Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Baschar al Assad muss gehen"

Die "Freunde Syriens" unter Führung der USA und Frankreichs trommeln für einen Regimewechsel

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Die „Freunde Syriens“ haben in Paris erneut Präsident Bashar al-Assad für die Gewalt in Syrien verantwortlich gemacht. Vertreter von rund 100 Staaten und Organisationen nahmen an dem Treffen teil, das um die USA, europäische Kernstaaten und deren Partner in den Golfmonarchien jenseits von Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates agiert. China, Russland und viele andere Staaten blieben dem Treffen fern. Russland lehnt einen „Regierungswechsel“ durch ausländisches Eingreifen ab und fordert, dass die Syrer selber über das Schicksal ihres Landes entscheiden müssen.

Rechtzeitig zum Beginn des Treffens der „Freunde Syriens“ hatten anonyme Sprecher der „Freien Syrischen Armee“ westlichen Medien mitgeteilt, dass sich ein hochrangiger Kommandeur der Republikanischen Garden in der syrischen Armee in die Türkei abgesetzt habe. Manaf Tlass, dessen Vater Mustafa 30 Jahre lang hochrangiger Militär der syrischen Armee und zuletzt Verteidigungsminister war, sollte sich nach Angaben des französischen Außenministeriums am Freitagmittag bereits auf dem Weg nach Frankreich befunden haben. Von syrischer Seite lag bis Redaktionsschluss weder ein Dementi noch eine Bestätigung vor. Die Familie Tlass ist eine der einflussreichsten syrischen Familien, sie stammt aus der umkämpften Ortschaft Rastan (Homs).

Der französische Gastgeber der „Freunde Syriens“, Präsident Francois Hollande forderte schärfere Sanktionen gegen Assad und sprach sich offen für eine Unterstützung der Aufständischen aus. "Baschar al Assad muss gehen", sagte Hollande zu Beginn des Treffens. Dies sei im Interesse aller, die um Frieden in der Region bemüht seien. Zu einem Fototermin hatte sich Hollande zunächst mit einigen syrischen Auslandsoppositionellen getroffen. Der Syrische Nationalrat (SNR) forderte den „Freundeskreis“ auf, eine „Flugverbotszone“ über Syrien und „humanitäre Korridore“ militärisch umzusetzen. Die Sitzung begann mit einer Schweigeminute für die Toten der Auseinandersetzungen in Syrien.

US-Außenministerin Hillary Clinton drohte insbesondere Russland und China und forderte sie auf, ihre „Unterstützung für das Regime in Syrien“ aufzugeben. Sollten sie sich „dem Fortschritt länger in den Weg stellten“, würden sie „den Preis dafür bezahlen“ müssen. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rybkow wies die Äußerungen scharf zurück. Der Westen greife zu Formeln in einem „Freund-oder-Feind“- Denken, „wir dachten diese Sprachregelung gehöre der Vergangenheit an“, sagte er. Es ginge nicht darum, bestimmte politische Führer zu unterstützen, „es geht darum, eine Krise in einem Land im Rahmen der normalen politischen Regeln zu lösen“.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der neben der US-Außenministerin Platz genommen hatte, sagte der syrischen Bevölkerung humanitäre Hilfe zu. Bisher hat Deutschland 8,5 Millionen Euro für Medizin und Nahrungsmittel bezahlt. Westerwelle rief weiterhin die syrische Opposition zur Geschlossenheit auf. Ein „Maß an Einigkeit“ sei nötig, sagte er in Paris. Bei einem Treffen der syrischen Opposition vor wenigen Tagen in Kairo war es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Kurdische Vertreter hatten das Treffen unter Protest verlassen.

Parallel zu dem Treffen in Paris kündigte die NATO ihre „Bereitschaft für Frieden in der Region“ an. Der deutsche Konteradmiral Thorsten Kahler sagte der türkischen Tageszeitung Hürriyet, die Maritime Gruppe 2 der NATO (SNMG2) werde bei einem bevorstehenden Einsatz „den Terroristen in der Region die klare Botschaft (vermitteln), dass die NATO ihre Pflicht erfüllt“. Der Flottenverband, der aus der türkischen Fregatte Gediz, der französischen Fregatte Courbet und der deutschen Fregatte Bayern besteht, wird am 7. Juli von Istanbul ins östliche Mittelmeer aufbrechen, der genaue Einsatzort ist geheim. Deutschland hatte kürzlich von der Türkei das Kommando übernommen.

Der Irak habe «handfeste Informationen», wonach Extremisten von seinem Staatsgebiet aus die Grenze nach Syrien überquerten, um dort Anschläge zu verüben, sagte der irakische Außenminister Hoschjar Sebari. Erneut warnte er davor, dass die Kämpfe in Syrien auf den Irak und andere Länder übergreifen könnten. Im Libanon war am Donnerstag offenbar ein Anschlag auf den Abgeordneten Butros Harb (Koalition 14. März) verhindert worden. Sprengsätze an seinem Arbeitsplatz seien nach Auskunft von Innenminister Marwan Kharbel rechtzeitig entdeckt worden. Das Bündnis 14. März kritisiert die derzeitige politische Führung in Damaskus.

