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Russland: C-Waffeneinsatz in Syrien

Vorwürfe gegen Aufständische durch Proben erhärtet

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Als Moskaus UNO-Botschafter Witali Tschurkin am Dienstag in New York mitteilte, die syrischen Rebellen hätten am 19. März bei Aleppo eine Rakete mit dem Giftgas Sarin eingesetzt, meldeten die USA massive Zweifel an.

Doch am Mittwochabend trat Außenminister Sergej Lawrow vor die Presse und machte erstmals Details der russischen »Sonderoperation« zur Probenentnahme publik. Seine Schilderung von Hergang und Ergebnissen lassen vermuten, dass Moskaus Vorwürfe stimmen. Demzufolge haben russische Experten unmittelbar am Ort der Attacke Proben entnommen und diese in einem Labor untersucht, das mit Zertifikat der Organisation für das Verbot chemischer Waffen arbeitet. Auf dem Weg vom Ort der Entnahme zum Labor, so der Diplomat wörtlich, hätten die Experten »die Proben nicht aus der Hand gegeben«. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass sowohl die Geschosse, wie auch die darin enthaltene Substanz« – das Giftgas Sarin – von einer mit der Freien Syrischen Armee (FSA) »affillierten« (verbündeten) Gruppierung in einem Gebiet hergestellt wurde, das zur Zeit des Angriffs von der FSA kontrolliert wurde. Das gehe aus den geografischen Koordinaten der Fotos vom Ort der Probenentnahme hervor. Sie und ein detailliertes Protokoll der Probenentnahme habe Russland UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zusammen mit den Untersuchungsergebnissen übergeben, sagte Lawrow.

Die syrische Regierung hatte schon vor Monaten behauptet, die Rebellen hätten im Norden bei Aleppo Chemiewaffen eingesetzt. Dutzende Menschen seien dabei getötet worden. Die Opposition wies den Vorwurf zurück und lastete der Regierungsarmee den Einsatz der Giftgas-Rakete an.

Das Kampfgas Sarin enthält hochgiftige Phosphorsäureester, die das Nervensystem im gesamten Körper angreifen, Krämpfe, Atemnot, Erbrechen und bei hohen Dosen sogar den Tod herbeiführen. Die Behandlung ist äußerst schwierig.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 12. Juli 2013


Meldungen der Russischen Nachrichtenagentur zum Thema:

Lawrow: Sarin-Raketen auf syrischem Boden hergestellt

Die Raketen mit Giftgas Sarin, die die syrischen Regimegegner nach russischen Angaben bei Aleppo eingesetzt haben, waren laut Russlands Außenminister Sergej Lawrow auf dem von der Freien Syrischen Armee kontrollierten Territorium gebaut worden.

„Nach unseren Angaben wurden die Geschosse und die (darin enthaltene) Substanz im Februar dieses Jahres auf dem Territorium in Syrien hergestellt, das damals unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee (FSA) stand“, sagte Lawrow am Mittwoch. Nach seinen Worten wurden die Geschosse von einer mit der FSA „affillierten“ Gruppierung gebaut.

Lawrow bestätigte, dass russische Experten unmittelbar am Ort der Attacke Proben entnommen und diese in einem von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen zertifizierten Labor untersucht haben. Auf dem Weg vom Ort der Entnahme bis zum Labor „ließen die Experten die Proben nicht aus der Hand“, betonte der Minister. Die Ergebnisse der Untersuchung, die Russland der Uno bereit gestellt hat, enthielten auch Fotos und Angaben zu den geographischen Koordinaten und den Untersuchungsmethoden.

Anders als die „Belege“ westlicher Staaten „entspricht unsere Untersuchung voll und ganz den Standards der Organisation für das Verbot chemischer Waffen“, betonte Lawrow. Er verwies darauf, dass US-amerikanische, französische und britische Beweise für einen angeblichen C-Waffen-Einsatz (durch die syrische Regierung - Red.) weder Angaben zum Ort noch zum Zeitpunkt der Probenentnahme beinhalteten und dass ein Teil dieser Proben sogar von Journalisten überbracht worden war.

Der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin hatte am Dienstag mitgeteilt, dass die syrischen Rebellen am 19. März bei Aleppo eine Rakete mit Giftgas Sarin eingesetzt hätten. Das gehe aus den Proben hervor, die russische Experten am Ort der Attacke entnommen hätten. Russland habe die Belege dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon übergeben.

Die syrische Regierung hatte bereits vor einigen Monaten geäußert, dass die Oppositionskämpfer, die seit mehr als zwei Jahren blutige Gefechte gegen die Regierungsarmee führen, in der nördlichen Provinz Aleppo Chemiewaffen eingesetzt und Dutzende Menschen getötet hätten. Die Opposition wies den Vorwurf zurück und beschuldigte die Regierungsarmee des Einsatzes einer Rakete mit chemischen Substanzen.

Laut UN-Angaben sind bei den Gefechten, die in Syrien seit März 2011 toben, bereits mehr als 90 000 Menschen getötet worden. Die Opposition, aber auch westliche Staaten wollen Assad zum Rücktritt zwingen. Nach Darstellung der Regierung kämpft die Armee gegen aus dem Ausland unterstützte Terroristen.

