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Freunde Syriens suchen Freunde von Genf

Zerstrittene Exilopposition sucht sich neu zu sammeln / Assad äußert sich ablehnend zu Verhandlungen

Von Karin Leukefeld *

In London kam am Dienstag die Staatengruppe der »Freunde Syriens« mit Vertretern der Opposition zusammen, um sie zur Teilnahme an der Friedenskonferenz in Genf bewegen.

Nur wenn eine »glaubwürdige Opposition« vertreten ist, macht eine Syrienkonferenz Sinn. Daran lässt der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi keinen Zweifel. Die »Freunde Syriens« verhandelten am Dienstag mit einem Teil der Opposition in London über deren Teilnahme an möglichen Verhandlungen.

Die als »Genf II« firmierenden Gespräche, die in der UN-Sicherheitsratsresolution 2118 gefordert werden, seien vereinbart, sagte Brahimi in Kairo vor Journalisten. Und er hoffe auch, dass sie im November stattfinden könnten. Einen festen Termin allerdings könne die UNO erst nennen, wenn auch eine »glaubwürdige Opposition« teilnehmen werde, »die einen wichtigen Teil des syrischen Volkes repräsentiert«. Brahimi relativierte damit Aussagen von Nabil al-Arabi, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, der bei der gleichen Pressekonferenz den 23. November als Termin für »Genf II« genannt hatte. Um das Zustandekommen der Gespräche zu beschleunigen, plant Brahimi in den nächsten Tagen Gespräche in Katar, Türkei, Iran und Syrien. Die Ergebnisse seiner Reisediplomatie will er dann mit Vertretern Russlands und der USA beraten.

Umstritten war bisher, wer neben den USA und Russland, der EU und der Arabischen Liga aus der Region bei Genf II vertreten sein soll. Inzwischen ist klar, dass Iran, Saudi-Arabien und die Türkei teilnehmen sollen. Auf syrischer Seite ist die Teilnahme einer Regierungsdelegation aus Damaskus beschlossen. Auf Seiten der Opposition sollten nach Meinung der UNO die Nationale Koalition, das Nationale Koordinationsbüro für Demokratischen Wandel in Syrien sowie die Partei der Demokratischen Union als Vertretung der Kurden teilnehmen.

Die vom Westen bisher als einzige syrische Opposition anerkannte Nationale Koalition zerfällt. Der frühere Kommunist George Sabra, jetzt Präsident des Syrischen Nationalrates (SNR), erklärte vor wenigen Tagen, der SNR werde aus der Koalition austreten, sollte diese eine Delegation nach Genf schicken. Der SNR ist mit 20 Personen die größte Fraktion in der Nationalen Koalition. Deren Präsident Ahmed Jarba hatte am Rande der letzten UNO-Vollversammlung Ende September seine Bereitschaft zu den Genf-Gesprächen erklärt und von der Forderung nach Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad Abstand genommen. Beobachter führen das auf Druck der USA zurück. Sichtbar irritiert von der neuen US-Politik zeigt sich derweil Saudi-Arabien, dass seine finanzielle Unterstützung von Kampfverbänden in Syrien und Oppositionsgruppen außerhalb des Landes fortsetzt.

Um die bisherige Weigerungshaltung der Nationalen Koalition zu überwinden, haben sich am Dienstag die Außenminister der Kerngruppe der »Freunde Syriens« – die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutsch- land, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Italien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate – in London mit Vertretern der Nationalen Koalition getroffen.

Der britische Außenminister William Hague, vor wenigen Wochen noch kurz davor, Truppen nach Syrien einmarschieren zu lassen, sprach sich für die Bildung einer Übergangsregierung in Syrien aus. Der BBC sagte Hague, man müsse die «moderate Opposition« in Syrien unterstützen. Extremisten müssten daran gehindert werden, ihren Einfluss in Syrien auszuweiten. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und sein US-Kollege John Kerry hingegen wiederholten die US-Forderung nach Rücktritt Assads: »Er hat Menschen in seinem Land bombardiert und vergast. Wie kann der Mann den Anspruch haben, legitim weiter zu regieren?«

Kerry bezog sich mit der Äußerung offenbar auf ein Interview, das der syrische Präsident dem libanesischen Sender Al Mayadin, das am Montag ausgestrahlt worden war. Darin hatte Assad erklärt, er sehe keine Hindernisse, warum er nicht für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2014 nominiert werden solle. Zu Genf äußerte sich Assad ablehnend. Die Bedingungen für eine erfolgreiche Konferenz seien »noch nicht erfüllt«. Den momentanen Exilführern sprach er die Legitimität zur Teilnahme an einer Friedenskonferenz bzw. später der politischen Teilhabe an einer Übergangsregierung ab. »Welche Kräfte nehmen teil? Welche Beziehungen haben diese Kräfte zum syrischen Volk? Vertreten diese Kräfte das syrische Volk oder die Staaten, welche sie erfanden?« fragte Assad.

Aus Syrien wird unterdessen über weitere Kämpfe berichtet. So gab es am Dienstag Luftangriffe und Gefechte rund um Aleppo und Damaskus.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 23. Oktober 2013


Kein Interesse an Verhandlungen

Von Roland Etzel **

Der Pariser Außenminister Fabius hat in London gefordert, dass Präsident Assad bei jeder künftigen Friedenslösung für Syrien keinerlei Rolle mehr spielen dürfe. Das entspricht der neokolonialen Attitüde Frankreichs in den Farben Hollandes und kommt deshalb nicht überraschend. Weniger zu erwarten war dagegen, dass Assad dem Franzosen zur gleichen Stunde Argumente für seine Forderung liefert.

Im libanesischen Fernsehen ließ Assad wissen, er sehe die Zeit für eine Friedenskonferenz noch nicht gekommen.Offenbar ist er nicht fähig oder nicht willens, die – zu 99 Prozent Russlands Anstrengungen zu dankende – Abwendung eines NATO-Luftkrieges gegen sein Land jetzt mit eigenen Anstrengungen zu einem politischen Kompromiss weiterzuführen. Zwar hat Assad nicht unrecht, wenn er den Machtanspruch der syrischen Exilanten als fragwürdig einstuft. Doch er selbst hatte den »Exilanten« noch vor kurzem Verhandlungen angeboten – was diese ablehnten. Jetzt hat ihnen Assad nachträglich eine Ausrede dafür geliefert. Ein Rückschlag für Verhandlungen.

Einmal mehr zeigt sich, dass beide Seiten, Regierung wie Aufständische, auf freiwilliger Basis nicht zu ernsthaften Gesprächen bereit sind. Der erhobene Zeigefinger ihrer Schutzmächte scheint nichts mehr zu bewirken. Sie sollten stärker mit Liebes-, noch besser Waffenentzug drohen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 23. Oktober 2013 (Kommentar)


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