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Brahimi glaubt weiter an Friedenslösung

Übergangsplan sieht weniger Macht für Präsident Assad und Verzicht auf neuerliche Kandidatur vor. Auslandsopposition beharrt auf Rücktritt

Von Karin Leukefeld *

Der Sondervermittler der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, hält weiter an einer friedlichen Lösung für Syrien fest. Nach Gesprächen mit Präsident Baschar Al-Assad und Vertretern der innersyrischen Opposition in Damaskus zum Jahresende war der Spitzendiplomat überraschend nach Moskau gereist, um den Plan mit dem russischen Außenminister Sergeij Lawrow zu erörtern. Anschließend reiste Brahimi nach Kairo, wo er mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Al-Arabi, zusammentraf. Bei Pressekonferenzen in Damaskus, Moskau und Kairo zeigte sich Brahimi überzeugt, daß eine friedliche Lösung die Mitarbeit aller Akteure voraussetze. Die Lage im Land werde täglich schlechter, ohne eine politische Lösung würden Syrien und die gesamte Region »in der Hölle« landen. Brahimi setzt weiter auf das Genfer Abkommen, auf das sich Rußland und die USA sowie die anderen Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat – Frankreich, Großbritannien und China – bereits Ende Juni 2012 in Genf geeinigt hatten.

Zum Jahresende traten der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Ahmed Mouaz Al-Khatib, der Vorsitzende der syrischen Nationalen Koalition und der bewaffneten Opposition, demonstrativ gemeinsam in einem Flüchtlingslager im türkisch-syrischen Grenzgebiet auf. »Ich kann klar sehen, daß die Hilfe Gottes nah ist«, sagte Erdogan zu den Flüchtlingen. Sowohl der türkischer Premier als auch Al-Khatib wiesen die Vorschläge Brahimis zurück. Verhandlungen über eine Übergangsregierung seien frühestens nach dem Sturz Assads möglich.

Die libanesische Tageszeitung As-Safir veröffentlichte derweil Einzelheiten des Brahimi-Plans. Der Vermittler habe »äußersten Wert« darauf gelegt, daß keiner seiner konkreten Vorschläge mißverstanden werden konnte, heißt es. Assad habe Brahimi an ein Regierungskomitee verwiesen, das den Vorschlag prüfe. Aus Kreisen der innersyrischen Opposition des Nationalen Koordinationsrates für demokratischen Wandel (NCC) verlautete, daß Brahimi nicht über Einzelheiten einer Übergangsregierung gesprochen habe, um das Gespräch mit der syrischen Führung nicht von vornherein zu belasten. Daher habe er die Rolle des Präsidenten und dessen Machtbefugnisse ebensowenig erörtert, wie die Frage eines Rücktritts. Letztlich müsse es zu einer Verständigung zwischen den USA und Rußland kommen, um eine dynamische diplomatische Atmosphäre zu erreichen, auf die Brahimi angewiesen sei.

Die Amtszeit von Präsident Assad läuft 2014 aus. Laut As-Safir soll Assad sich vorbehalten haben, erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. Seitens der Auslandsopposition wird das kategorisch abgelehnt. Nach deren Vorstellung soll eine Übergangsregierung das Recht haben, sowohl eine neue Verfassung zu schreiben als auch Militär- und Sicherheitskräfte neu zu strukturieren. Das wiederum wird von der politischen und militärischen Führung Syriens abgelehnt.

Laut dem inoffiziellen syrischen Webportal Damaskus Nachrichtennetzwerk (DNN) soll Brahimi vorgeschlagen haben, daß die Türkei, Katar und Saudi-Arabien einen Waffenstillstand in Syrien garantieren sollten. Die – von den USA und Syrien als Terrorgruppe eingestufte – »Jabhat Al-Nusra-Front« sei davon ausgeschlossen. Brahimi habe weiter vorgeschlagen, daß Assad mit begrenzten Rechten im Amt bleiben solle, bisherige Rechte sollten vom Ministerpräsidenten übernommen werden. Der wiederum solle aus der Opposition kommen, allerdings nicht von der »Doha-Koalition«, wie die »Nationale Koalition« in Syrien genannt wird. Brahimi habe Garantien verlangt, daß Assad nicht erneut bei den Präsidentschaftswahlen 2014 kandidiere. As-Safir bezeichnet die über DNN verbreiteten Information als »nicht unbedingt zuverlässig«, möglich sei aber, daß Regierungsstellen über DNN Dinge verbreiten, die sie offiziell nicht äußern können.

* Aus: junge Welt, Freitag, 4. Januar 2013


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