MOSKAU, 10. Juli (RIA Novosti)


UN-Chemieexperte reist nach Syrien

Der schwedische Wissenschaftler Ake Sellstrom, unter dessen Leitung die Chemieexperten der Uno den Einsatz von Giftgas in Syrien untersuchen, reist zu Verhandlungen nach Damaskus.

Wie der UN-Pressedienst mitteilte, soll Sellstrom mit der syrischen Regierung die Chancen für eine Untersuchung der gegenseitigen Chemiewaffen-Anschuldigungen der Behörden und der Opposition besprechen.

„Die hohe Repräsentantin für Abrüstungsfragen der UN, Angela Kane, und Prof. Sellstrom nahmen die Einladung der Regierung der Syrischen Arabischen Republik an, Damaskus zu besuchen, um Konsultationen über die Modalitäten der Zusammenarbeit abzuschließen, die für eine gründliche, sichere und stichfeste Untersuchung der Behauptungen über den C-Waffen-Einsatz in Syrien notwendig sind“, heißt es in der Mitteilung.

Dieser Tage hat der syrische UN-Botschafter Baschar Dschaafari Kane und Sellstrom offiziell nach Damaskus eingeladen.

Die internationale Kommission mit Sellstrom an der Spitze war auf Ersuchen der syrischen Regierung gebildet worden. Das Regime von Baschar al-Assad wirft der Opposition vor, am 19. März bei Aleppo eine chemische Gefechtsladung gezündet zu haben.

Unter dem Druck der westlichen Länder verlangten die UN-Experten Zugang nicht nur nach Aleppo, sondern auch in andere syrische Gebiete, in denen die Regierungstruppen Giftgas eingesetzt haben könnten.

Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte Sellstrom am Mittwoch in New York empfangen.

Am Vortag hatte der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin dem UN-Generalsekretär einen Bericht über ein Gutachten überreicht, das russische Experten in Syrien erstellt hatten. Das russische Dokument soll belegen, dass die Opposition bei Aleppo tatsächlich das Giftgas Sarin eingesetzt hat.

MOSKAU, 11. Juli (RIA Novosti)


Angst vor Giftgas-Terror: Großbritannien warnt vor Sturz Assads

Großbritannien hat erstmals vor den Gefahren einer Absetzung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gesprochen, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.

Bei einem Sturz Assads könnten Chemiewaffen in die Hände von Terroristen fallen, was Europa einer großen Gefahr aussetzt, heißt es in dem Bericht des britischen Parlamentsausschusses für Aufklärung und Sicherheit.

„Es besteht das große Risiko, dass die syrischen Chemiewaffen in die Hände von Menschen geraten, die mit dem Terror in Verbindung stehen. Sollte es dazu kommen, werden die Folgen katastrophal sein“, heißt es in dem Bericht. Der britische Geheimdienst hatte bereits mehrmals vor der Bedrohung durch Chemiewaffen gewarnt.

Die größte Gefahr geht dabei von den aus Europa stammenden islamistischen Kämpfern in Syrien aus. „Die Terrorgefahr wird steigen, wenn diese Menschen nach Hause zurückkehren“. Ein weiteres Problem sind terroristische Einzeltäter, die angeblich vom Terrornetzwerk al-Qaida bevorzugt eingesetzt werden.

Das Thema Chemiewaffen sorgte dieser Tage für Wirbel. Russlands UN-Botschafter Vitali Tschurkin legte Beweise vor, dass syrische Oppositionelle bei dem Angriff auf Aleppo am 19. März das Giftgas Sarin eingesetzt hatten. Seit Ende März laufen entsprechende Untersuchungen zu diesem Vorfall. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, wer das tödliche Nervengas einsetzte.

Russische Experten hatten Proben vom Ort des Beschusses genommen und in einem Labor untersucht. Laut UN-Botschafter Tschurkin zeigt die Analyse, dass das Geschoss kein herkömmliches Fabrikat war und Sarin enthielt. Es gebe allen Grund zu behaupten, dass die Aufständischen in Khan al-Assal (Vorort von Aleppo) Chemiewaffen eingesetzt haben.

Die syrischen Oppositionellen wiesen die Vorwürfe zurück. Der Sprecher der Freien Syrischen Armee, Luai Mukdad, warf Russland vor, die Fakten zu verdrehen.

Die syrischen Aufständischen wollen die berühmte „rote Linie“, die US-Präsident Barack Obama gezogen hatte, nicht überschritten haben und versprechen Sicherheitsgarantien.

US-Außenamtssprecherin Jennifer Psaki warf Russland vor, alle Bemühungen der Uno, Untersuchungen einzuleiten, zu blockieren. Am Donnerstag wurde bekannt, dass UN-Experten auf Einladung von Präsident Baschar al-Assad den Vorfall in Syrien untersuchen sollen. Das genaue Datum ist jedoch noch nicht bekannt.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte, dass die Proben von der Entnahme bis zur Untersuchung im Labor nicht aus den Augen gelassen worden waren. Der russische Bericht enthielt auch Fotos, geographische Angaben und Informationen über die Untersuchungsmethoden.

MOSKAU, 12. Juli (RIA Novosti)




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