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Nur wenige Auserwählte

Erste Details zur geplanten Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland bekannt geworden. Weiter starke Restriktionen beim Nachzug von Angehörigen

Von Ulla Jelpke *

Nach langem Ringen insbesondere von Nichtregierungsorganisationen um eine Regelung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der BRD hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am 19. März die Einreise von 5000 »besonders schutzwürdigen« Menschen genehmigt. Es sollen jedoch nur Personen ausgewählt werden, die sich derzeit in Flüchtlingslagern in Jordanien aufhalten. Insgesamt sind nach UN-Angaben seit Beginn des Syrien-Konflikts aber schon 1,2 Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen, neben Jordanien insbesondere in den Libanon und die Türkei. Ihre Lage spitzt sich zu. Erst am Donnerstag berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, 400 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge seien nach Unruhen im türkischen Lager Suleymansah in der Nähe der Stadt Akcakale in ihr Heimatland zurückgeschickt worden. Hintergrund der Abschiebung waren offenbar Proteste von Flüchtlingen, nachdem Wachleute 200 Landsleuten die Aufnahme im bereits mit 35000 Menschen voll besetzten Lager verweigert hatten. Militärpolizisten sollen dabei nach Steinwürfen Tränengas und Wasserwerfer gegen die Protestierenden eingesetzt haben. Bislang hat die Türkei bereits 260000 Syrer aufgenommen.

Dagegen wirkt die Zahl von 5000 Menschen, denen die Bundesrepublik Zuflucht gewähren will, wie der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein. Und auch der Entschluß dazu hat lange auf sich warten lassen, obwohl etwa die Linkspartei schon vor einem Jahr die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien gefordert hatte. Die nun doch beschlossene Aktion soll in zwei Schritten erfolgen. Im Juni werden zunächst 3000, im Herbst noch einmal 2000 Flüchtlinge nach Deutschland geholt. Eine Erkundungsmission im April in jordanischen Lagern wird die Flüchtlinge aussuchen. Eine Liste von Auswahlkriterien liegt noch nicht vor. Der besondere Schutzbedarf soll im Vordergrund stehen, genannt wurden Familien und Kinder ohne Eltern. Nach den Erfahrungen mit der Aufnahme irakischer Flüchtlinge 2009 ist zu erwarten, daß diejenigen bevorzugt werden sollen, die nach Einschätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gute Voraussetzungen für eine Integration mitbringen. Dazu gehören Familienbeziehungen nach Deutschland oder die Zugehörigkeit zur christlichen Minderheit. Voraussichtlich sollen die Flüchtlinge aber nur für die Dauer des Krieges aufgenommen werden. Bliebe es dabei, könnten sie keine integrationsfördernden Angebote wie Sprachkurse in Anspruch nehmen. Die Innenminister von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben sich jedoch für ein dauerhaftes Bleiberecht ausgesprochen. Ob ihre Kollegen in den anderen Bundesländern dem folgen werden, ist noch offen.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl forderte die Bundesregierung auf, deutlich mehr Syrern die Chance zum Neuanfang in Deutschland zu geben. Auch solle ihre Aufnahme bei Verwandten ermöglicht werden. Derzeit ist das nur in den engen Grenzen des Familiennachzugs und des EU-Visa-Kodex möglich. Schon Geschwister oder Eltern Erwachsener sind davon ausgeschlossen. Auch für sie müßte also eine humanitäre Aufnahmeregelung durch die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen werden. Auf ein entsprechendes Anliegen des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), hat Hans-Peter Friedrich allerdings noch nicht reagiert. Dabei sprechen sich auch CDU-Außenpolitiker wie Ruprecht Polenz für eine großzügige Regelung zum Familiennachzug aus. Die Innenpolitiker von Union und FDP zeigten sich im Innenausschuß des Bundestages bei diesem Thema hingegen stur.

* Aus: junge Welt, Ostersamstag, 30. März 2013


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