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Clinton fordert Aufstand

US-Außenministerin ruft Syrer auf, sich gegen Assad zu erheben. Staatliche Medien: Mehrheit für neue Verfassung

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Bei dem Referendum über eine neue syrische Verfassung vom Sonntag haben staatlichen Medien zufolge 89,4 Prozent der Teilnehmer für die von Präsident Baschar Al-Assad vorgeschlagenen Änderungen gestimmt. Die Beteiligung habe bei 57,4 Prozent gelegen, berichtete das syrische Fernsehen am Montag (27. Feb.).

US-Außenministerin Hillary Clinton hat die Syrer aufgerufen, sich gegen Assad zu erheben. Bei einem Besuch in Marokko, wo Clinton sich mit ihrem Amtskollegen Saad Eddine Othmani traf, forderte Clinton insbesondere Angehörige der Streitkräfte und Geschäftsleute auf, sich vom Staatsoberhaupt abzuwenden. »Je länger Sie das gewaltsame Vorgehen des Regimes gegen Ihre Brüder und Schwestern unterstützen, desto mehr wird Ihre Ehre beschädigt«, wird Clinton in einem Bericht der Nachrichtenagentur AP zitiert. Sollten sie sich aber gegen Assad wenden, würden »Ihre Landsmänner und Frauen Sie als Helden preisen«. Angehörige der Streitkräfte sollten »vor ihrer Familie oder einer politischen Partei an das Volk« Syriens denken, so Clinton. Die USA »dringen mit Macht auf einen Plan für einen politischen Übergang«. Auf die Frage, warum Washington keine Waffen an die syrischen Aufständischen liefere, antwortete Clinton, man werde »keine Panzer« aus der Türkei, Libanon oder Jordanien über die Grenze bringen. »Das Beste, das man hineinschmuggeln« könne, seien »automatische Waffen« und »vielleicht ein paar andere Waffen«.

Der Ministerpräsident und Außenminister Katars, Scheich Hamad bin Jassim Al-Thani, sprach sich am Montag (27. Feb.) in Oslo dafür aus, daß die internationale Gemeinschaft die syrischen Aufständischen mit Waffen versorgen sollte. Die arabischen Staaten müßten für die Aufständischen innerhalb Syriens »sichere Häfen« einrichten. »Wir sollten alles Notwendige tun, um ihnen zu helfen«, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Scheich aus Katar. Dazu gehöre auch, »sie zu bewaffnen, damit sie sich verteidigen können«. Nachdem man im UN-Sicherheitsrat gescheitert sei, so Al-Thani, müsse man nun alles tun, um »genug militärische Hilfe zu schicken, um das Morden zu stoppen«. Saudi-Arabien hatte schon bei dem Treffen der »Freunde Syriens« in Tunesien am vergangenen Freitag die Bewaffnung der Aufständischen in Syrien gefordert.

Die EU hat die Sanktionsschraube gegen das Regime in Damaskus am Montag ein weiteres Mal angezogen. Alle syrischen Frachtflüge nach und aus Europa wurden untersagt, die Konten der Zentralbank der arabischen Republik eingefroren und sieben weitere syrische Minister mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegt. Darauf einigten sich die EU-Außenminister am Montag (27. Feb.) in Brüssel.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bemühte sich nach Angaben seines Sprechers in Damaskus, Saleh Dabbakeh, auch am Montag weiter um die Evakuierung von ausländischen Journalisten, die in Baba Amr, einem umkämpften Vorort der Stadt Homs, am vergangenen Mittwoch verletzt worden waren. Die französische Bildreporterin Edith Bouvier und ihr britischer Fotografenkollege Paul Conroy waren durch Mörsergranaten verwundet worden. Bouvier benötigt nach eigener Aussage dringend eine Operation. In Videobotschaften hatten die Journalisten zunächst ihre Evakuierung in den Libanon gefordert. Von dort waren sie mit mindestens zwei weiteren Journalisten, Marie Colvin und Remi Ochlik, zuvor unter Umgehung einer für Syrien erforderlichen Presseakkreditierung von Aufständischen eingeschleust worden waren. Colvin und Ochlik waren bei der Bombardierung eines provisorischen Medienzentrums in Baba Amr getötet worden, auch ein syrischer Mitarbeiter der Journalisten war ums Leben gekommen.

Unklar ist, woran die Evakuierung der verletzten Journalisten und der beiden Leichname bisher gescheitert ist. Rettungswagen des Syrischen Roten Halbmonds hatten am vergangenen Freitag 27 zum Teil schwer verletzte Personen aus Baba Amr in ein Krankenhaus in Homs gebracht. Die Journalisten hatten sich offenbar geweigert, mitgenommen zu werden.

Unbestätigten Berichten zufolge soll das syrische Militär vier französische Geheimdienstoffiziere in Homs festgenommen haben. Vor einigen Tagen hatten bereits »arabische Quellen« der libanesischen Tageszeitung Safir mitgeteilt, ein französischer Geheimdienstagent sei an der syrisch-libanesischen Grenze von Syrern festgenommen worden. Frankreich äußerte sich zu den Meldungen nicht.

* Aus: junge Welt, 28. Februar 2012


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