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Syrien im Visier der USA

Geplante Bombardierung Syriens angeblich in letzter Minute verhindert - Brandrede des US-Präsidenten Bush gegen Iran und Syrien

Neben dem Iran gerät Syrien immer mehr ins Visier der Vereinigten Staaten. Davon handeln die beiden folgenden kurzen Kommentare. Darin wird u.a. Bezug genommen auf die Aufsehen erregende Rede des US-Präsidenten George W. Bush vom 6. Oktober 2005, worin er Syrien der Komplizenschaft mit dem terrorismus beschuldigt. Die Rede haben wir im Wortlaut hier dokumentiert: "Wie die Ideologie des Kommunismus lehnt der islamische Extremismus die Freiheit der Menschen ab".


Friedensengel des Tages

Condoleezza Rice

Bei einem Kriegsrat, den am 1. Oktober führende Mitglieder der Bush-Regierung abgehalten haben, soll US-Außenministerin Condoleezza Rice die geplante Bombardierung Syriens verhindert haben. Dies berichtete das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek unter Berufung auf hochrangige Regierungsbeamte. Zalmay Khalilzad, derzeit US-Botschafter in Bagdad, hatte bereits im vergangenen Monat erklärt, die USA seien gegenüber Syrien »mit ihrer Geduld am Ende«. Als offizieller Vorwand für die geplante Ausweitung des US-Krieges gegen Iraks Nachbarland Syrien sollte der von Washington ständig wiederholte Vorwurf dienen, die Regierung in Damaskus tue nicht genug, um ausländische Kämpfer davon abzuhalten, über die (Tausende Kilometer lange) Grenze in den Irak einzudringen, um dort das Land zu destabilisieren.

Nach bewährter Methode suchen Weißes Haus, Außenministerium und Pentagon die Schuld für das Chaos in Irak bei ihren Gegnern. Außerdem steht ein Regimewechsel in Damaskus schon lange auf der Prioritätenliste der Scharon- und Bush-Regierungen. Für den angeschlagenen US-Präsidenten wären die innenpolitischen Vorteile einer Bombardierung Syriens beträchtlich, eine Woge der Unterstützung durch einflußreiche zionistische Kreise wäre gewiß, und Siegesberichte der glorreichen US-Luftwaffe würden eine willkommene Ablenkung von den alltäglichen Hiobsbotschaften aus dem »irakischen Sumpf« bringen. Aber ein Krieg gegen Syrien würde auch im ganzen Mittleren Osten die Wut gegen die USA nur noch weiter schüren. Laut US-Geheimdienstlern droht der ständige US-Druck auf Syrien ohnehin bereits, das Land zu radikalisieren. Ein Regimewechsel in Damaskus garantiere zudem nicht, daß dort US-freundliche Kräfte an die Macht kämen.

Außenministerin Rice hat im Irak-Krieg bewiesen, daß sie eine entschlossene Kriegerin an der Seite ihres Präsidenten ist. Wenn sie nun im Fall Syriens auf diplomatische Isolierung setzt und die Abenteurer im Weißen Haus von einer Flucht nach vorne zurückgehalten hat, dann spricht das nicht für ihre Friedfertigkeit, sondern nur für ihre Lernfähigkeit.

* Aus: junge Welt, 11. Oktober 2005


Damaskus im Visier

Von Olaf Standke*

Die Meldung passt zur jüngsten Grundsatzrede von George W. Bush in Sachen Anti-Terrorkrieg, als der USA-Präsident neben Iran vor allem Syrien nachdrücklich warnte: Man werde zwischen jenen, die Anschläge verüben, und jenen, die die Täter unterstützen, keinen Unterschied mehr machen. Nun wissen wir, dass wenige Tage vor seinem Auftritt im Weißen Haus tatsächlich ernsthaft über einen Militärschlag gegen Damaskus nachgedacht wurde. Außenministerin Rice soll die Bush-Falken in letzter Minute davon abgebracht haben. Syrien ist seit geraumer Zeit im Washingtoner Visier, keineswegs erst als vermeintlicher Hort von Massenvernichtungswaffen oder Helfershelfer von Al Qaida in Irak. Schon vor zehn Jahren wurden in neokonservativen Denkfabriken Szenarien entwickelt, in denen man nach Saddam Hussein auch das Baath-Regime in Damaskus hinwegfegen wollte. Die damaligen Auftraggeber machen heute die Politik in Washington und haben das Ziel des Regimewechsels in Syrien nicht aus den Augen verloren. US-amerikanische Operationen von Irak aus hat es bereits gegeben.

Frau Rice will das Problem allerdings eleganter und mit internationaler Billigung lösen. Sie setzt deshalb auf den noch in diesem Monat erwarteten Bericht des deutschen UN-Sonderermittlers Detlev Mehlis im Fall des Mordanschlags gegen den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Hariri, in den syrische Geheimdienstkreise verwickelt sein sollen. Washingtons Nahost-Staatssekretär Welch jedenfalls geht davon aus, dass der Report eine günstige Gelegenheit bieten werde, Syrien ein deutliches »Signal« wegen seines Fehlverhaltens zu senden.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Oktober 2005


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