Intensivierung der Beziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten
ist Teil der außenpolitischen Strategie Assads, um die politische und
wirtschaftliche Isolation seines Landes durch USA und die Europäische
Union zu durchbrechen. Regional kooperiert Syrien eng mit der Türkei und
dem Iran, verbesserte Beziehungen zu Saudi-Arabien sowie gute Kontakte
zu Rußland und China sind nicht nur wirtschaftlich von Bedeutung. Mit
der Wahl seiner Partner in Lateinamerika zeigt Assad strategisches
Gespür und gleichzeitig Rückgrat gegen den anhaltenden Druck aus Europa
und den USA. Deren Politik von »Dialog und Engagement« dienen aus
syrischer Sicht vor allem dem Ziel, Syrien aus seiner strategischen
Partnerschaft mit Iran, Hamas und Hisbollah zu lösen.
* Aus: junge Welt, 2. Juli 2010
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