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Spannungen zwischen Syrien und Irak

Wechselseitig Botschafter nach Anschlagsserie in Bagdad zurückgerufen

Von Karin Leukefeld *

Ein unter fragwürdigen Umständen zustande gekommenes und im irakischen Fernsehen übertragenes »Geständnis« eines früheren Funktionärs der Baath-Partei hat innerhalb weniger Tage die gerade gefestigten Beziehungen zwischen Syrien und Irak wieder stark belastet. Regierungssprecher Al Dabbagh beschuldigte den Nachbarstaat, die im Irak verbotene neue Baath-Partei zu schützen und damit Anschläge wie am 19. August gegen irakische Regierungseinrichtungen zu ermöglichen. Bagdad rief seinen Botschafter aus Damaskus zu Konsultationen zurück, Syrien reagierte ebenso.

Von einem gleichermaßen fragwürdigen Bekenntnis einer Al-Qaida-Gruppe per Webseite unbeeindruckt, beharrt die irakische Regierung auf der verbotenen Baath-Partei als Urheber der Anschläge. Und weil sich deren Führer Mohammed Younes Al-Ahmad und Sattam Farhan in Syrien aufhalten sollen, sei der Nachbarstaat verantwortlich. Damaskus weist die Anschuldigungen zurück und läßt ungenannte »diplomatische Quellen« in syrischen Medien erklären, Al-Ahmad sei Anfang 2009 des Landes verwiesen worden. Die Anschläge wurden mit klaren Worten verurteilt und man bedauerte, daß »interne Streitigkeiten im Irak und möglicherweise ausländische Interessen« die bilateralen Beziehungen überschatteten. Nur einen Tag vor den schweren Anschlägen war Ministerpräsident Nuri Al-Maliki zu einem Staatsbesuch in Damaskus gewesen, wo er mit Präsident Baschar Al-Assad über »Sicherheit, politische und wirtschaftliche Fragen, die Grenzen, Wasser und die regionale Zusammenarbeit« gesprochen hatte, wie Al-Maliki-Berater Ali Al-Mussawi erklärte. Eine Woche vor dem Besuch war bereits zum zweiten Mal eine hochrangige US-Militärdelegation in Damaskus gewesen, um ebenfalls über »regionale Sicherheitsfragen« zu sprechen, wie es aus Kreisen der amerikanischen Armee hieß. Die Passage »ausländischer Kämpfer in den Irak« habe »erheblich nachgelassen«, erklärte danach General Ray Odierno, der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irak. Weil aber Klappern zum Handwerk gehört, fügte er hinzu »man sei noch immer ein bißchen besorgt.«

Wem nutzen die Anschläge in Bagdad, und wer ist finanziell und personell in der Lage, eine dermaßen generalstabsmäßig koordinierte tödliche Aktion durchzuführen? Dazu am fünften Jahrestag des Anschlags auf das UN-Hauptquartier in Bagdad und auf die gleiche Art und Weise? Auch damals explodierte ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen, der direkt neben dem Gebäude abgestellt worden war und tötete neben dem UN-Sonderbotschafter Sergio de Mello 22 weitere Personen. Die Vereinten Nationen zogen sich danach für Jahre aus dem Irak zurück. Heute scheint die irakische Regierung kopflos und uneinig, wer Urheber der neuen Anschläge ist. Während offiziell gegen Syrien Stellung bezogen wird, zeigen andere auf Iran oder Saudi Arabien. Es gibt jede Menge offene Fragen. Wie kam das »Geständnis« des Ex-Baath-Funktionärs zustande, ohne ordentliches Gerichtsverfahren und vor laufender Kamera? Wer ist die irakische Al-Qaida, die sich zu den Anschlägen bekannt hat? Für wen arbeitet, wer bezahlt sie? Wie real ist die Webseite, und wer füttert sie mit Informationen, die in Windeseile von Agenturen als »Wahrheit« in alle Welt getragen werden?

Am Mittwoch (26. Aug.) wurde der Tod von Abdulasis Al-Hakim, dem langjährigen Führer des Hohen Islamischen Rates im Irak (ISCI), bekannt, der seit zwei Jahren an Krebs litt. Al-Hakim und seine Organisation gelten im Irak als »Iraner« und scharfe Konkurrenz zu Nuri Al-Maliki und seiner Dawa Partei.

Vor den Wahlen Anfang 2010 geht der Kampf um den Irak in eine neue Runde und zeigt Fronten auf, an denen innerirakische, aber auch regionale und internationale Interessen aufeinanderstoßen. Drahtzieher hinter den Kulissen sind in Aktion, während die Iraker Mühe haben, inmitten von Gewalt und Lüge ihr Leben zu erhalten.

* Aus: junge Welt, 27. August 2009


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