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Verfeindete Brüder

Irakisch-syrische Spannungen Thema bei bevorstehendem Treffen der Arabischen Liga

Von Karin Leukefeld *

Die scharfen Auseinandersetzungen zwischen Syrien und dem US-besetzten Irak über die angeblich syrische Verwicklung in die schweren Anschläge vom 19. August sorgen in der ganzen Region des Mittleren Ostens für Aufregung. Bei den Angriffen gegen das irakische Außen- und Finanzministerium waren Mitte August nach offiziellen Angaben 95 Personen getötet und mehr als 1000 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Nur einen Tag später präsentierten irakische Sicherheitsbehörden einen früheren Polizeichef aus der Provinz Diyala, der vor laufender Kamera erklärte, er habe den Anschlag auf das Finanzministerium vorbereitet. Den Auftrag dazu habe er von einem Verantwortlichen der Baath-Partei erhalten, der ihn aus Syrien angerufen habe.

Umgehend beschuldigte der irakische Regierungssprecher Ali Al-Dabbagh Syrien, »Terroristen« frei herumlaufen zu lassen, und der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki sagte, über Syrien kämen »90 Prozent der ausländischen Terroristen«, die im Irak Anschläge verübten. Bei seinem letzten Besuch in Damaskus einen Tag vor den Anschlägen hatte Maliki eine Liste von Personen vorgelegt, die Syrien an Irak ausliefern sollte, was Syrien ablehnt. Wenn Syrien Personen ausliefern würde, kommentierte die Tageszeitung Al Watan, könnten Dschalal Talabani und Nuri Al-Maliki heute keine hohen Ämter im Irak bekleiden. Beide Politiker lebten zur Zeit von Saddam Hussein in Syrien im Exil. Der syrische Präsident Bashar Al-Assad bezeichnete die Beschuldigungen als »unmoralisch und politisch motiviert« und verwies darauf, daß mehr als eine Million irakische Flüchtlinge in Syrien Schutz gefunden hätten. Erst rief Irak, dann Syrien seinen Botschafter zurück, und Maliki forderte von den Vereinten Nationen ein Kriegsverbrechertribunal gegen diejenigen zu eröffnen, die »brutale Verbrechen gegen unsere Sicherheit und Stabilität verübt und den Tod von vielen unschuldigen Menschen verursacht haben«.

Die Reaktion der irakischen Regierung gegen Syrien setzt die mühsam erreichte Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten aufs Spiel, was nicht nur die vielfältigen bilateralen Beziehungen gefährdet, sondern die ganze Region betrifft. Einer Umfrage in der Jordan Times (Amman) zufolge glauben 83 Prozent, daß die Verschlechterung der Lage im Irak sich negativ auf die Stabilität der Region auswirken werde. Politiker der Region sind gleich reihenweise nach Bagdad und Damaskus gefahren, um zu vermitteln. Der iranische Außenminister Manucher Mottaki bekräftigte in Damaskus und Bagdad, sein Land unterstützte die Einheit und Unabhängigkeit des Irak, der EU-Außenbeauftragte Javier Solana sowie die Außenminister Frankreichs und der USA erklärten, sie wünschten dringend, die Stabilität zwischen beiden Staaten wieder herzustellen. Der türkische Außenminister Ahmed Davutoglu erklärte, sein Land werde in Absprache mit anderen zwischen beiden Staaten vermitteln. Syrien und Irak seien »Brüder, Nachbarn und strategische Verbündete«, die Ereignisse sollten wie eine »interne Familienangelegenheit« behandelt werden. Angebliches Beweismaterial, daß Davutoglu aus Bagdad überbrachte, soll nach Auskunft des syrischen Außenministeriums nichts mit den Anschlägen zu tun haben. Es handele sich vielmehr um Forderungen der früheren US-Administration von George W. Bush. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa erklärte, die irakisch-syrischen Spannungen würden auf dem nächsten Treffen der AL-Außenminister am 9. September in Kairo besprochen.

* Aus: junge Welt, 4. September 2009


Irak und Syrien brauchen mehr Wasser

Türkei sieht sich nicht zuständig für Versorgungsengpässe der Nachbarn **

Die Türkei, Syrien und der von US-Truppen besetzte Irak streiten sich weiter um die Verteilung kostbarer Wasserressourcen. Bei einer Ministerkonferenz in Ankara lehnte die Türkei am Donnerstag die Forderung ihrer beiden Nachbarn ab, mehr Wasser durch den Fluß Euphrat Richtung Süden zu schicken, um dort Versorgungsengpässe zu lindern. Der Irak warf der Türkei vor, für den dramatischen Wassermangel in seinem Land verantwortlich zu sein.

Irak und Syrien fordern vom nördlichen Nachbarn Türkei, mehr Wasser als bisher aus dem Euphrat durch die Schleusen an dem durch mehrere Dämme aufgestauten Strom Richtung Süden fließen zu lassen. Erst vor wenigen Wochen hatte die irakische Regierung kritisiert, die Türkei habe trotz einer versprochenen Steigerung der Durchflußmenge im Euphrat die Zufuhr noch weiter gedrosselt.

Der irakische Wasserminister Latif Raschid sagte, die Mängel in der Wasserversorgung seien noch nie so prekär gewesen wie in den vergangenen beiden Jahren. In den zurückliegenden zwölf Monaten habe sein Land rund ein Drittel weniger Wasser aus dem Euphrat erhalten als zuvor. Auch der syrische Minister Nader Bunni sagte, die Türkei lasse weniger Euphrat-Wasser durch als vertraglich zugesagt.

Der türkische Energieminister Taner Yildiz wies die Vorwürfe zurück. Ankara wisse um die Wasserprobleme seiner beiden Nachbarn, könne aber die Wassermenge nicht steigern. Ankara müsse auch an die eigene Wasser- und Energieversorgung denken. Umweltminister Veysel Eroglu betonte, im türkischen Einzugsgebiet von Euphrat und Tigris seien in den vergangenen Jahren die Niederschläge erheblich zurückgegangen. Um Versorgungsengpässe für Syrien und Irak so gut es geht zu vermeiden, habe die Türkei den Wasserspiegel des Sees an ihrem größten Damm, dem Atatürk-Staudamm am Euphrat, bereits so weit reduziert, daß dort keine Stromgewinnung mehr möglich sei. (AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 4. September 2009


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