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Die Waffen nieder

Treffen syrischer Oppositioneller bei Damaskus fordert Feuereinstellung und nationalen Dialog

Von Karin Leukefeld *

Syrische Oppositionelle haben am vergangenen Wochenende (17./18. Sept.) auf vielfältige Weise Dialogbereitschaft bewiesen. Während zusammen mit offiziellen Vertretern Treffen des nationalen Dialogs landesweit fortgesetzt wurden, trafen sich auch rund 200 Oppositionelle in der Nähe von Damaskus, die einem nationalen Dialog erst dann zustimmen, wenn alle Waffen in Syrien schweigen. In Paris trafen sich Exil-Oppositionelle und gründeten ein säkulares Komitee, während die türkische Hauptstadt Ankara erneut Gastgeber eines Oppositionellentreffens war, aus dem ursprünglich ein Syrischer Nationalrat hervorgehen sollte, wozu es aber nicht kam.

Anders als die syrische Exil-Opposition, die seit Monaten mit allerlei Treffen, Vorschlägen und Forderungen das Interesse internationaler Leitmedien auf sich gezogen hat, war die ursprüngliche innersyrische Opposition vor allem damit beschäftigt, eine Kommunikation zwischen den vielfältigen Akteuren in Syrien herzustellen und sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise zu einigen. Die wird mittlerweile von der Gruppe »Nationaler Demokratischer Wandel« koordiniert, die am Wochenende rund 200 Oppositionelle auf ein privates Anwesen bei Damaskus eingeladen hatte. Zu den bekanntesten Teilnehmern gehörten der Journalist Michel Kilo und Hassan Abdul-Azim, der Vorsitzende der in Syrien verbotenen Arabischen Sozialdemokratischen Union. Erstmals hatten sich die syrischen Oppositionellen Ende Juni im Semiramis-Hotel in Damaskus getroffen.

Die Teilnehmer des Treffens wurden Berichten zufolge vom syrischen Geheimdienst observiert, Festnahmen oder Störungen habe es aber nicht gegeben. Eine Stellungnahme mit Forderungen von Vertretern der zumeist jugendlichen Protestbewegung sei verlesen worden, heißt es in einem BBC-Bericht. Darin sei das Treffen begrüßt worden, man sei aber nicht gekommen, weil man nicht festgenommen werden wollte. Aus dem Bericht geht nicht hervor, von welcher Strömung innerhalb der Protestbewegung die verlesene Erklärung getragen wird.

In der Abschlußerklärung wurde ausdrücklich jede internationale Intervention und jede Gewaltanwendung im Zuge der Proteste abgelehnt, egal von wem. Man distanzierte sich von Strömungen, die ihre Proteste gegen das syrische Regime mit religiösen Forderungen begründen. Präsident Assad wurde aufgefordert, das »Feuer einzustellen«, Soldaten und Sicherheitskräfte von den Straßen abzuziehen, die Gefangenen freizulassen, dann könne »ein nationaler Dialog beginnen«. Die Protestbewegung wurde aufgefordert, friedlich zu bleiben und nicht zu den Waffen zu greifen. Sollte die Regierung nicht dafür sorgen, die Krise zu beenden, könnten die Proteste in einen Generalstreik oder Aktionen des zivilen Ungehorsams eskalieren. Mit der Erklärung wurde der Presse auch ein »Nationalrat« vorgestellt, ein Gremium aus rund 80 Personen in Syrien und außerhalb, das zuvor gebildet worden war. Im ganzen Land sollen zudem Büros und Komitees eröffnet werden. Ein Treffen des Gremiums im Ausland ist für das kommende Wochenende in Berlin geplant.

Der Ökonom und Chefredakteur der arabischen Ausgabe von Le Monde Diplomatique, Samir Aita, war aus Paris angereist. Er bezeichnete die Versammlung »zur Unterstützung der Protestbewegung trotz aller Sicherheitsprobleme« als sehr bedeutsam. Wichtig sei vor allem »die Tatsache, daß dieses Treffen in Damaskus, auf syrischem Boden stattgefunden hat«, so Aita. Gegenüber der syrischen Onlinezeitung dp-news rief Aita die syrische Jugend auf, ihre friedlichen Proteste fortzusetzen, sich gleichzeitig aber auch politischer zu orientieren.

* Aus: junge Welt, 20. September 2011


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