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Chance für ein Treffen

UN-Vermittler Brahimi: Begegnung zwischen syrischer Regierung und Vertretern der Opposition könnte in Genf stattfinden

Von Karin Leukefeld *

Bei einer EU-Außenministerkonferenz in Brüssel hat Großbritannien am Montag erneut die Aufhebung des europäischen Waffenembargos an die bewaffneten Aufständischen in Syrien gefordert. In einer Tischvorlage der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zu dem Ministertreffen hieß es, »Waffenlieferungen könnten eine neue militärische Balance in Syrien bewirken. Allerdings könnte es auch die Militarisierung des Konflikts weiter anheizen. Zudem sei nicht ausgeschlossen, daß die Waffen die »extremistischen Gruppen« erreichten. Schweden und Deutschland äußerten sich klar gegen eine Aufhebung oder Lockerung des Waffenembargos, das Ende Februar ausläuft. Großbritannien hingegen beharrt darauf, daß entsprechende Sanktionen aufgehoben werden sollen, um »Waffen zum Schutz der Bevölkerung« an die Aufständischen zu liefern.

Ein namentlich nicht genannter EU-Diplomat sagt der Reporterin von Middle East Online, er frage sich, ob es der richtige Moment sei, um das Waffenembargo aufzuheben »angesichts der aktuellen Bemühungen, eine politische Lösung voranzubringen.« Obwohl zumindest der deutsche Auslandsgeheimdienst BND engen Kontakt zu den Aufständischen pflegt und diese mit Aufklärungsmaterial über syrische Militärstützpunkte und -bewegungen versorgt, riet Außenminister Guido Westerwelle, erst einmal die »politischen Bemühungen« abzuwarten. Deutschland werde die »Nationale Koalition unterstützen, eine Eskalation aber vermeiden«, sagte der Minister in Brüssel. Eine Aufhebung des Waffenembargos sei nicht vernünftig«, sondern »würde lediglich zu einem Rüstungswettlauf in Syrien führen«, so Westerwelle.

Der französische Präsident Francois Hollande hatte vor wenigen Tagen die Aufhebung des europäischen Waffen­embargos für syrische Aufständische ausgeschlossen. Das sei nur möglich, »wenn wir sicher sind, daß es keine Möglichkeiten für einen politischen Dialog gibt«, sagte er. Französische Truppen kämpfen derzeit in Mali gegen Islamisten, die mit Waffen ausgerüstet sind, die der Westen, auch Frankreich, vor zwei Jahren den Aufständischen in Libyen geliefert hatten.

Der britische Außenminister William Hague hatte selber erst vor wenigen Tagen eingeräumt, daß »Syrien ein Anziehungspunkt für Gotteskrieger« geworden sei. Bei einer Rede am Königlichen Institut der Vereinigen Streitkräfte am vergangenen Donnerstag warnte Hague, daß die Kämpfe in Syrien eine noch viel rücksichtslosere Generation von Dschihadisten hervorbringen könnte. Vielleicht seien »sie keine Gefahr für uns, wenn sie am Anfang nach Syrien gehen. Aber wenn sie dort überleben und ideologisch gefestigt sind, könnten sie mit all ihrem Wissen über Waffen und Sprengstoff zu uns zurückkehren.«

Der UN-Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi hatte eine Teilnahme in Brüssel abgesagt, um die Chancen für ein Treffen zwischen Teilen der Opposition und Regierungsvertretern weiter zu befördern. Brahimi schlug für ein erstes Treffen eine Stadt mit UNO-Sitz vor, vermutlich Genf. Im Kontext dieser Entwicklungen müsse man sich fragen, ob die Aufhebung des europäischen Waffenembargos eine angemessene Maßnahme sei, sagte Brahimi in Kairo. Ein Treffen der verfeindeten Seiten sei indes »Licht am Ende des Tunnels«. Bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar hatte der Präsident der oppositionellen Nationalen Koalition, Mouaz Al-Khatib, sich zu Gesprächen in Moskau bereiterklärt. Medienberichten zufolge wird Al-Khatib Ende des Monats in der russischen Hauptstadt erwartet. Der parallel vorgesehene Besuch des syrischen Außenministers Walid Mouallem in Moskau bedeute nicht, daß ein Treffen zwischen beiden Männern vorgesehen sei, hieß es im syrischen Fernsehen. Medien hatten spekuliert, daß in Moskau ein Treffen zwischen Al-Khatib und Mouallem stattfinden könnte.

In Syrien dauerten die Kämpfe am Wochenende an: nach eigenen Angaben konzentrierten sich die Angriffe der Aufständischen auf den internationalen Flughafen von Aleppo. Nach israelischen Angaben sollen fünf verletzte Syrer nach Kämpfen auf dem Golan nach Israel zur medizinischen Behandlung gebracht worden sein. Eine offizielle Stellungnahme der UN-Friedenstruppen, die die Pufferzone zwischen Syrien und den von Israel besetzten und völkerrechtswidrig annektierten Golan-Höhen sichert, gibt es nicht.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 19. Februar 2013


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