Nachdem in Syrien Handgranaten aus Schweizer Produktion von der regulären Armee beschlagnahmt worden waren, hat die Schweiz ihre Waffenlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate eingestellt. Von dort waren die Waffen offenbar zu den syrischen Aufständischen geschmuggelt worden.

Die USA, Türkei, Saudi Arabien und Katar – die bei den „Freunden Syriens“ maßgeblich den Ton angeben - liefern Kommunikationstechnologie, Waffen und Kämpfer nach Syrien. Die „Freunde Syriens“ waren Ende 2011 in Tunis erstmals zusammengekommen. Beim zweiten Treffen in Istanbul (April 2012) hatten sie den Syrischen Nationalrat (SNR) als legitime Vertretung Syriens anerkannt. Der „Freien Syrischen Armee“ wurden Waffen zur Verfügung gestellt und Geld, um die Kämpfer entlohnen zu können. Nur eine Woche, nachdem die Außenminister der Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat sich in Genf auf eine Übergangsregierung aus bisheriger Regierung und Opposition geeinigt haben, folgte nun das dritte Treffen der „Freunde Syriens“ in Paris.

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat derweil mehr als 2 Millionen E-Mails veröffentlicht, die von Politikern, Organisationen und westlichen Firmen zu Syrien ausgetauscht worden sind. Die Mails seien „peinlich für Syrien“, hieß es in einer Stellungnahme. Peinlich seien sie aber „auch für die Gegner Syriens“.

Dieser Beitrag erschien - gekürzt - unter dem Titel "Falsche Freunde" in der "jungen Welt" vom 7. Juli 2012


Kein "Witz": Assad soll weg

"Freunde Syriens" machten in Paris gegen Damaskus mobil **

Mit markigen Worten forderten die »Freunde Syriens« bei einem Treffen in Paris den Rücktritt Assads und den dafür nötigen internationalen Druck.

Die Syrienkonferenz in Paris hat den Rückzug von Präsident Baschar al-Assad gefordert. Die Teilnehmer des Treffens seien sich einig, dass diejenigen, »deren Anwesenheit die Glaubwürdigkeit des Übergangsprozesses gefährdet«, abgesetzt werden müssten, hieß es am Freitag in der Abschlusserklärung der Tagung in der französischen Hauptstadt. Assad müsse daher die Macht abgeben, hieß es weiter.

In der Abschlusserklärung, auf die man sich schon im Voraus verständigt hatte, zeigen sich die 107 Staaten und Organisationen einig, den Druck auf Assad weiter zu erhöhen. »Dringend« wird ein Beschluss des UNO-Sicherheitsrates nach Kapitel VII der UN-Charta angemahnt, um Maßnahmen nach Artikel 41 durchzusetzen. Damit könnten - unter Ausschluss von Waffengewalt - weltweit gültige Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt werden. Angesichts des Widerstands der beiden Veto-Mächte Russland und China hat das Vorhaben bislang jedoch keine Chancen. Beide Sicherheitsratsmitglieder verzichteten darauf, in Paris zu erscheinen.

Die von Bundesaußenminister Guido Westerwelle angeführte deutsche Delegation grollte zudem über Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Dieser hatte aus vertraulichen Regierungsgesprächen berichtet, indem er ausplauderte, dass Kanzlerin Angela Merkel bei Präsident Wladimir Putins jüngstem Berlin-Besuch Möglichkeiten für ein Exil Assads in Russland auslotete. Und dies dann auch noch als »Witz« abtat.

Frankreichs Präsident François Hollande forderte Moskau und Peking strikt auf, Assad fallen zu lassen. »Wer das so verachtenswerte Assad-Regime unterstützt, um Chaos zu verhindern, dem sage ich: Sie werden das verachtenswerteste Regime bekommen und das Chaos dazu.« US-Außenministerin Hillary Clinton warnte beide ebenfalls davor, weiterhin »an der Seitenlinie zu stehen«. Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister William Hague.

Die Teilnehmer der Konferenz der »Freunde Syriens« einigten sich darauf, ihre Hilfen für die syrische Opposition »massiv« auszuweiten. Dazu zählten vor allem Kommunikationsmittel, hieß es. Zugleich gab es Kritik am Zustand der Assad-Gegner, die seit Monaten ein Bild der Zerrissenheit bieten. Die Gruppe will sich der Pariser Erklärung zufolge das nächste Mal in Marokko und anschließend in Italien wieder treffen.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 7. Juli 2012

Russland und Iran für friedliche Beilegung der Syrien-Krise

Russland und der Iran sind für eine friedliche Belegung des andauernden Konfliktes in Syrien. Darum ging es am Freitag in Moskau bei einem Treffen des russischen Nahost-Beauftragten Michail Bogdanow mit dem iranischen Botschafter Mohammad-Reza Sadschadi.

Beide Seiten betonten die Notwenigkeit, die innersyrische Krise auf der Grundlage des Friedensplans des UN-Beauftragten Kofi Annan und der Ansätze, die bei der Syrien-Konferenz in Genf vereinbart worden waren, beizulegen, wie das russische Außenministerium mitteilte. Diese Anstrengungen seien notwendig, um die gewaltsame Konfrontation in Syrien zu beenden und einen nationalen Dialog über eine politische Regelung in die Wege zu leiten.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, Freitag, 6. Juli 2012




Zurück zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage