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Düstere Lage

UN-Sonderbeauftragter für Syrien sieht keine rasche Lösung des Konflikts. Proteste in jordanischem Flüchtlingslager

Von Karin Leukefeld *

Zu Beginn der UN-Generalversammlung in New York hat der Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi, sich vorsichtig optimistisch geäußert. Obwohl die Lage »sehr düster« sei, gäbe es Anzeichen für eine Lösung. Der frühere algerische Außenminister soll im Auftrag der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga zwischen der Regierung, bewaffneten Aufständischen und der politischen Opposition in Syrien vermitteln; vor einer Woche hatte er in Damaskus mit Präsident Baschar Al-Assad, Vertretern der politischen Opposition und – telefonisch – mit einem Kommandeur der »Freien Syrischen Armee« gesprochen.

Brahimi hatte dem UN-Sicherheitsrat am Montag in New York in einer nicht öffentlichen Sitzung seine Einschätzung vorgetragen, anschließend äußerte er sich vor Journalisten. »Es gibt keine Aussicht, daß sich heute oder morgen etwas bewegt«, so der Sonderbeauftragte. Da er aber nun »etwas mehr darüber herausgefunden« habe, »was im Land und in der Region geschieht, glaube ich, daß wir in nicht allzu ferner Zukunft einen Durchbruch finden können«. Er habe noch keinen »vollständigen Plan«, wie mit dem Konflikt umzugehen sei, werde aber rasch nach Syrien zurückkehren. »Vernünftig denkende Menschen wissen«, daß es »kein Zurück zum Syrien der Vergangenheit« geben könne.

Zum anhaltenden Konflikt im Sicherheitsrat, wie mit Syrien umzugehen sei, äußerte Brahimi sich diplomatisch. Er sei »ermutigt« durch das Interesse der Sicherheitsratsmitglieder an der Lage in Syrien und ihre Unterstützung für seine Mission. Wichtig sei, daß Sicherheitsrat und Arabische Liga gemeinsam handeln müßten.

Die USA und ihre Verbündeten im Rat machen Rußland und China für die Uneinigkeit verantwortlich. Außenminister Guido Westerwelle forderte erneut beide Staaten zur Aufgabe ihrer »Blockade« auf. Die USA wollen eine »robuste Resolution« gemäß Artikel 7 der UN-Charta im Sicherheitsrat durchsetzen. Das bedeutet international bindende Sanktionen gegen das Entwicklungsland und möglicherweise auch eine militärische Intervention.

Moskau und China fordern derweil, daß der Westen sich an das im Sicherheitsrat bereits gemeinsam vereinbarte Vorgehen halten müsse. Dazu gehören eine aktive Unterstützung des Sechs-Punkte-Plans von Kofi Annan, der einstimmig angenommen worden war, sowie die Umsetzung des Genfer Abkommens über eine Übergangsregierung in Syrien. Die USA und ihre Verbündeten hatten sich geweigert, die Ende Juni in Genf getroffene Vereinbarung der Außenminister der Veto-Staaten als Ratsbeschluß zu übernehmen.

Es sei offensichtlich, daß die Lage im Land sich verschlechtere und die Gewalt eine ernsthafte Gefahr für Frieden und Sicherheit in der ganzen Region darstelle, sagte Brahimi weiter. Gleichwohl forderte er Geduld ein: »Vergessen Sie bitte nicht, daß ich erst vor drei Wochen diese Mission begonnen habe.«

Die Lage syrischer Flüchtlinge wird indes schwieriger. Die Türkei plant, Flüchtlinge aus der Provinz Hatay ins Landesinnere umzusiedeln, weil man Spannungen zwischen den Einwohnern und Flüchtlingen befürchtet. Viele Syrer leben nicht in den Lagern, sondern haben sich Wohnungen gemietet, was nun offiziell untersagt wurde. Die heutige Provinz Hatay gehörte früher als Provinz Alexandrette zu Syrien und wurde von der französischen Mandatsmacht 1938 der Türkei überlassen. Zwischen der dort lebenden arabischen Bevölkerung, darunter viele Alawiten, und Syrien bestehen bis heute enge familiäre und politische Bindungen.

In Jordanien kam es am Montag zu wütenden Protesten von etwa 1000 syrischen Flüchtlingen, die der jordanische Staat in ein Wüstenlager im Nordwesten des Landes umgesiedelt hatte. Nach Angaben von Hilfsorganisationen leben in dem Lager mehr als 30000 Menschen. Die Proteste richteten sich gegen die schlechten Lebensbedingungen, sagte Zayed Hammad, Leiter der islamischen Hilfsorganisation »Ketab und Sunna Gesellschaft«, der Nachrichtenagentur AFP. Es mangele an Wasser, die Flüchtlinge dürften das Lager nicht verlassen. Die Demonstranten forderten, nach Syrien zurückkehren zu können und hätten mindestens ein Zelt in Brand gesteckt, so Hammad. Büros der jordanischen Haschemitischen Hilfsorganisation und ein marokkanisches Feldkrankenhaus seien verwüstet worden. Einheiten der jordanischen Aufstandsbekämpfungspolizei hätten Tränengas und Schlagstöcke gegen die Demonstranten eingesetzt. Bereits im August war es in dem Lager mehrfach zu Protesten gekommen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. September 2012

Despite ‘very grim’ situation in Syria, UN-Arab League envoy sees glimmer of hope

24 September 2012 – The Joint Special Representative of the United Nations and the League of Arab States on the Syrian crisis, Lakhdar Brahimi, today announced that while the situation in Syria continues to be “very grim,” a solution may be forthcoming.

“There is no prospect for moving forward today or tomorrow,” Mr. Brahimi told journalists following a briefing of the Security Council on the issue. “But I also told the Council that, paradoxically, now that I have found out a little more about what is happening in the country and the region, I think that we will find an opening in the not-to-distant future.”

More than 18,000 people, mostly civilians, have died since the uprising against President al-Assad began in March 2011. In addition, more than 260,000 Syrians have fled to neighbouring countries and an estimated 2.5 million are in urgent need of humanitarian assistance.

Mr. Brahimi recently returned from his trip to the Middle East where he met with President al-Assad to discuss the crisis. He then visited refugee camps in Turkey and Jordan, where he heard first-hand accounts of the struggles facing those who fled the conflict in their homeland.

On Saturday, upon his return from the region, the Joint Special Representative met with Secretary-General Ban Ki-moon to address the violence in Syria and on how to progress towards an inclusive political solution that will address the legitimate demands of the Syrian people

In his press encounter today, Mr. Brahimi acknowledged that while he did not have “a full plan” as of yet on how to tackle the escalating conflict, he planned on returning to Syria soon.

“I’m returning to the region and I have agreed with the Council that I will come back here as soon as I can with more ideas on how we can move forward,” Mr. Brahimi continued. “I refuse to believe that reasonable people do not see that you cannot go backward; that you cannot go back to the Syria of the past.”

Turning his attention to the Security Council’s ongoing deadlock – due to differences over how to proceed, the Council has so far been unable to unite and take collective action to put an end to the crisis – Mr. Brahimi said he was encouraged by the Council members’ interest in the situation and their “generous support” to his mission. He also called on both the Council and the League of Arab States to remain united in their position.

“I said that if I do not represent the entire Council, I’m nothing,” Mr. Brahimi stated. “I need to be seen to represent a united Council and united League of Arab States.”

Addressing the press stakeout, Ambassador Peter Wittig of Germany, which holds the Council’s rotating presidency for this month, said the Council welcomed the opportunity to discuss the situation in Syria with Mr. Brahimi and that the Council members expressed grave concern about the ongoing violence in the country and its humanitarian impact. Furthermore, he reaffirmed the Council’s “full and strong support” for the UN envoy’s mission.

For his part, Mr. Brahimi noted that there was “no disagreement anywhere” that the situation in Syria was getting worse and that the violence had turned into a threat to regional peace and security. Nevertheless, he urged patience. “Please don’t forget that I started just three weeks ago,” he noted.

Source: UN News Centre, 24 September 2012; www.un.org




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